Bauen

Die Fassade des Völkerkundemuseums vor ihrer Verhüllung. (Foto: Marianne Franke)

14.01.2011

Renovierte Prachtfassade

Völkerkundemuseum in München wird energetisch saniert

Vor 160 Jahren hatte der Architekt Georg Friedrich Christian Bürklein in einem für den bayerischen König Maximilian II. bestimmten Entwurf („die Verschönerung Münchens betreffend“) die seit 1858 so genannte Maximilianstraße konzipiert. In den letzten Jahren hat der seinerzeit schon bald berühmt gewordene Boulevard seine Struktur stark verändert. An Stelle stets belebter Cafés, kleiner, spezialisierter Luxusläden und Kunsthandlungen richteten die internationalen Modekönige reihenweise ihre Residenzen ein. „Kunst raus, Klamotten rein“, klagte ein mehrmals vertriebener Galerist. Neuerdings erfährt das Gesicht der – immer schon etwas extravaganten und heute arg kommerzialisierten – Prachtstraße eine kosmetische Operation nach der anderen.
Zum 150. Geburtstag haben die Privateigner das „Vierjahreszeiten“, das sich der König selbst noch als „nobelstes Stadthotel“ gewünscht hatte, umgestaltet und noch etwas nobler gemacht. Dann wurde die 160 Meter lange Terrakotta-Front der Regierung von Oberbayern für 15 Millionen Euro generalüberholt. Am westlichen Vorhof der königlichen Straße, am Max-Joseph-Platz, wurde das Postpalais mit Ausnahme der Klenze-Fassade abgerissen (Bayerische Staatszeitung vom 17. September 2009). Und am östlichen Ende das Max-Denkmals, das auf einem maroden unterirdischen Gewölbe steht, für 1,7 Millionen Euro von Grund auf erneuert werden.
Aktuell ist die „energetische Fassadensanierung“ des Völkerkundemuseums. 2,6 Millionen Euro soll das Modellprojekt kosten, je zur Hälfte finanziert aus einem staatlichen Sonderprogramm und vom bayerischen Wissenschaftsministerium. Die ungewöhnlich hohen Fenster erwiesen sich als undicht, das Raumklima als wenig zuträglich für viele der empfindlichen Ausstellungsobjekte, obwohl sie vor zehn Jahren schon einmal saniert worden waren. Sie bekommen nun mechanische Öffnungen, die sich mittels Stellmotoren nachts öffnen, so dass die Räume optimal belüftet werden.

Bürklein blieb außen vor


Ein Bauproblem ist dieses repräsentative Gebäude von Anfang an gewesen Eigentlich hatte Maximilian hier, im so genannten Forum, nach dem Wunsch seines Vaters Ludwig I. eine Taubstummenanstalt finanziert. Nach kontroversen Debatten in Künstlerschaft und Bürgertum aber erinnerte er sich plötzlich an das South Kensington Museum in London, das er beim Besuch der ersten Weltausstellung bewundert hatte. Einen solchen Kunstschrein, ein „Bayerisches Nationalmuseum“, wollte er nun auch in seiner neuen Straße haben. Das 1858 bis zum Rohbau gediehene Taubstummendomizil musste also auf Geheiß und Kosten des Stifters wieder abgetragen werden.
Bürklein kam bei der Planung des Nationalmuseums erstmals nicht zum Zug. Da er um diese Zeit mit den anderen Großprojekten bis zur Grenze seiner physischen Leistungsfähigkeit beschäftigt war, wurde der Neubau des Nationalmuseums an der Maximilianstraße einem anderen Gärtner-Schüler, dem Hofbauinspektor Eduard Riedel, anvertraut. Es war sein erster öffentlicher Auftrag. Am 10. März 1864 starb der König – drei Jahre vor Eröffnung des Nationalmuseums, das sein neuer Chefarchitekt als Zweckbau ganz nach seinen sehr speziellen Wünschen, im neogotischen „Maximilianstil“, zu einem guten Ende brachte.
Die 147 Meter lang messende Hauptfront besteht aus fünf Blocks mit durchgehenden Arkaden, wie sie eigentlich die ganze Straße begleiten sollten. Nicht weniger als 25 Achsen und ein reich verziertes Dachgesims lockern den ungewöhnlich langen Bau auf. Der Eingang besteht aus einer Loggia mit neun Achsen. An keinem anderen Gebäude in der Straße lässt sich die architektonische Grundidee so genau ablesen.
Obwohl ein ganzes Stockwerk nach dem Vorbild der Galerie Historique in Versailles mit 143 Fresken zur vaterländischen Geschichte ausgemalt wurde, konnten immerhin 13 000 Exponate in den Räumen des neuen Nationalmuseums untergebracht werden. Und obwohl die Fassade über und über mit hohen Fensterreihen, Balkonen, Türmchen und anderen Schmuckstücken ausgefüllt ist, blieb noch Platz für acht Figuren, von denen jede eine Kardinalstugend symbolisierte, und weitere vier Damen, die Wappen der bayerischen Stämme trugen (nur die Allegorie Frankens ist erhalten). Zwischen den Fenstern gibt es zusätzlich zahlreiche „Ableitungslinien“ (unter anderem Strecklisenen und Säulchen). Auch die Anwendung von „deutschen Tier- und Pflanzenformen“ ließ Riedel wunschgemäß „nicht aus den Augen“.
Die Inschrift „Meinem Volk zu Ehr und Vorbild“ konnte auch noch, gut lesbar bis heute, in Großbuchstaben unter dem Dach angebracht werden. Die Sammlung wuchs weiter, die Zahl der Besucher auch. Ein Jahr nach der Eröffnung brach der Fußboden ein. Eine „Kommission zur Erhebung der Bauschäden“ machte sich an die Sanierung, die den Staat natürlich abermals viel Geld kostete.
1893 erging die Ausschreibung für einen Neubau, der 1900 in der Prinzregentenstraße eröffnet wurde. Die achtunddreißig Säle des Maximilianbaus nahmen dann von 1906 bis 1925 Oskar von Millers Sammlungsstücke für das im Bau befindliche Deutsche Museum auf. In den Museumshof, wo Riedel zunächst einen kunsthistorischen Garten geplant hatte, ließ Miller die ersten ausrangierten Lokomotiven stellen.
Zum Völkerkundemuseum der Gegenwart wurde das langgestreckte Gebäude, das Pendant zum Regierungsgebäude vis-a-vis, erst 1926. Den Grundstock hierfür bildete die von Herzögen und Kurfürsten angelegte Kollektion von Kuriosa, die 1868 erstmals in der Hofgartengalerie der Öffentlichkeit gezeigt wurde. Inzwischen hat sich an der Maximilianstraße 42 eines der führenden ethnologischen Schauhäuser Europas entwickelt, obwohl der Wiederaufbau des während des Zweiten Weltkriegs zum großen Teil zerstörten Gebäudes relativ spät begonnen hatte.

Fertigstellung Anfang 2011


Von den über 150 000 exotischen Kunst- und anderen Objekten, die Museumsdirektoren oft bei abenteuerlichen Expeditionen in die fernsten Winkel der Welt zusammengetragen haben, kann man der Öffentlichkeit immer nur einen kleinen Teil in Wechselausstellungen präsentieren.
Eine erste Generalsanierung wurde 1997 abgeschlossen. Die laufende energetische Sanierung will das Bauamt bis Anfang 2011 beenden. Purer Zufall ist, dass der „schlafende Riese“, wie eine süddeutsche Zeitung das Völkerkundemuseum vor Kurzem bezeichnet hat, zum 1. April 2011 eine neue Chefin bekommt: die in Rosenheim geborene Ethnologin Christine Stelzig, die zuletzt im Frankfurter Museum der Weltkulturen leitend tätig war.
Voraussichtlich ab 2013 soll es eine zweite Phase der energetischen Sanierung des Völkerkundemuseums geben, dann an der Westfassade. Auch sollen dann die Figuren in den Nischen aufgefrischt werden. (Karl Stankiewitz)

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