Bauen

Der weltgrößte Backsteinbau: die Kathedrale in Albi. (Foto: Wiegand)

08.06.2016

Städtebau mit Backsteinen

Eine Architekturtour im Südwesten Frankreichs, in der Region Midi-Pyrénées

Was tun, wenn es keine Natursteine zum Bauen gibt und ihr Import zu teuer wäre? Die Antwort: Das Vorhandene nutzen. In der Region Midi-Pyrénées im Südwesten Frankreichs sind das Tonvorkommen beziehungsweise tonhaltiger Lehm, die sich hervorragend zum Brennen von Ziegeln, auch Backsteine genannt, eignen. Als Verbundstoff dient Mörtel, hergestellt aus gebranntem Kalk, Sand und Wasser. In den Kalksteingebirgen der Region ist auch daran kein Mangel. Backsteine wurden schon vor Jahrtausenden in China, Indien, dem Mittleren Osten und schließlich von den Römern in ihrem Großreich verwendet. Ein ideales Baumaterial von Menschenhand, leichter im Gewicht und einfacher zu formen als Natursteine, die erst behauen werden müssen.
Von einer erneuten Blütezeit ab dem 12. Jahrhundert künden die Backsteinbauten in den Hansestädten. Der weltgrößte steht jedoch in den Midi-Pyrénées, in der Stadt Albi. Die ab 1282 errichtete Kathedrale am Fluss Tarn, ein strenger, kantiger Bau, errichtet als Bollwerk gegen die schon besiegten, jedoch noch gefürchteten Katharer, die Opponenten gegen Kirche und König.
Rötlich leuchtend thront Albis Kathedrale über dem mittelalterlich geprägten Städtchen. Das zählt nun zusammen mit der Kathedrale und dem ehemaligen Bischofspalast, dem Palais de la Berbie, zum UNESCO-Welterbe. Beide Wehrbauten verblüffen jedoch beim Betreten: die Kathedrale durch ihr farbfröhliches Kirchenschiff, der Bischofspalast durch die Dauerausstellung Henri Toulouse-Lautrec. Mehr als 1000 Werke hat der in Albi geborene Maler den Bewohnern vermacht, nicht der Stadt.
In der weitgehend aus Backstein errichteten Altstadt gehört das Kloster Saint-Salvi mit seinem Kreuzgang aus dem 13. Jahrhundert zu den Highlights. Ins Auge fällt auch das „Maison du Vieil Alby“, ein Ziegel-Fachwerk-Bau mit offenem Dachboden zum Waidtrocknen. Waid, eine Färberpflanze zum Blaufärben, machte im Mittelalter Händler und Städte reich. Gestank inbegriffen.
Auch Toulouse, seit 2016 Hauptstadt der neuen Großregion Languedoc-Rousillon/Midi-Pyrénées, wurde durch Waid wohlhabend. Die erhaltenen Renaissancehäuser der Waidhändler sowie spätere Backsteinbauten machen Toulouse zur „rosaroten Stadt“. Selbst das Nationaltheater von 1998, entworfen von Alain Sarfati, passt sich diesem Farbton an. Außerdem setzen sich Gründerzeitbauten, geschmückt mit schmiedeeisernen Balkonen und Fenstergittern, gekonnt in Szene. Toulouse – die Stadt der schönen Häuser und großartiger Sakralbauten. Der bedeutendste ist die romanische Basilika Saint-Sernin (Baubeginn im 11. Jahrhundert), ein Weltkulturerbe. Der Turm zeigt auch spätere gotische Einflüsse. In der zweischiffigen Kirche des Jakobinerklosters sind die palmartig endenden Säulen die Hingucker. Anders das Museum der Augustiner mit dem gotischen Kreuzgang aus Abteitagen. Im Säulensaal kombiniert es nun Mittelalter und Moderne durch die farbfröhliche Kunstpräsentation von Jorge Pardo, die bis 2018 zu sehen ist. Modernisiert wurde auch das Fußballstadion, das Jean Montariol für die Fußball-WM 1938 konzipierte. Mit neuer Bestuhlung, Hybridrasen und Torlinientechnik ist es nun fit für drei Gruppenspiele am 13., 17. und 20. Juni und ein Achtelfinale am 26. Juni während der Fußball-Europameisterschaft 2016.
Eine viel bedeutsamere Meisterleistung vollbrachte jedoch Pierre-Paul Riquet, ein Autodidakt, der nach jahrelangen Studien den Canal du Midi plante, der Toulouse durchzieht. Von 1667 bis 1681 wurde er unter Ludwig XIV. gebaut, seit 20 Jahren steht er auf der Welterbeliste. Mit dieser Verbindung zwischen Atlantik und Mittelmeer verwirklichte Riquet einen Traum, den schon der römische Kaiser Augustus gehegt hatte. Wie der Menschheitstraum vom Fliegen verwirklicht wurde, lässt sich im Aeroscopia bestaunen, in der 2015 eröffneten großen Luftfahrtausstellung. Die von Cardete Huet Architect Agency geschaffene Halle nahe dem Airport vereint vieles: die Blériot XI, mit der Louis Blériot 1909 als Erster den Ärmelkanal überquerte, die Concorde und Caravelle, USA-Cessna-Varianten und die modernste deutsch-französische Airbus-Version (www.musee-aeroscopia.fr). Aus der rosaroten Backsteinstadt wurde die Metropole der europäischen Flugzeugindustrie. (Ursula Wiegand) (Das modernisierte Fußballstadion und das Nationaltheater von Toulouse; schönes Haus mit Balkonen in Toulouse - Fotos: Wiegand)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.