Bauernhäuser mit Strohdächern, mächtige Backsteinschlösser und Buntes aus vergangenen Jahrhunderten – so baute und baut man in Sønderjylland (Südjütland) im bis zur Volksabstimmung von 1920 deutschen Nordschleswig. Fürs Bunte bietet sogleich Sønderborg (Sonderburg) an der Flensburger Förde beste Beispiele. Ausgehend vom mächtigen Backsteinschloss – einer umgebauten

Burg von 1170 und heutzutage ein Museum – zieren hübsche, farbenfrohe Häuser die Promenade am Stadthafen Richtung Marienkirche. Dazu die schunkelnden Yachten am Kai – so attraktiv würden viele gerne wohnen.
Attraktiv, jedoch in anderer Größenordnung, ist auch das nur wenige Kilometer entfernte Schloss Gråsten (Gravenstein) von 1758, die Sommerresidenz der dänischen Königsfamilie. Schlossführer Frede Jørgensen bleibt vor der seitlichen Gartenfront stehen und weist auf die vielen Fenster. Hinter denen liegen unter anderem 28 Schlafzimmer für die Royals und ihre Gäste. Hinter fünfen verbirgt sich die Küche. Von ferne, beim Blick über den Schlossteich, wirkt das weiße Barockgebäude fast zierlich.
Es ist dritte Schloss an dieser Stelle, befindet sich in Staatsbesitz und wird der königlichen Familie zur Verfügung gestellt. Der um 1500 errichtete Vorgängerbau fiel einem Brand zum Opfer. „Die Feuerwehrleute retteten aber nur die 1699 geweihte Schlosskirche, ein unverändert erhaltenes Kleinod“, schwärmt Jørgensen völlig zu Recht. Auch Aabenraa, etwa 30 Kilometer nördlich von Flensburg, hat dicke deutsche Wurzeln. Guide Erling Madsen, ein Mann über 70, spricht beim abendlichen Gang durch die idyllische, hügelan gelegene Altstadt stets von Apenrade. Kleine bunte Häuser in Reihe, viele mit auffallend großen Fenstern, manche auch mit verzierten Türen. Hier waren insbesondere Handwerker daheim und ließen sich bei der Arbeit von den Passanten auf die Finger schauen.
In der Storegade 24, unweit der Nikolaikirche aus dem 13. Jahrhundert, biegt Madsen ab in einen Hof. Dort, in großzügigen Ziegelbauten mit einer traditionellen Krananlage (die vermutlich nicht mehr

benutzt wird), fertigt der 1806 gegründete Familienbetrieb Marcussen & Søn – nun in der siebten Generation – Orgeln von höchster Qualität für Kirchen in aller Welt, zuletzt eine für Japan.
Unten, im neuen Aabenraade, gehen die Uhren anders. Auf einer breiten Straße braust der Verkehr und sogleich fällt ein großer, gut gelungener Bau auf. Das ist kein modernisierter Speicher, sondern ein Neubau, aber in Form und Farbe passend zum Hafenambiente. Es handelt sich um das Gesundheitszentrum Opnøgaarden von 2012, geplant durch Oesten Ingeniører og Arkitekter ApS.
Bauherr war der bekannte Schiffsreeder Hans Michael Jebsen, der bis 1972 in Rendsburg lebte und dort das Gymnasium besuchte. Dann zog er nach Aabenraa und machte auf dem dortigen „Deutschen Gymnasium für Nordschleswig“ das Abitur. Offenbar wollte er mit dem Bau dieses Gesundheitszentrums Aabenraa seiner zweiten Heimat etwas Gutes tun, genau so wie er es bei der Restauration historischer Bauten in Dänemark und in Deutschland getan hat. Auf sein Konto geht auch das fein restaurierte Aarøs- und Badehotel aus dem Jahr 1920 am gleichnamigen Sund östlich der Stadt Haderslev (Hadersleben). Die Gäste schauen von dort auf den Hafen mit dem kecken weißen Leuchtturm, der den Fischern und der Fähre den Weg weist, die Menschen und Autos zur Insel Aarø transportiert. Und dort, direkt am

Inselhafen, steht ein Haus wie gemalt, sonnengelb mit dickem dunklen Strohdach, echt „hyggelig“ (gemütlich), wie die Dänen sagen, und ein toller Kontrast zum blauen Ostseehimmel. Auch Brummers Gaard, ein ehemaliger Bauernhof von 1866 und nun die einzige Gastwirtschaft auf Aarø, ist dem Strohdach treu geblieben.
Gram Slot verfiel zusehends
Zurück auf dem Festland lohnt sich ein Abstecher zu einem Industriedenkmal, zur knallroten Tørning Mølle (Mühle von Tørning), erbaut 1908, damals die modernste, mit Wasserkraft betriebene Mühle zur Stromerzeugung im Deutschen Reich. Inzwischen ist sie ein Museum, doch etwas Strom wird nach wie vor erzeugt.
Ob sie hinsichtlich der Lebensdauer mit Gram Slot (Schloss von Gram) konkurrieren kann? Dieser Backsteinbau (zwischen Haderslev und Ribe) gilt – abgesehen von Kopenhagens Bauten – als das größte Mittelaltergebäude Dänemarks. Erstmals erwähnt wurde es um 1231, die drei Flügel aus dem 15., 16., und 17. Jahrhundert zeigen Nordische Renaissance und Barock. Gram Slot mitsamt dem Gut erwarb 1664 der Reichsfeldherr Hans von Schack. Bis um das Jahr 2000 blieb es im Besitz dieser Familie, vergammelte aber zuletzt. 2007 wurde es verkauft und saniert. Jetzt bietet das Gut schöne Zimmer und Tagungsräume, lockt mit Veranstaltungen und einer üppigen jütländischen Kaffeetafel. „Ein Schloss für alle“ soll es sein, und diese Vision wird verwirklicht.
(Ursula Wiegand)
(Das restaurierte Aarøsund Badehotel aus dem Jahr 1920; das Gesundheitszentrum Opnøgaarden und ein Haus auf der Insel Aarø - Fotos: Wiegand)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!