Bauen

Das Tiny House Village in Mehlmeisel im Fichtelgebirge war das erste derartige Projekt in Deutschland. (Foto: dpa/Nicolas Armer)

23.09.2025

Tiny Houses liegen bayernweit im Trend

An vielen Orten im Freistaat entstehen Siedlungen mit Minihäusern

Im Nürnberger Stadtteil Langwasser Süd entsteht derzeit eine der jüngsten Tiny-House-Siedlungen im Freistaat. Nach Angaben von Pressesprecher Philip Hauck investiert die WBG Nürnberg Immobilien GmbH dort. „Wir hatten viele Interessenten, mit 20 davon sind wir in ernste Gespräche gegangen“, sagt Hauck der Staatszeitung. Die Fertigstellung ist für Frühjahr 2026 geplant. Errichtet werden vier Häuser. Gewinn möchte man damit nicht unbedingt machen, die WBG sieht das Ganze als Pilotprojekt. „Für uns ist das Neuland. Wir gehen nicht mit der Erwartungshaltung an das Projekt, große Gewinne zu erwirtschaften“, so Hauck.

Doch warum Langwasser Süd? „Die Bebauung dort stammt aus den 1960er-Jahren, im Stil einer Trabantenstadt“, erläutert Hauck. Gebaut worden war im Grünen, mit vielen Freiflächen samt Rasen dazwischen. Einige Hybrid-Häuser habe die WBG dort bereits errichtet, punktuell mit Holz. „Wir wollen auf jeden Fall das bisherige Wohngefühl erhalten“, versichert der WBG-Sprecher.

Das Tiny House Village in Mehlmeisel (Landkreis Bayreuth) war das erste legale Dorf für Tiny Houses in Deutschland. Es wurde 2017 gegründet und Stück für Stück aufgebaut. Was mit einem Haus und zwei Einwohnern begann, war bereits zwei Jahre später auf mehr als 40 Einwohner und über 25 Tiny Houses angewachsen. Zusätzlich wurde seit der Gründung erfolgreich ein Tiny-House-Hotel mit drei individuellen Häusern betrieben.

Das Tiny House Village Mehlmeisel liegt im Fichtelgebirge und verfügt insgesamt über 37 genehmigte Stellplätze für Häuser bis maximal 50 Quadratmeter Grundfläche und 4,50 Meter Höhe. Etwa ein Drittel des mehr als 16 000 Quadratmeter großen Grundstücks sind als private Pachtflächen ausgewiesen. Die übrigen Quadratmeter unterteilen sich in Gemeinschaftsflächen, Wege und Parkplätze. Das Grundstück verfügt außerdem über ein Gemeinschaftshaus, eine Garage und eine Scheune. Das komplette Village hat eine natürliche Grenze aus altem Baumbestand.

Mehrere aktuelle Projekte

In Bayern gibt es mehrere aktuelle Projekte rund um das Thema Tiny Houses. Dazu gehören Siedlungen, Areale und auch einzelne Projekte, die sich mit der Schaffung von Wohnraum in Minihäusern beschäftigen. Ein Beispiel ist das TinyHouseAreal in Auernheim bei Treuchtlingen (Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen), wo bereits ein Gebäude mit Gemeinschaftsräumen vorhanden ist und der Bau von drei weiteren Tiny Houses geplant ist. Auch in München gibt es das Tiny Pop-Up-Village, das auf Brachflächen mitten in der Stadt entsteht und zwei Tiny Houses umfasst.

Auch in Ursberg (Landkreis Günzburg) steht eine kleine Siedlung, die aus Kleinsthäusern besteht. Diese ist jedoch ganz besonders. Seit Juli 2018 leben hier Bewohnerinnen und Bewohner mit einer geistigen oder psychischen Behinderung, denen der Projektträger, das Dominikus-Ringeisen-Werk, ein zu weiten Teilen eigenständiges Leben ermöglichen möchte. Aktuell stehen hier sieben Häuser, fünf weitere sollen sich dazugesellen.

Ein Mini-Tiny-House-Viertel mit sechs Stellplätzen ist im März 2022 auf einem Grundstück an der Hofstadelstraße in der Gemeinde Unterammergau (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) entstanden. Sechs Tiny Houses sind dort aufgestellt. Ergänzt wird das Areal um einen Gemeinschaftsraum.

Im Ortsteil Hütting der oberbayrischen Gemeinde Rennertshofen (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) will der Landwirt Stefan Huber auf einer Fläche von rund 5000 Quadratmetern, die an seinen Hof in der Schulstraße angrenzt, 20 Stellplätze für Tiny Houses mit Anschlüssen für Wasser, Strom und an den Abwasserkanal errichten. Sie sollen zwischen 100 und 200 Quadratmeter groß sein und verpachtet werden.

Am Ortseingang von Weitramsdorf (Landkreis Coburg) entsteht eine Tiny-House-Siedlung. Der Investor, der Verein Tiny House Franken aus Nürnberg, plant dort links und rechts der Stichstraße nahe des Weidacher Weges insgesamt 14 Minihäuser und einen Gemeinschaftsraum.

In Erding dagegen ist ein Projekt für 16 Minihäuser geplatzt. Die Initiatoren auf städtischem Grund wurden anfangs von Interessenten regelrecht überrollt. Zwei Jahre später, 2024, besiegelt der Stadtrat das Aus. Auch der Verein „Einfach gemeinsam leben“ ist im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen daran gescheitert, eine Tiny-House-Siedlung zu realisieren. Laut Initiator Thorsten Thane lag es vor allem an „der mangelnden kommunalpolitischen Unterstützung“. Zum im Antrag geforderten Aufruf an Eigentümer, ihre „ungenutzten Grundstücksflächen zur Verfügung zu stellen, konnten sich die Stadträte nicht durchringen“, klagt Thane.

In der Gemeinde Niederstimm ( Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm) liegt das erste 100 Prozent nachhaltige Tiny House in Deutschland. Das Design greift Elemente der ursprünglichen bäuerlichen Bebauung auf. Bei den Häusern wurden nur natürliche Materialien verbaut (ausgenommen Armaturen, Spüle, Rohre und Ofen). Dabei wurde besonders auf die Herkunft des verbauten Holzes aus Deutschland geachtet. Aus den Schnittabfällen wurde die Dämmung der Wände hergestellt. Außerdem wurde bei Bau und Errichtung keinerlei Beton verwendet. Holz wurde für alle Innen- und Außenelemente verwendet, Kautschuk für die Bäder. Auch die Farben sind vollständig ökologisch, ohne chemische Zusätze.

Wachsende Nachfrage

Die wachsende Nachfrage nach alternativen Wohnformen wie Tiny Houses dient oft als Lösung für die steigenden Immobilienpreise und die Sehnsucht nach einem einfacheren Lebensstil. Für Gebäude mit einem Brutto-Rauminhalt bis zu 75 Kubikmetern im Innenbereich braucht es kein Bauantragsverfahren. So stehe es in Paragraf 57 der bayerischen Bauordnung. Das minimiert bürokratische Hürden.

Die geringe Größe dieser Häuser ermöglicht einen geringeren Energieverbrauch und eine reduzierte Umweltbelastung. Ein Tiny House ist flexibel und kann je nach Bedarf umgesiedelt werden – ideal für diejenigen, die ihre Wohnsituation anpassen möchten. Im Vergleich zu herkömmlichen Wohnungen sind Tiny Houses kostengünstiger im Bau und im Unterhalt.

Nur sofern Tiny Houses als Wohnwagen zugelassen sind, ist ihr Abstellen auf Campingplätzen zulässig. Für die Gemeinden besteht aber nach geltendem Recht die Möglichkeit, das Aufstellen von Tiny Houses als Mobilheime, die für den Straßenverkehr nicht zugelassen sind, auf Wochenendplätzen.

Preise variieren stark

Ein schlüsselfertiges Tiny House mit 50 Quadratmeter Wohnfläche kann je nach Ausstattung, Materialien und individuellen Wünschen zwischen 100 000 und 200 000 Euro kosten. Die Preise können stark variieren, und es ist ratsam, verschiedene Angebote von Herstellern einzuholen und die eigenen Bedürfnisse genau zu definieren.
Die familiengeführte Schreinerei Walch spezialisiert sich seit einigen Jahren auf den Bau von Tiny Houses. Gebaut werden die Minihäuser nach den Wünschen der Kunden, jedes Exemplar ist somit ein Unikat. Darunter bietet das Unternehmen auch ein Slide-out-System an. Mit dieser Lösung erweitert man die Wohnfläche bei Bedarf um eine Sitzecke, ganz ähnlich wie beim größenverstellbaren Tiny House auf Amazon.

Der Schreinereibetrieb Prommersberger aus Pettenreuth (Landkreis Regensburg) hat über 20 Jahre Erfahrung im Holzbau und fertigt auch Tiny Houses an. Es gibt vier Grundmodelle, es ist aber auch eine Anfertigung nach individuellen Wünschen möglich. Probewohnen kann man vor Ort in Pettenreuth in der Region Regensburg ebenfalls.

Schon der Firmenname klingt wie ein euphorischer, gut gemeinter Rat: „Go tiny!“, „Verkleinert euch!“ Denn laut der Manufaktur in Gars am Inn (Landkreis Mühldorf am Inn) spricht vieles dafür, in ein Tiny House zu ziehen. Und doch hat jeder Kunde seine eigenen Gründe, sich auf wenig Wohnfläche zu beschränken. Aus diesem Grund wird jedes Tiny House hier von Grund auf neu gebaut, alles richtet sich nach individuellen Bedürfnissen. Ob auf Rädern oder für den stationären Einsatz, aus Holz oder Metall, autark oder mit Anschluss an Strom und Wasser – alles ist möglich.

Die Atelier Seitz GmbH aus Niederneuching bei Erding fertigt unter der Marke Tiny Life sowohl Tiny Houses auf Rädern als auch Modulhäuser. Hinter der mittelständischen Firma stehen rund 66 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bisher im Innenausbau, Veranstaltungsbau sowie im hochwertigen Shop- und Büroausbau tätig waren. Seit September 2020 werden auch Minihäuser gefertigt. Auf dem Firmengelände kann man Musterhäuser besichtigen.

Bezahlbare Wohnform

Der Tiny House Verband Deutschland setzt sich dafür ein, Tiny Houses als rechtlich anerkannte, nachhaltige und bezahlbare Wohnform in Deutschland zu etablieren, indem er sich für Anpassungen im Baurecht, die Schaffung von Tiny-House-Parks, hohe ökologische Standards, finanzielle Förderungen sowie Aufklärungsarbeit und flexible Nutzungsmöglichkeiten starkmacht. Dafür arbeitet der Verband mit Kommunen, Politik und Umweltorganisationen zusammen, entwickelte bereits eine Kleingebäude-Norm und fördert Projekte, um Tiny Houses als praktikable und umweltfreundliche Wohnalternative zu verankern.

Der Verband fordert von der neuen Bundesregierung Erleichterungen bei Genehmigungsverfahren und Vereinfachungen bei den Bauvorschriften für Kleingebäude bis 50 Quadratmeter Wohnfläche und Schaffung von Ausnahmeregelungen. Weiterhin sollen beispielsweise Nachverdichtungsmaßnahmen oder Siedlungsplanungen erleichtert werden und diese durch flexiblere Vorgaben ermöglicht werden. Verbandsvorsitzende Regina Schleyer kritisiert: „Derzeit muss ein Tiny House alle Vorschriften erfüllen, die auch für ein Einfamilienhaus mit zehnfacher Fläche gelten. Eine Reduzierung der Vorgaben könnte einen Bauboom für kleine Wohnbauten auslösen, die sehr viel weniger Ressourcen verbrauchen als große Wohngebäude.“

Dann gibt es noch den Tiny House Freising e. V., ein gemeinnütziger Verein in Bayern, der sich für Kleinwohnformen und Minimalismus unter der Berücksichtigung von Nachhaltigkeit, Umwelt- und Naturschutz sowie Wissenschaft und Forschung einsetzt. (André Paul)

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