Bauen

Dieter Räsch. (Foto: Tobias Hase)

28.11.2022

„Unsere DIN Normen geben zu viele und zu detaillierte Regelungen vor“

Dieter Räsch, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, über Normen im Bauwesen – über- oder unterreguliert

Richtlinien und Regularien sind im Bauwesen, wie auch in allen anderen Branchen, unerlässlich. Sie sind ein wesentlicher Aspekt des wirtschaftlichen Erfolgs der Bauwirtschaft. Mit Hilfe von Normen können einheitliche Vorstellungen und Anforderungen einer Baumaßnahme definiert und im Vorfeld beschrieben und vereinbart werden. Sie geben dem Auftraggeber wie auch dem Auftragnehmer und allen anderen am Bau Beteiligten die Sicherheit, von gleichen Ansätzen auszugehen.

Die Zahl der Normen, Richtlinien und Herstellervorgaben ist dabei massiv angewachsen. Und nicht nur ihre Anzahl ist gewachsen, auch der Umfang der einzelnen Regularien. Es wird immer schwieriger, noch den Überblick zu behalten.

Zu beachten gilt: Die DIN Nomen stellen zunächst nur private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter dar. Dennoch wird die Güte der Ausführung häufig anhand des Normentextes bewertet und die Ausführung mit der Frage „in welcher Norm steht das“ beurteilt. Das ist der falsche Weg. Richtig ist es, Normen als eine der möglichen Erkenntnisquellen für technisch ordnungsgemäßes Verhalten im Regelfall anzusehen. Unsere Normen sollten Zielvorgaben und die Einhaltung sicherheitsrelevanter Vorgaben definieren, es aber den Planenden überlassen, wie diese Vorgaben umgesetzt werden. Planung braucht Freiräume. Es ist daher kontraproduktiv, jedes nur denkbare Detail über Normen zu regeln.

Wie aber entstehen Normen? Sehen wir uns die Normen des Deutschen Instituts für Normung (DIN) an. Das DIN als nationale Normungsorganisation in Deutschland ist ein eingetragener Verein auf gemeinnütziger Grundlage und Mitglied im Europäischen Komitee für Normen (CEN) und der International Organization for Standardization (ISO).

Regelwerke der DIN sollen unter Einbeziehung aller interessierten Kreise erarbeitet werden. In der Praxis werden die Arbeitsausschüsse und Gremien für die Erarbeitung der Normen jedoch vielfach unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen besetzt. Der Grund: Wer in einem Normenausschuss des DIN mitarbeiten möchten, erhält keinerlei Aufwandsentschädigungen oder Spesen. Vielmehr muss er oder sie die Mitarbeit in dem Normierungsgremium sogar bezahlen. Gerade freiberuflich Tätigen erscheint das oft weder zeitlich noch finanziell sinnvoll. Dabei wäre ihre Expertise wichtig, da sie frei ist von wirtschaftlichen Interessen. Doch die Realität sieht anders aus. Gerade Hersteller und interessensgesteuerte Verbände besetzen überdurchschnittlich viele Plätze in den Fachgremien. Die Folge: In nicht wenigen Merkblättern, aber auch Normen, werden interessengesteuerte Regelungen aufgenommen.

Im Versuch allen Beteiligten gerecht zu werden, entstehen außerdem oft Formulierungen, die Auslegungsmöglichkeiten eröffnen und nur durch erweiterte Kommentierungen eindeutig werden. Das vergrößert die Regularien unnötig.

Es muss in jedem Einzelfall darüber nachgedacht werden, was das vernünftigste Maß erforderlicher Regelungen sein kann. Ob eine Norm über die gemeinsame Zielformulierung hinaus für die Vertragsparteien auch schon regeln soll und kann, wie dieses Ziel erreicht wird und ob dies zum Beispiel durch das konkrete Benennen von Lösungsansätzen und Berechnungsmethoden geschehen soll, muss von fachkundigen Personen entschieden werden.

Es wäre wünschenswert, dass Ingenieurinnen und Ingenieure ihr Wissen vermehrt in die Normenausschüsse einbringen. Dies wird aber nur erreichbar sein, wenn Strukturen geschaffen werden, die eine Auskömmlichkeit dieser Arbeiten auch für freischaffende Ingenieurinnen und Ingenieure gewährleisten. Hier gibt es dringenden Änderungsbedarf.

Ich glaube persönlich nicht, dass wir zu viele Normen haben. Ich glaube aber, dass unsere DIN Normen – möglicherweise auch gesteuert durch wirtschaftliche Interessen – zu viele und zu detaillierte Regelungen vorgeben. Mein Wunsch: Überlassen wir es den gut ausgebildeten planenden Ingenieurinnen und Ingenieuren, ihren Erfahrungsschatz auf der Basis grundlegender Normen einzubringen. (BSZ)
 

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