Bauen

Das für die Kirchenverwaltung von St. Peter in der Thalkirchner Straße erbaute Benefiziatenhaus St. Stephan. (Foto: Buch)

25.05.2018

Vergessener Villen- und Schlösserbauer

Max Ostenrieder: Münchner Stararchitekt zur Prinzregentenzeit

Der Münchner Architekt Max Ostenrieder schätzte die Bauten König Ludwigs II. sehr. Er soll sogar erwogen haben, Schloss Herrenchiemsee zu kaufen, als um die Wende zum 20. Jahrhundert laut darüber nachgedacht wurde, das Bauwerk abzureißen und die Insel in ihren Naturzustand zurückzuversetzen. Was er mit dem Schloss gemacht hätte, wenn es so weit gekommen wäre, ist allerdings nicht überliefert. Doch auch ohne Herrenchiemsee hatte Max Ostenrieder alle Hände voll zu tun. Zu seiner Zeit war die Architektur von der „deutschen Neurenaissance“ geprägt, die die immer wieder diskutierte Frage nach einem Nationalstil zu beantworten schien. Dabei nahm im späten 19. Jahrhundert die Münchner Architektur eine ganz eigene Formgebung an, die sich vom Gründerzeitstil anderer deutscher Städte deutlich unterschied.

Richtungsweisend waren hier vor allem der Maler Franz von Lenbach und der Architekt Gabriel von Seidl, die die wichtigsten Kunstgebiete – Architektur, Malerei, Dekoration, Kunstgewerbe – vertraten, aufeinander abstimmten und zu einem Gesamtwerk verbanden. Die dekorative Einheit der Künste war zum charakteristischen Merkmal der Münchner Kunst geworden. In dieses Umfeld ist Max Ostenrieder einzuordnen, der damals zu einem der begehrtesten Architekten avancierte und das Münchner Stadtbild maßgeblich mitgestaltete.

Der als hochtalentiert geltende Architekt wurde 1870 in Moosburg an der Isar als Sohn eines Metzgermeisters geboren. Zwar interessierte er sich von Kindesbeinen an für Architektur, erlangte seine fachliche Ausbildung zum Architekten jedoch nicht auf akademischem Weg, sondern über die Praxis. Ostenrieder arbeitete zunächst als Bauzeichner, danach als Bauamtsarchitekt beim Bauamt der Stadt München. Dabei trat seine Begabung deutlich zutage. Kundig bediente er sich am reichen Formenschatz der deutschen Romanik, der Gotik und der Renaissance und verknüpfte einzelne Elemente in seinen Bauten individuell und stilsicher miteinander.

Als Gabriel von Seidl auf den jungen Architekten aufmerksam wurde und ihn förderte, ging es mit Ostenrieders Karriere steil bergauf. Für das gehobene Bürgertum baute er in der Münchner Innenstadt Wohn- und Geschäftshäuser, Villen am Stadtrand und Sommerhäuser auf dem Land; die Liste seiner Bauten ist lang. Auch für sich, seine Frau Asta und seine beiden Kinder schuf er ein gemütliches Heim für die Sommermonate, indem er ein altes Bauernhaus in Weßling (Landkreis Starnberg) behutsam zu einem kleinen Schmuckstück umbaute, das heute noch teilweise erhalten ist. Eine von Ostenrieder gestaltete und von Tuffsteinmauerwerk umfasste Gartenanlage umgab den Satteldachbau, der durch Erker, durchdachte Treppenanlagen, eine hochwertige Innenausstattung und viele zusammengetragene Einzelstücke, die der Hausherr von Reisen mitbrachte, einen unverwechselbaren Charakter erhielt.

Zudem erwarb Ostenrieder für sich und seine Familie im Herzen Münchens am Marienplatz 18, in unmittelbarer Nähe zum Alten Rathaus, ein altes Haus. An dessen Stelle errichtete er 1896/97 ein stattliches fünfgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus mit reich verziertem Treppengiebel, das sich – wie von einem Architekten seines Formats auch nicht anders zu erwarten war – harmonisch an die benachbarten Gebäude anschloss.

Beim Bau seines Hauses war dem Hausherrn ein plastisches Oberflächenrelief wichtig, das er durch einen über drei Geschosse reichenden Erker, Nischen, Balkone, Skulpturen und Ornamente entstehen ließ. Aber auch auf eine solide architektonische Gestaltung der Innenräume mit stilechter, repräsentativer Ausstattung legte er großen Wert. Das imposante Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört und später durch einen Neubau ersetzt. Damit erlitt es dasselbe Schicksal wie die meisten Bauten aus der Hand Ostenrieders, die dem Krieg zum Opfer fielen oder bis zur Unkenntlichkeit umgebaut worden sind.

Nur noch wenige Gebäude, die heute teilweise unter Denkmalschutz stehen, erinnern noch an den großen Münchner Architekten. So etwa das fünfgeschossige Wohn- und Geschäftshaus Kaut am Platzl mit den Formen der Tiroler Gotik, das in den letzten Jahren restauriert worden ist, wobei allerdings die verwitterten dekorativen Malereien nicht wiederhergestellt werden konnten.

Rastlos und vielseitig

Max Ostenrieder war ebenso rastlos wie vielseitig. Er machte auch vor der Oktoberfest- und Brauereiarchitektur nicht halt und entwarf mit dem Bau und der Dekoration der Franziskaner-Leist-Bräu-Festhalle 1908 einen viel beachteten Bau aus Holz und Leinwand, der sich sowohl durch die innere Raumaufteilung als auch durch sein Äußeres mit Vordächern, Eckbauten und hohem Turm vom Fassaden-Zelt-Konzept anderer Brauereien deutlich abhob.

Fabrikanlagen zählten ebenfalls zu seinem Repertoire. Die Tonwerke Moosburg A. & M. Ostenrieder beispielsweise, ein gemeinsames Unternehmen von ihm und seinem Bruder August, zählten nach dem Umbau zu einer der vorbildlichsten Fabriken Bayerns: keine düsteren Höfe hinter hohen Mauern, sondern Gebäude in einer großzügigen Parkanlage, umgeben von Springbrunnen und Fischteichen.
Ostenrieders Wirkungskreis beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Hauptstadt des bayerischen Königreichs und ihre unmittelbare Umgebung. Sein Ruf als talentierter Architekt zog weite Kreise und so machte er sich auch beim Umbau von Burgen und Schlössern einen Namen, wo Stilsicherheit und eine feine künstlerische Empfindung ganz besonders gefragt sind, damit verschiedene Stilformen ästhetisch miteinander verschmelzen und Altes mit Neuem geschmackvoll vereint werden kann. Dass Ostenrieder hierfür der richtige Mann war, zeigte sich nach dem gelungenen Umbau von Schloss Hohenaschau im Chiemgau sowie des Ritterguts Kospoda in Thüringen und nach der Vollendung von Kloster Ettal. Seine Erfolge ließen auch den Großherzog von Luxemburg aufhorchen, der ihm den Auftrag erteilte, Schloss Berg, seine Sommerresidenz, neu zu errichten.

Zurückgezogenes Leben

Viele Gebäude in der Münchner Altstadt trugen damals die Handschrift Ostenrieders und zeugten von den hohen Ansprüchen, die der Architekt an sich selbst stellte: Der fertige Bau, die Innenausstattung, die Wechselwirkung mit der Umgebung – all das wurde bis ins kleinste Detail durchdacht und wie aus einem Guss umgesetzt. Ostenrieder verstand sich als Künstler, schuf Gesamtkunstwerke, die er auch signierte. An jeder von ihm entworfenen Fassade versteckte sich sein Monogramm „MO“, mal als Wappen, mal als dekoratives Element.

So selbstbewusst er hier seine Urheberschaft in Stein meißelte, so rar machte er sich in der Gesellschaft, mied öffentliche Feiern und Auftritte, wo es nur ging. Ostenrieder litt an Narkolepsie (unkontrollierbare Schlafanfälle) und wollte sich die Peinlichkeit eines plötzlichen Nickerchens im ungünstigsten Moment ersparen. Dennoch genoss er bis in die allerhöchsten Kreise hohes Ansehen und erhielt neben diversen anderen Auszeichnungen von König Ludwig III. den Titel und Rang eines königlichen Rates und Landrates.

Ein langes Leben war ihm allerdings nicht beschieden. Im Alter von 47 Jahren starb er 1917 an den Folgen eines Schlaganfalls. „Heute, hundert Jahre später, ist Max Ostenrieder fast vergessen, kein Weg, keine Straße erinnern an ihn, aber in seinen Bauten hat er sich selbst das schönste Denkmal gesetzt“, schreibt Jean Louis Schlim, der sich auf Max Ostenrieders Spuren begibt und in seiner Monografie Max Ostenrieder – Ein Münchner Architekt an der Schwelle zur Neuzeit ein ausführliches Porträt des Münchner Villen- und Schlösserbauers zeichnet. Zugleich gewährt er damit detaillierte Einblicke in die Münchner Architekturgeschichte der Prinzregentenzeit, die durch zahlreiche, bis dato unveröffentlichte historische Abbildungen eindrucksvoll illustriert wird. (Monika Judä)

(Max Ostenrieder; Das Wohn- und Geschäftshaus Kaut am Platzl in München und ein Fassadenausschnitt des Sieber-Hauses in der Maffeistraße - Fotos: Buch)

Jean Louis Schlim, Max Ostenrieder – Ein Münchner Architekt an der Schwelle zur Neuzeit, Volk Verlag, München 2018, 160 Seiten, 25 Euro

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