Bauen

Das oberbayerische Fraunberg ist unter dem Aspekt Siedlungsentwicklung Pioniergemeinde der Gemeindeentwicklung - Oberpriller Architekten. (Foto: Valentina Damian)

03.07.2018

„Was wir brauchen, ist ein offener Planungsprozess“

Christine Degenhart, Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer, über das neue Landesentwicklungsprogramm (LEP)

Wir leben in spannenden Zeiten. Nicht nur welt-, europa- und bundespolitisch, sondern vor allem auch vor der eigenen Haustüre. Im Zuge von Globalisierung, Klimawandel, Digitalisierung, Zuwanderung, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum in den Ballungsräumen auf der einen und der Gefahr aussterbender Dörfer auf der anderen Seite sind langfristige strategische Ziele und Umsetzungskonzepte für die künftige Entwicklung Bayerns nötig. Gerade hier gewinnt die Landesplanung zunehmend an Bedeutung. Der Begriff Heimat hat wieder Konjunktur und so hat die Debatte über die Frage, wie Bayerns Landschaften in Zukunft aussehen und wie städtische und ländliche Räume als lebenswerte Orte gestärkt werden sollen, Einzug in die Öffentlichkeit gehalten. Und das ist auch gut so.

Das Thema geht uns alle an. Deshalb ist es wichtig, dass die Suche nach der richtigen, langfristigen Strategie zur Entwicklung der Kulturlandschaften Bayerns nicht allein der Politik überlassen bleibt, sondern die Expertise von Fachorganisationen, Verbänden und Kammern ebenso einbezieht wie die Bürgerinnen und Bürger. Was wir brauchen ist ein offener Planungsprozess, in den sich alle Beteiligten einbringen können. Mit ihm kann das Ziel erreicht werden, das die Bayerische Staatsregierung mit dem Landesentwicklungsprogramm (LEP) verfolgt: Den Masterplan für eine gute Zukunft Bayerns aufzustellen und umzusetzen.

Dabei setzt die Politik derzeit vor allem auf die kommunale Selbstverwaltung. Die kommunale Planungshoheit ist in der Tat ein hohes Gut, das zu Recht mit Verfassungsrang ausgestattet ist. Gleichzeitig müssen die Kommunen in die Lage versetzt werden, die damit verbundene Verantwortung wahrnehmen zu können und darüber hinaus im Wege der interkommunalen Zusammenarbeit die Region zu stärken, in der zukünftig der Alltag der Menschen bei der Arbeit, in der Familie und in der Freizeit wieder vermehrt stattfinden könnte.

Schulterschluss von elf Fachorganisationen

Die Initiative „Das bessere LEP für Bayern“ – ein Schulterschluss von elf Fachorganisationen und Verbänden, darunter auch die Bayerische Architektenkammer – bietet hierzu ihr fachliches Wissen und ihre Unterstützung an. Gerade die bayerischen Architekten, Innen- und Landschaftsarchitekten sowie Stadtplaner können dabei einen wertvollen Beitrag leisten, indem sie zum Beispiel die Kommunen bei der Umsetzung der nun aufgelegten Fördermaßnahmen beraten und begleiten – von der Entsiegelung über die Innenentwicklung bis hin zur Förderung von Wohnraum, der von den Kommunen selbst errichtet wird.

Ein sorgsamer Umgang mit Fläche und wirtschaftliche Entwicklung sind kein Widerspruch. Qualitäten stärken und Quantität reduzieren – das ist beim Flächenverbrauch das Gebot der Stunde. Die Landesentwicklung muss in einem größeren Zusammenhang gedacht werden, damit sich die Menschen mit ihrer Umgebung identifizieren können, mit anderen Worten: damit der Begriff Heimat mit Leben gefüllt wird.

Um dies zu erreichen, ist ein Paradigmenwechsel unabdingbar. Ist das Instrument der kommunalen Planungshoheit nicht wesentlich wirkungsvoller, wenn die Kommune auf planerisches Fachwissen zurückgreifen kann, das funktionale, ökologische und soziale Fragen ebenso berücksichtigt wie räumlich-architektonische Aspekte, wie beispielsweise Landschaftsbild, harmonische Einfügung in den Ort oder Atmosphären, die eine Stadt oder ein Dorf ausmachen? Und stoßen Maßnahmen der Raum- und Flächenplanung, die das Orts- und Landschaftsbild prägen, nicht auf sehr viel mehr Akzeptanz in der Bevölkerung, wenn die Menschen frühzeitig an diesen Überlegungen teilhaben, weil sie aktiv in die Prozesse einbezogen werden und nicht von sich aus die Initiative ergreifen müssen, etwa, indem sie erst einmal Einsicht in die Bauleitplanung nehmen?

Gerade die vielfach ungeklärte Frage von Bring- und Holschuld ist es doch, die die ständig beklagte Politikverdrossenheit erst auslöst und weiter verschärft.

Keine
Fundamentalkritik

Verfolgte man die Diskussion der letzten Wochen, konnte man je nach Perspektive den Eindruck gewinnen, dass die Initiative „Das bessere LEP für Bayern“ sich primär in Fundamentalkritik an der Bayerischen Staatsregierung üben wolle. Der konstruktive Ansatz, dass sich Politik, Fachleute und Bürger offen und engagiert gemeinsam und in einem strukturierten, ergebnisoffenen Prozess an der wichtigen Debatte beteiligen, wie Bayerns Landschaften in Zukunft aussehen sollen, geriet zeitweise ins Hintertreffen. Das ist schade, denn alle an dem Memorandum beteiligten Organisationen sind bereit, im Dialog mit der Bayerischen Staatsregierung daran zu arbeiten, Zukunftschancen für das Land zu generieren und zu nutzen.

Die rund 24 000 Mitglieder der Bayerischen Architektenkammer sehen sich bei Fragen der Landesplanung und Raumentwicklung in einer besonderen Verantwortung. Sie sind es, die für die Bewahrung des Vorhandenen (Stichworte: Bauen im Bestand, Denkmalpflege, ressourcen- und energieschonendes Bauen) ebenso stehen, wie für die sorgfältige Gestaltung und Weiterentwicklung der vielfältigen bayerischen Kulturlandschaften sowie die Schaffung beziehungsweise Stärkung von Orten für gesellschaftliches Miteinander – im Sinne der Baukultur. Gemeinsam mit allen an diesen Prozessen Beteiligten, insbesondere auch den Kommunen und den Bürgern, wollen wir unseren Beitrag dazu leisten. Es liegt an ihnen dieses Angebot anzunehmen.

(Christine Degenhart, Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer. In Dietfurt wurde ein altes Jurahaus saniert (Architektur Kühnlein) und ist jetzt das neue Kulturhaus. Der Markt Frammersbach hat unter dem Aspekt Daseinsvorsorge Gewerbeflächen im Ortskern revitalisiert (Georg Redelbach Architekten und arc.grün Landschaftsarchitekten Stadtplaner)- Fotos: eckweg.design, Dominik Fritz/Erich Spahn/Oliver Schuster)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.