Beruf & Karriere

Schon eine Geschichte im Kopf? Durch Storytelling lassen sich Mitarbeiter und Kunden gewinnen. (Foto: dpa/Wolfraum)

15.03.2019

Erfolgreich durch Storytelling

Menschen lieben Geschichten, dennoch wird in der Geschäftswelt vor allem über Daten und Fakten kommuniziert

Ob Geschäftsbericht oder Lebenslauf: Alles soll möglichst nüchtern und sachlich sein. Dabei hat die Hirnforschung längst nachgewiesen, dass Erzählungen nicht nur Menschen jeden Alters begeistern, sondern auch komplizierte Sachverhalte besser verständlich und einprägsamer machen können.

Quer durch alle Nationalitäten und Kulturen wirken Geschichten anziehend, besonders wenn sie gut erzählt und immer wieder weitergesponnen werden. Mehr als 130 Millionen Nutzer in rund 190 Ländern nutzen mittlerweile den Streaming-Anbieter Netflix, besonders häufig werden weltweit Serien konsumiert. Langzeiterfolge wie Harry Potter basieren nicht zuletzt auf der Fortsetzung eines grundlegenden „Narrativs“ mit immer neuen Handlungssträngen. Das Prinzip der sinnstiftenden Erzählung, die Werte und Gefühle adressiert, geht bis auf die Anfänge der Menschheit zurück und lässt sich in allen Religionen wiederfinden. Sozialwissenschaftler sehen die Wirkung solcher Narrative nicht primär im faktischen Wahrheitsgehalt begründet, sondern in der permanenten Wiederholung und Teilung von Erzählfragmenten mit hoher emotionaler Relevanz.

„Alles, was unter die Haut geht, wird zwangsläufig besser abgespeichert“, so der Neurobiologe Gerald Hüther. Und zwar deutlich besser: In entsprechenden Studien wurde eine bis zu 22-fache Steigerung der Merkfähigkeit beobachtet, sofern Informationen in „narrativen Paketen“ kommuniziert statt einfach nur pur und sachlich präsentiert wurden. Insofern liegt es nahe, die Mechanismen guter Geschichten auch im Kontext von Organisationen und Unternehmen unter die Lupe zu nehmen. Der Autor und Literaturwissenschaftler Martin Beyer hat sich mit seinem „Story Thinking“-Ansatz darauf spezialisiert: Emotionen wecken, Identität stiften und Vertrauen schaffen sind wesentliche Zielsetzungen nach innen und außen. Er nutzt dabei nicht nur die Erkenntnisse von Hirnforschern wie dem bereits zitierten Gerald Hüther, sondern auch konkrete Fallbeispiele aus namhaften Unternehmen.

Die Anwendungsbereiche für einen erzählerischen Ansatz gehen über die klassischen Aufgaben der Marketing-Kommunikation wie Markenentwicklung und Employer-Branding weit hinaus. Zahlreiche Organisationen werden derzeit getrieben von der digitalen Transformation und den Auswirkungen des demografischen Wandels. Damit einher gehen gravierende strukturelle Änderungen – oftmals ergebnisoffen und zeitlich kaum kalkulierbar. Wenn Mitarbeitende und Führungskräfte nicht unterwegs verloren gehen sollen, braucht es einen gemeinsamen Halt. Eine gemeinsame Geschichte hilft, in turbulenten Zeiten auf Kurs zu bleiben.

Wer was zu erzählen hat, gewinnt Freunde. Wer es aber übertreibt, verspielt Vertrauen

Angesichts des weiter zunehmenden Überflusses an Informationen, die im beruflichen und privaten Alltag bewältigt werden müssen, steht des Schlagwort der Vereinfachung hoch im Kurs. Allerdings reicht es nicht aus, komplexe Zusammenhänge wie neue technische oder organisatorische Prozesse schlicht in leicht konsumierbare Häppchen aufzudröseln. Stattdessen geht es darum, diese in einen Kontext zu setzen, der für die Beteiligten Sinn macht und diese motiviert, sich auch mit schwierigen und neuartigen Themen längerfristig zu beschäftigen. Geschichten und Mythen sorgen – über formale Gegebenheiten hinaus – für ein Zugehörigkeitsgefühl, das gewissermaßen durch unsichere Zeiten tragen kann. Warum ist beispielsweise eine bestimmte Veränderung bedeutend für die Entwicklung des Unternehmens und was haben die Mitarbeitenden konkret davon? Wird von der Führungsebene eine schlüssige Geschichte dazu entwickelt, lassen sich viele Hürden von Anfang an überwinden. Narrative geben den Beteiligten die Möglichkeit, sich mit einer zugewiesenen Rolle zu identifizieren und diese auszugestalten. Besonders vorteilhaft ist zudem der Effekt des Weitererzählens. Fakten und Informationen können damit selbstorganisiert verbreitet werden und gelangen wesentlich anschaulicher unter die Leute.

Auch beim Recruiting sind häufig die im Vorteil, die sich nicht nur auf sachliche Qualitäten verlassen, so Experte Martin Beyer in seinem aktuellen Buch Story Thinking. „Im Vorstellungsgespräch stechen diejenigen Kandidaten heraus, die es bei gleicher Eignung besser verstehen, gut von sich zu erzählen und damit ein eindrücklicheres Bild ihrer Persönlichkeit zu hinterlassen – das in Erinnerung geblieben ist, wenn die Personaler am Ende des Tages rekapitulieren, wen sie da vor sich hatten.“ Dass dies auch umgekehrt gilt, ist in Zeiten des Fachkräftemangels fast noch entscheidender. Wenn Personaler mit einer schlüssigen Story zum Unternehmen und der Perspektive für die Bewerber aufwarten können, zieht das mehr, als eine standardisierte Jobbeschreibung. Wer was zu erzählen hat, gewinnt Freunde und Unterstützer – wie im richtigen Leben. Wer es damit allerdings übertreibt und fabuliert, hat schnell Vertrauen verspielt. (Frank Beck)

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