Beruf & Karriere

Das segelflugmeteorologische Praktikum ist eines der Highlights des Bachelorstudiengangs. (Foto: dpa/Karl Josef Hildenbrand)

07.04.2023

Hightech statt Bauernregeln

100 Jahre Meteorologisches Institut in München: Wetterfachleute sind durch Klimawandel und erneuerbare Energien gefragter denn je

Seit 1923 wird die Wetterbeobachtung wissenschaftlich vorangetrieben. Bereits in den 1960er-Jahren wurde auch der Klimawandel ein wichtiges Thema. Heute fliegen Studierende für Messungen selbst in Forschungsflugzeugen – und haben nach ihrem Abschluss nicht nur bei Wetterdiensten, sondern zum Beispiel auch bei Erzeugern von erneuerbaren Energien beste Jobaussichten.

„Wenn‘s zu Lichtmess stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit“: Wettervorhersagen sind für Menschen schon seit vielen Jahrhunderten wichtig – früher vor allem für die Landwirtschaft. Dahinter steckte für damalige Verhältnisse jede Menge Physik. „Bauernregeln waren damals durchaus ernst zu nehmende Ansätze, das Wetter zu beobachten und vorherzusagen“, sagt der Lehrstuhlinhaber für experimentelle Meteorologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), Bernhard Mayer. Allerdings lag die Trefferquote bei gerade einmal 60 bis 70 Prozent.

Vorhersagen werden alle zehn Jahre einen Tag besser

Um die Genauigkeit der Vorhersagen zu verbessern, wurde im April vor 100 Jahren das Meteorologische Institut gegründet, an dem Mayer heute mit seinen Kollegen George Craig, Markus Rapp, Thomas Birner und Mark Wenig tätig ist. Gerade um diese Zeit wandelte sich die Meteorologie von einer beobachtenden in eine quantitative messende Wissenschaft. Nach und nach stellten die Forscher dieser Zeit fest, dass sich das Wetter auch berechnen lässt. Ohne Computer war das damals allerdings noch eine große Herausforderung.

Bereits rund 30 Jahre später gewann neben der Wetterforschung das Thema Strahlung und Klima an Bedeutung. Die LMU war auf diesem Gebiet weltweit Vorreiter. Schon 1960 sprach der damalige Ordinarius Fritz Möller in seinen Vorlesungen über den erhöhten Treibhauseffekt der Atmosphäre durch die steigende Konzentration von Kohlendioxid in der Luft.

Fritz Möller entwickelte zusammen mit seinem Kollegen Syukuro Manabe vom US Weather Bureau eines der ersten Strahlungskonvektionsmodelle, das wegbereitend für Manabes Nobelpreis für Physik 2021 war. Denn diese Modelle erlaubten zum ersten Mal, eine mögliche Erderwärmung quantitativ zu prognostizieren. „Wirklich ernst genommen wurde der Klimawandel erst Ende der 1980er-Jahre“, sagt Mayer.

Dank der Forschung am Meteorologischen Institut in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst, also dem Hans-Ertel-Zentrum für Wetterforschung, wird auch die Wettervorhersage immer präziser. „Durch neue Beobachtungsmethoden und Modelle wird die Vorhersage alle zehn Jahre im Schnitt um einen Tag verbessert“, betont Mayer. Die Fünf-Tages-Vorhersage ist mittlerweile so gut wie die Prognose von 1980 für den nächsten Tag. Die Grenze der Vorhersagbarkeit liegt derzeit bei zehn Tagen.

Um in Zukunft noch besser zu verstehen, wie Wolken entstehen, sich auflösen und auf menschengemachte Partikel wie Feinstaub und noch kleinere Aerosole reagieren, steht auf dem Institutsgebäude eine Messstation, die mit Fördermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der Europäischen Initiative für Aerosol, Wolken und Spurengase (ACTRIS) zu einer der größten Beobachtungsstationen für Wolken und Aerosol in Europa ausgebaut wird. Zusätzlich beteiligt sich das Meteorologische Institut München mit großem Aufwand an internationalen Flugzeugmesskampagnen. Nicht nur bei den Kolleg*innen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen, sondern auch in den Tropen von Barbados oder am Nordpol. Durch gezielte Messungen von Wolken, Partikeln und Strahlung soll die Rolle von Wolken bei der zukünftigen Entwicklung des Klimas geklärt werden.

Damit Meteorologiestudierende nach dem Studium ebenfalls solche Messungen durchführen können, lernen sie bei einem Praktikum im bayerischen Coburg, Messungen mit einem Flugzeug durchzuführen – es ist eines der Highlights des Bachelorstudiengangs. Masterstudierende können dann sogar an den Flugmesskampagnen im Ausland teilnehmen. Und dabei neue berufliche Kontakte knüpfen. Das gilt ebenfalls für die Stammtische der Fachschaft, an denen auch die Professoren teilnehmen.

An Berufsperspektiven mangelt es angehenden Meteorologinnen und Meteorologen nicht. Zwar bleibt rund die Hälfte der Wetter- und Klimaforschung verbunden, beispielsweise bei Wetterdiensten oder Umweltbehörden. Aber auch Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien oder der Versicherungswirtschaft haben großes Interesse an deren Expertise. Da an der LMU die Meteorologie zur Fakultät Physik gehört, winken nach der Ausbildung ebenso Jobs in der Datenverarbeitung, der Softwareentwicklung oder als Lehrkraft in Schulen.

„Mit einem Meteorologiestudium macht man nichts falsch“, wirbt Mayer. Wer heute studiere, könne sicher noch sein ganzes Leben lang daran arbeiten, Wettervorhersagen weiter zu verbessern. Und gerade in Zeiten der Klimakrise ließe sich durch die Arbeit vieles zum Positiven bewegen.

Wem das nicht reicht, bleibt eine weitere Frage, fügt der Meteorologe lachend hinzu, „die auch nach 100 Jahren Forschung noch immer nicht wissenschaftlich geklärt ist: Verursacht das Wetterphänomen Föhn, über das Menschen in München regelmäßig schimpfen, tatsächlich Kopfschmerzen – oder ist alles nur Einbildung?“ (David Lohmann)

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