Beruf & Karriere

27.04.2018

"Mensch und Maschine müssen zusammenarbeiten"

Big-Data-Spezialist Marek Cynowski über den Einsatz Künstlicher Intelligenz in Unternehmen, Bürokratieabbau durch Roboter und Karriereaussichten von Data Scientists

Weltweit gibt es laut Schätzungen nur 22 000 Menschen, die sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) auskennen. Doch Unternehmen, die einen Experten gefunden haben, verdienen mehr und haben zufriedenere Kunden, sagt DACH-Geschäftsführer Marek Cynowski von SentiOne in München. Die Firma beschäftigt sich seit 2011 mit Big-Data-Analyse und der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. BSZ: Herr Cynowski, immer mehr Unternehmen setzen auf Künstliche Intelligenz, kurz KI. Warum?
Marek Cynowski: Die Gründe sind mannigfaltig. Umfragen zeigen, dass Unternehmen, die bereits mit KI arbeiten, eine deutliche Absatzsteigerung und eine Verbesserung interner Prozesse vorweisen konnten. Im Bereich der Kundenzufriedenheit konnte eine zehnprozentige Steigerung erreicht werden. Laut einer Studie könnten weltweit Unternehmensumsätze durch den Einsatz von KI um durchschnittlich 38 Prozent steigen. Und es könnte ein Anstieg der Anzahl der Arbeitnehmer um zehn Prozent erfolgen. Dies geschieht aber nur, wenn es Firmen schaffen, ihre Mitarbeiter in Sachen KI zu schulen und eine Zusammenarbeit von Mensch und Maschine zu fördern.

BSZ: Welche Einsatzmöglichkeiten bietet KI?
Cynowski: Künstliche Intelligenz ist in den verschiedensten Bereichen einsetzbar. Man unterscheidet in der Regel zwischen harter und weicher KI. Letztere kennen wir von Sprachassistenten, Navigationssystemen oder automatischen Übersetzungsprogrammen. Künstliche Intelligenz wird teilweise heute schon in der Medizin verwendet. So kann KI dazu beitragen, Diagnosen und Behandlungsprozesse deutlich zu beschleunigen. Auch hier zeigen Studien, dass es im Jahr 2020 möglich sein wird, eine Diagnose, einen Arzttermin und einen persönlichen Behandlungsplan innerhalb von einem Tag zu bekommen.

BSZ: Viele Menschen haben Angst vor KI. Zalando hat kürzlich angekündigt, bis zu 100 Mitarbeiter durch eine Software zu ersetzen. Ist die Sorge also berechtigt?

Cynowski: Die meisten Menschen haben, wenn von KI die Sprache ist, ein Horrorszenario vor Augen, was durch viele Filme wie Terminator oder Matrix geprägt ist. Die Vorstellung, dass Maschinen eines Tages den Menschen ersetzen, ist aber völlig überzogen. Es darf nicht heißen Mensch versus Maschine, sondern es muss überlegt werden, wie die Menschen effektiv mit den Maschinen zusammenarbeiten können.

BSZ: Für KI werden viele Daten benötigt, gleichzeitig müssen diese nicht zuletzt durch die EU-Datenschutz-Grundverordnung immer besser geschützt werden. Ein Widerspruch?
Cynowski: KI kann nur gut sein, wenn diese mit ausreichend Daten gefüttert wird. Aber ja, selbstverständlich hat die EU-Datenschutz-Grundverordnung Auswirkungen auf den Einsatz von KI. Der Artikel 22 regelt, dass jeder das Recht hat, von automatisierten Entscheidungen ausgenommen zu werden. Also ist es nicht zulässig, dass ein Algorithmus alleine bestimmt, ob jemand einen Kredit erhält oder nicht. Eine Bank muss somit stets erklären können, warum es zu einer Ablehnung gekommen ist.

BSZ: Für welche Unternehmen bietet sich KI besonders an?
Cynowski: So pauschal kann man das nicht sagen. Stand heute profitieren von KI vor allem Unternehmen, die viel mit ihren bestehenden oder potenziellen Kunden kommunizieren. Im Bereich des Kundenservice ist KI heute schon weit verbreitet. Dadurch, dass Antworten standardisiert sind, können Fragen schneller bearbeitet werden. Das spart Kosten für die Unternehmen und der Kunde muss seine Zeit nicht ewig in einer nervigen Telefonwarteschleife vergeuden. Also eine Win-Win-Situation für beide Parteien.

"80 Prozent der Chefs glauben an einen Mehrwert durch Künstliche Intelligenz"

BSZ: Könnten auch Behörden von KI profitieren?
Cynowski: Selbstverständlich! Gerade Behörden können enorm profitieren. Das Schlagwort lautet in diesem Zusammenhang: Bürokratieabbau. So können Routineaufgaben zukünftig Maschinen übernehmen und Verwaltungsabläufe für den Bürger somit beschleunigt werden.

BSZ: Wie helfen Sie Unternehmen, KI zu implementieren?
Cynowski: Mit unseren KI-Workshops schaffen wir zunächst einmal ein Bewusstsein für das Thema und versorgen Verantwortliche in Unternehmen mit dem entsprechenden Fachwissen als Grundlage für zukünftige Entscheidungen. Da man KI nicht einfach „liefern“ kann, demonstrieren wir in einem nächsten Schritt eine Durchführungsstudie, einen sogenannten „Proof of Concept“. Hier analysieren wir, basierend auf den Daten, die uns von Unternehmen zum Training des Systems bereitgestellt werden, welchen Mehrwert eine Automatisierung von Kommunikationsprozessen generiert werden kann. Zusammen mit den Unternehmen wägen wir dann ab, welche Technologie am besten die aktuellen Abläufe optimiert.

BSZ: Welche Erwartungen haben Sie an die Politik im Bereich KI?
Cynowski: Leider hat es die Bundesregierung verpasst, ein eigenständiges Digitalministerium zu schaffen. Aus diesem Grund ist es um so wichtiger, dass es in der Politik Entscheider gibt, die die Kraft und das Potenzial von KI und Big Data besser verstehen. Deutschland braucht in Sachen KI und Digitalisierung einen Investitionsschub, vor allem in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Bildung. Die Politik muss es schaffen, deutlich mehr Mittel für die Förderung von KI-Forschungsprojekten zur Verfügung zu stellen. Weiter müssen Unternehmen gefördert werden, die sich mit der Umsetzung von KI-Geschäftsmodellen beschäftigen.

BSZ: Welchen Berufsweg empfehlen Sie jungen Menschen, die sich für KI interessieren?
Cynowski: Der Beruf des Data Scientist wird in naher Zukunft sehr gefragt sein. In Deutschland gibt es bereits einige Hochschulen, die einen solchen Studiengang anbieten. Egal, ob Ausbildung oder Studium, junge Menschen, die später einmal etwas mit KI machen wollen, sollten darauf achten, dass die Themen KI, Machine Learning und Deep Learning auf dem Lehrplan erscheinen.

BSZ: Welche Karrieremöglichkeiten bieten sich aktuell für KI-Experten an?
Cynowski: Besonders in der IT-Branche ist der Bedarf an KI-Experten riesig und wird weiter steigen. Schwerpunkt ist hier vor allem die Entwicklung und der Einsatz von KI. Immerhin versprechen sich mehr als 80 Prozent der Entscheidungsträger in der privaten Wirtschaft einen Mehrwert durch KI.

BSZ: Könnte dieses Interview in zwei Jahren ein KI-gefütterter Roboter führen?
Cynowski: So abwegig ist die Vorstellung nicht. Roboterjournalisten gibt es durchaus schon. Die Nachrichtenagentur Associated Press arbeitet bereits seit längerem damit. Mit Hilfe von Algorithmen werden automatisch Meldungen über das Wetter, den Sport und die Gesellschaft erstellt. Doch ich kann alle Journalisten beruhigen, in naher Zukunft ist kein Ende des Berufs in Sicht. Denn es gibt noch keine KI, die fehlerfrei arbeitet. Also schlage ich vor, wir sprechen uns in zwei Jahren wieder.
(Interview: David Lohmann)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist die geplante neue Kindergrundsicherung sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.