Handwerker sollen in der Pause gerne mal ein Bierchen trinken, Menschen in der Politik gelten als korrupt und die Suche nach einem Angestellten im Baumarkt erweist sich oft als eine unendliche Reise. Solchen Vorurteilen müssen sich viele Berufsgruppen im Alltag immer wieder stellen und bei manch einem Arbeitnehmer sorgt der dabei entstehende Druck sogar dafür, dass er den geliebten Beruf an den Nagel hängt. Niemand kann sich komplett vor Vorurteilen verschließen – egal ob bewusst oder unbewusst. Manche Verallgemeinerungen verweilen trotz stetiger Widerlegung im gesellschaftlichen Gedächtnis. Kaum einen Berufszweig trifft es jedoch so hart wie den Vertrieb. „Verallgemeinernde Aussagen und Vorurteile erweisen sich in diesem Zusammenhang selbstverständlich nur als Klischee. Gerade der Verkauf stellt einen der wichtigsten Wirtschaftszweige in der modernen Gesellschaft dar“, erklärt Dirk Kreuter, Investor, Unternehmer und Vertriebstrainer. Weshalb sind die Deutschen also so voreingenommen gegenüber dieser Branche und wie lassen sich diese weitverbreiteten Unwahrheiten aus der Welt schaffen?
Für viele Berufe wurden Kunstbegriffe geschaffen
Warum gelten Vertriebler*innen beispielsweise oft als eher unseriöse Mitarbeitende, die ihre angeblich niedrigen Gehälter nur durch unlautere Mittel aufbessern können? „Egal ob im Arbeitsumfeld, beim Einkaufen in der Innenstadt oder am Telefon – die meisten Menschen unterscheiden hier unberechtigterweise zwischen scheinbar ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Verkäufern. Diese Dichotomie ist jedoch grundlegend falsch“, weiß Kreuter. „Dabei lässt sich eine Sache von vornherein festhalten: Zum Verkaufen gehört neben dem klassischen Service selbstverständlich auch eine Prise Beratung sowie die Suche nach der passenden Motivation für den Kunden, um schlussendlich den Abschluss zu tätigen“, erläutert der Experte. „Es macht keinen Unterschied, ob es sich um eine hochmoderne Waschmaschine von einem bekannten Hersteller oder um ein Paar No-Name-Socken im Bekleidungsgeschäft handelt.“ Gute Verkäufer*innen wollen nur das Beste für ihr Gegenüber. Dabei geht es nicht um das einzelne Geschäft, sondern um den wiederholten Einkauf. Nur durch eine entsprechende Analyse der Kundschaft und des Bedarfs haben Fachleute hier die Möglichkeit, das perfekte Produkt beziehungsweise die Lösung für das bestehende Problem zu finden.
Gerade in den USA ist der Beruf des Handelsvertreters oft mit einem besseren gesellschaftlichen Stand verbunden als in Deutschland. Ursachen dafür lassen sich vor allem in der Vergangenheit sowie den kaum vergleichbaren geografischen Gegebenheiten finden. Jenseits des Atlantiks sorgten vor allem längere Wege zwischen den einzelnen Städten früher dafür, dass sich der von Tür zu Tür ziehende Handelsvertreter im Alltag der Bürger*innen als sehr hilfreich erwies. „Noch immer gehört daher der Verkäufer zu einem der beliebtesten Berufsbilder in den Vereinigten Staaten“, verdeutlicht der Experte. In Europa konnte währenddessen in der Regel jedes kleinere Dorf einen Marktplatz vorweisen, wo die Kundschaft direkt ihre gewünschte Ware erwerben konnten. Hier bildeten reisende Händler daher eher die Ausnahme und erschienen den Europäern damit eher als suspekt. Dieser teils negative Ruf hält selbst heute noch an, dabei haben sich die Zeiten längst geändert. Häufig kommt es auch zu einer regelrechten Vererbung der Vorurteile zwischen einzelnen Bezugspersonen.
Dieser unverdient schlechte Ruf des Vertriebs scheint überraschenderweise gerade junge Bewerbende nicht von den beruflichen Chancen einer Ausbildung in der Branche abzuschrecken. 2022 lag die Ausbildung auf Platz drei der beliebtesten Ausbildungsberufe und seit 2021 steigt die Zahl der Neuabschlüsse in dieser Branche immer weiter. Solche Ergebnisse zeigen zwar, dass langsam ein Umdenken in Deutschland stattfindet, aber immer noch treffen Angestellte in diesem Metier auf Widerstände. „Diesen Trend müssen auch endlich die hiesigen Unternehmen erkennen, die sich bisher noch kaum trauen, die klassische Berufsbezeichnung Verkäufer oder Vertriebler in ihren Stellenausschreibungen zu verwenden. Stattdessen suchen sie in Annoncen fast schon peinlich berührt nach Field Sales Managern oder Sales Consultants. Kunstbegriffe wie diese spiegeln die veralteten Vorurteile auch in der heutigen Zeit weiter wider“, stellt Kreuter klar. Die Zeit der Scham ist jedoch vorbei: Ohne Verkäufer kann die Kundschaft keine Produkte erwerben und der tägliche Handel wandert immer mehr in das unpersönliche Internet. „Ob die Brötchen beim Bäcker oder eine neue Anlage für eine riesige Fabrik – ohne den persönlichen Verkaufsprozess steht das ganze Wirtschaftssystem vor dem Zerfall“, weiß der Experte. „Daher“, so Kreuter, „braucht es endlich einen dringend nötigen Mentalitätswechsel und ein Loslassen von ungerechtfertigten Vorurteilen.“ (BSZ)
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