Beruf & Karriere

Unternehmen wie Google machen’s vor: Mitarbeiter sollen im Büro häufiger spielen, raten Experten. (Foto: dpa)

08.12.2017

Wenn der Chef Lego spielt

Berufliche Weiterbildung steht hoch im Kurs – Experten setzen dabei immer häufiger auf „Serious Gaming“

Die Berufsbildung 4.0 ist in aller Munde. Meist ist damit der Einsatz digitaler Medien gemeint. Vergessen wird dabei, dass bei der Weiterbildung auch spielerische Elemente hohe Lernerfolge erzielen können, sogenannte Serious Games. Also, warum nicht eine Runde „Reise nach Jerusalem“ im Meeting-Raum?
 Dass „dem Spielen“ in der Entwicklung von Kindern eine entscheidende Bedeutung zukommt und dies zur Ausprägung sozialer Kompetenzen maßgeblich beiträgt, steht wohl kaum zur Diskussion. Bei Erwachsenen sieht man sich dagegen mit zahlreichen Vorbehalten konfrontiert, sobald fachliche Inhalte über spielerische Ansätze vermittelt oder die Lösung komplexer beruflicher Aufgaben anhand von Spielsituationen gefördert werden sollen. Dabei steht längst fest, dass sogenannte Serious Games deutlich mehr bewirken können, als auf hohem Niveau zu unterhalten. So gab eine von Alexandra und Wolfgang Lenhard in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut durchgeführte pädagogische Studie bereits vor mehreren Jahren deutliche Hinweise auf eine Steigerung des logischen Denkvermögens bei Förderschülern, die unterstützend mit speziell konzipierten Computerspielen unterrichtet wurden. Bereits nach sechs Wochen nahm der getestete IQ-Wert bei den Probanden um rund zehn Prozent zu – bei einer Vergleichsgruppe mit konventionellem Frontalunterricht blieb er dagegen konstant.

Einschlägige Versuche haben meist eines gemeinsam: Fast immer lässt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen Spielspaß und Lernerfolg beobachten. Besonders die Umsetzung gelernter Inhalte in die Praxis scheint anhand eines spielerischen Zugangs oft besser zu gelingen und langfristig haltbarer zu sein. Und gerade hier hapert es an der Wirkung konventioneller Seminare, wie sie im berufsbildenden Bereich gängig sind. In den meisten Fällen bleibt von der spontanen Begeisterung beim oder nach dem Besuch einer Weiterbildung im Alltag wenig übrig, das Gelernte verschwindet schnell in der berüchtigten Schublade.

Spielend gegen das bekannte „Mittagsloch“

Vom kurzen Online-Trainingshäppchen bis zum komplexen Planspiel – je nach Zielsetzung, Rahmenbedingungen und Budgets können Fach- und Führungskräfte auf ein breites Angebot zurückgreifen, um das, was neudeutsch Gaming genannt wird, in der Weiterbildung einzusetzen. Es eignet sich für die situative Vermittlung aktuell benötigter Wissensbausteine ebenso wie für die Unterstützung von Verhaltensänderungen und die Entwicklung spezieller Kompetenzen. Gremien wie der Arbeitskreis Learning Solutions des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien, kurz Bitkom, beschäftigen sich seit Längerem mit Möglichkeiten und Umsetzung neuer Lernformen im Berufsumfeld. In einem entsprechenden Positionspapier des Verbands werden die Vorteile wie folgt dargestellt: „Gegenüber traditionellen Lernformaten ermöglichen Serious Games komplexere Lernprozesse, indem sie in erster Linie auf die Reflexion des eigenen Verhaltens und Handelns abzielen. Informationen werden nicht nur theoretisch konsumiert, sondern in der virtuellen Umgebung direkt umgesetzt und ausprobiert.“ Dies führt zu Erlebnissen und Erfahrungen, die den eigenen Kompetenzrahmen stärker prägen, als es auf Faktenwissen ausgerichtete Lernformate leisten können.

 Der Einsatz von Spielelementen funktioniert digital ebenso wie real und handfest. Wenn so mancher Ansatz auf das zurückgreift, was schon im Kinderzimmer für Begeisterung sorgt, muss das kein Schaden sein. Das beweist der Erfolg von Lego Serious Play. Mittlerweile bauen einige Unternehmen und Organisationen bei der Lösung von Problemen oder zur Förderung der Teamkommunikation auf die bewährten Steinchen, die begleitet durch zertifizierte Moderatoren innerhalb von Workshops für ganz unterschiedliche Szenarien zum Einsatz kommen. Meist geht es darum, anhand des Modellierens mit den Lego-Steinen neue Sichtweisen zu entwickeln und einen Perspektivwechsel zu fördern. Dies korrespondiert auch mit dem Zweck von Unternehmens-Planspielen, wie sie an etwa 98 Prozent aller Universitäten in den USA eingesetzt werden. Innerhalb von solchen, an realistischen Konstellationen orientierten Spielformen lässt sich besser erarbeiten, wie mit konkreten Herausforderungen der Praxis umzugehen ist, als mit dem Durcharbeiten von Fallbeispielen. Es ähnelt eher der Vorgehensweise, die mit Flugsimulationen bei der Ausbildung von Piloten praktiziert wird.

Das „Mittagsloch“ kennen alle, die schon einmal an einer tagesfüllenden Veranstaltung teilgenommen haben. Kurze spielerische Konzentrationsübungen können sehr gut dazu beitragen, dies zu beheben. Wer bei längeren Workshops Spielelemente einbettet, kann die Ergebnisse hinsichtlich der Wahrnehmung und Reflexion der Teilnehmer deutlich verbessern. Im Zusammenhang mit Veränderungen und Aufgaben des Change-Managements ist das besonders wirkungsvoll – sofern Methoden sinnvoll ausgewählt und mit professionellem Sachverstand eingesetzt werden. Denn bei allem Mut zum Experimentieren sollte man die gebotene Vorsicht walten lassen: Es wird eher nach hinten losgehen, wenn im bierernsten Meeting plötzlich die Reise nach Jerusalem ins Spiel kommt. (Frank Beck)

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