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Betroffene sollten Behörden bitten, zu prüfen, ob die Höhe der Soforthilfe korrekt war – sonst gerät man ins Visier der Ermittler*innen. (Foto: dpa/weihrauch)

11.12.2020

"Ziemliches Chaos statt Rechtssicherheit"

Steuerrechtler Alexander Littich über Corona-Soforthilfen, warum die Staatsanwaltschaften reihenweise ermitteln und die Konsequenzen für Betriebe und Selbstständige

Zu Beginn der Corona-Pandemie haben mehr als zwei Millionen Betriebe die Corona-Soforthilfe beantragt – jetzt ermitteln die Staatsanwaltschaften. Warum Unternehmen und Selbstständige dringend prüfen sollten, ob sie Geld zurückzahlen müssen, erklärt der Landshuter Ecovis-Fachanwalt für Steuerrecht und Strafrecht, Alexander Littich.

BSZ: Herr Littich, für viele Betriebe war die Soforthilfe überlebenswichtig. Die Anträge ließen sich schnell und unbürokratisch stellen. Wo gibt es jetzt Probleme?
Alexander Littich: Die Soforthilfe war dafür gedacht, einen Liquiditätsengpass zu vermeiden. Zum einen war diese Hilfe notwendig. Zum anderen waren die Regeln, wie der Liquiditätsengpass zu ermitteln ist, überhaupt nicht klar. Häufig gab es lediglich die Möglichkeit anzukreuzen „massiver Umsatzrück- und Honorarrückgang“ oder „Zahlungsausfälle/-verzögerungen“. Nachweise waren zu diesem Zeitpunkt meist nicht zu erbringen. Zudem gab es in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen, wofür das Geld genau ist. In einigen Ländern ließ sich sogar teilweise ein Unternehmerlohn berücksichtigen. Ein ziemliches Chaos also, das es auch jetzt noch schwer macht, rechtssicher zu handeln.

BSZ: Warum ermitteln jetzt die Staatsanwaltschaften?
Littich: Es gibt drei strafrechtlich relevante Zeitpunkte. Wie so oft stand im Kleingedruckten, wer die Subvention bekommen kann. Bereits bei der Antragstellung hätten die Unternehmer prüfen müssen, ob sie überhaupt antragsberechtigt sind. Und sie hätten eine Prognose erstellen müssen, wie sich ihre Liquidität in den kommenden Monaten verschlechtern wird. Das ist der erste Punkt, an dem die Ermittler jetzt einhaken.

BSZ: Und welche Sachverhalte ermitteln die Staatsanwaltschaften noch?
Littich: Nachdem der Bescheid eingegangen und Geld geflossen ist, hätten Unternehmer in den kommenden drei Monaten laufend Ertrag und Aufwand prüfen müssen. Also schauen müssen, ob sie tatsächlich einen Liquiditätsengpass haben. Bei vielen Betrieben und Selbstständigen war das tatsächlich der Fall. Andere konnten Ausfälle zum Beispiel durch Außer-Haus-Verkauf oder den schnellen Ausbau eines Online-Shops zumindest teilweise ausgleichen. Nach drei Monaten dann hätten sie überprüfen müssen, ob tatsächlich ein existenzgefährdender Liquiditätsengpass eingetreten ist oder ob sich die Situation auch ohne Soforthilfe hätte abwenden lassen. Beispielsweise durch den Verbrauch betrieblicher Rücklagen. Auch das wird in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt.

BSZ: Was bedeutet das jetzt für die Unternehmer?
Littich: Eigentlich hätten sie bei jedem dieser Schritte die bewilligende Stelle über den Stand im Unternehmen informieren müssen. Das haben natürlich die wenigsten getan, sondern sich darum gekümmert, dass der Betrieb weiterläuft. Wir empfehlen unseren Mandanten, dass sie jetzt – wenn nicht schon geschehen – am besten zusammen mit ihrem Steuerberater dokumentieren, wie viel Liquidität sie zum Zeitpunkt des Antrags hatten und wie sich diese entwickelte.

"Ist man erst einmal im Visier der Ermittler, kann man nicht mehr straffrei zurückzahlen"

BSZ: Ist die Corona-Soforthilfe noch einmal zu prüfen?
Littich: Betroffene sollten der bewilligenden Stelle schreiben, dass letztlich ihre Situation besser war, als befürchtet. Sie sollten darum bitten, den Bewilligungsbescheid zu prüfen, ob die Höhe der Soforthilfe korrekt war, oder es eine Überzahlung gibt. Dazu sind zunächst nur die für eine Überprüfung erforderlichen Angaben notwendig; die Bewilligungsbehörde kann jedoch weitere Unterlagen anfordern. Sie prüft den prognostizierten Liquiditätsengpass zum Zeitpunkt der Antragstellung und wie die Mittel verwendet wurden.

BSZ: Was, wenn jemand zum Beispiel Geld von einer Versicherung bekommen hat?
Littich: Das müssen Unternehmer ebenfalls angeben. Haben sie beispielsweise Geld aus einer Betriebsschließungsversicherung bekommen, ist das gegenzurechnen.

BSZ: Was raten Sie Unternehmen und Selbstständigen jetzt?
Littich: Wichtig ist jetzt, sich an die bewilligende Behörde zu wenden. Wer sich versteckt und hofft, dass schon nichts passiert, macht einen Fehler. Da sich die Soforthilfe einkommensteuerlich auswirkt, kommt das spätestens mit der Steuererklärung 2020 auf den Tisch. Und dann kann es zu spät sein.

BSZ: Wie ist das zu verstehen?
Littich: Wer die Soforthilfe zu Unrecht behält, macht sich strafbar. Ist ein Unternehmer oder Selbstständiger erst einmal im Visier der Ermittler, kann man nicht mehr straffrei zurückzahlen. Dann bleibt nur ein Weg: Schadensbegrenzung betreiben.

BSZ: Wann sollten Betroffene die Corona-Soforthilfe zurückzahlen?
Littich: Noch prüfen die Behörden, ob und in welcher Höhe einzelnen Betrieben Soforthilfe zusteht. Ich empfehle jetzt genau zu dokumentieren, wie sich das Geschäft entwickelt hat und wofür das Geld gebraucht wurde. Ist alles nicht so schlimm eingetreten, wie bei Antragstellung befürchtet, sollten sich Unternehmer mit diesen Nachweisen an ihre Bewilligungsstelle wenden. (Interview: Gudrun Bergdolt)

Kommentare (1)

  1. Bernd Rinser - RootsRock am 12.12.2020
    Ja, Rechtssicherheit ist schon dringend gefragt:
    Am Anfang der Krise waren die FAQs der Hilfen schlecht durchdacht und sind mehr oder weniger immer wieder abgeändert worden. Auch bei der jetzigen Novemberhilfe gehen die FAQs an der Realität vieler Kulturschaffender vorbei, was die rigorosen Prozent-Fallbeile - anstatt degressiver Absenkung - belegen.
    Die bayrische Soforthilfe zum Beispiel, welche erst Ende Mai 2020 online ging, wurde - anstatt auch rückwirkend für die Tage ab dem Lock-Down am 13. März 2020 - nur wahlweise für die drei Monate Mai, Juni, Juli oder August für einmalig drei Monate gewährt !! Persönlich habe ich für diesen Zeitraum (13.03 - 29.05.) einen Privatkredit in Höhe von Euro 3000.- aufgenommen, um überhaupt über die Runden zu kommen, da ich als selbst-aufführender Musikautor ab dem Lock-Down von einem Tag auf den nächsten keinerlei Einnahmen mehr aus dem Live-Geschäft hatte. Diese bayrische Soforthilfe habe ich natürlich sofort beantragt und auch bewilligt bekommen. Summa Summarum entsprechen diese Euro 3000.- exakt dem Betrag, den ich für die ersten drei Monate des Lock-Downs benötigt habe, um zumindest meine Lebenshaltungskosten zu decken.
    Soweit, so gut ... wenn auch nicht wirklich. Zum einen waren damit nicht die Betriebskosten gedeckt und bis November - also fünf Monate lang - gab es dann ja keine weitere Hilfe mehr, zum anderen erhielt ich Ende Juni 2020 meine Tantiemen für meine gespielten Konzerte im Geschäftsjahr 2019 ... Geld, das zum größten Teil für Investition in mein Unternehmen vorgesehen war.
    Aber nun könnte ja die bewilligende Behörde die sarkastische Frage stellen: Ja, wo ist denn da das Problem? Die Tantiemenausschüttung war doch zu erwarten. Die reicht für die Kreditrückzahlung und auch noch eine Zeitlang zum Überleben, bevor die Insolvenz angedacht werden muss ... und diese Situation steht bei vielen solo-selbstständigen Künstlern in absehbarer Zeit an, da es im nächsten Jahr wegen der ausgefallenen Konzerte in 2020 keine nennenswerten Tantiemen geben wird und zum jetzigen Zeitpunkt ein Ende des Lock-Downs für 2021 nicht in Sicht ist und folglich jede fundierte Planung für weitere berufliche Tätigkeiten unmöglich ist, die beim Überleben helfen könnten.
    Vielleicht gehöre ich ja demnächst auch zu den strafrechtlich verfolgten Künstlern, weil ich die Soforthilfe gemäß staatlicher Auslegung gar nicht erst hätte beantragen dürfen? Da helfen dann nur noch eine gute Rechtsschutzversicherung und ein noch besserer Anwalt, um diesen staatlichen Sarkasmus in die Schranken zu weisen. Stellt sich die Frage, was die tun, der beides nicht haben ... und denen letztendlich außer Hartz IV gar nichts mehr bleibt. Wäre es ihnen zu verdenken, wenn sich bei ihnen mehr oder minder leise Zweifel am System regten? Corona legt den Finger in alle Wunden, die schon lange schwären. Bleibt zu hoffen, dass die Politiker aller demokratischer Parteien sensibel - oder zumindest klug - genug sind, das endlich zu erkennen.
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