Freizeit und Reise

In sechs Tagesetappen mit dem Rad um den Bodensee. (Foto: Friedrich H. Hettler)

12.09.2018

290 Kilometer auf dem Drahtesel

Mit dem Rad rund um den Bodensee: Ein Reisetagebuch

Der Bodensee ist eine große Wasserfläche, die wie ein Stück Himmel aussieht, in Erde gerahmt, um Gott als Spiegel zu dienen“, schreibt Alexandre Dumas Anfang des 19. Jahrhunderts.

Man weiß gar nicht, wohin man zuerst schauen soll – hier die Alpengipfel, die bei föhnigem Wetter optisch direkt am See zu stehen scheinen, dort ein weißer Dampfer und Segelschiffe auf dem kristallklaren Wasser. Am Himmel zieht lautlos ein Zeppelin vorbei, unzählige Obstplantagen, Gemüsefelder und Weinberge erstrecken sich über sanfte Hügel – ein Dorado für Radfahrer, Wanderfreunde und Wassersportler.
Der Bodensee hat eine Fläche von 572 Quadratkilometern. Mit fast 50 Milliarden Kubikmetern ist er Mitteleuropas größter Trinkwasserspeicher. Seine Uferlänge von 273 Kilometern teilen sich Deutschland, die Schweiz und Österreich.

Und diesen See mit seinen umgebenden Landschaften und Orten wollen wir auf einer Bodensee-Radtour kennenlernen und erkunden.

Von München kommend geht es mit dem Auto zunächst in Richtung Meersburg zur Fähre nach Konstanz, den Ausgangs- und Endpunkt unserer Bodenseeentdeckungsreise mit dem Drahtesel. Dort angekommen, checken wir als erstes im Hotel ein und fahren dann zu unserer Mietrad-Ausgabe, wo wir auch das Auto für die kommende Woche parken. Die 24-Gang-Räder erhalten wir bei Radweg-Reisen (www.radweg-reisen.com), wo wir auch „Die klassische Bodensee-Radtour“ gebucht haben. Diese beinhaltet unter anderem sieben Übernachtungen in verschiedenen Hotels, die auf der Route liegen, sowie den Gepäcktransport von Hotel zu Hotel.

Auf dem Hof von Radweg-Reisen testen wir unsere roten Velos und sind begeistert. Sie fahren sich hervorragend. Da noch genügend Zeit ist, beginnen wir unsere Bodensee-Radtour mal gleich in der größten Stadt am Bodensee. Vor 600 Jahren, zwischen 1414 und 1418, war Konstanz Schauplatz eines Kichenkonzils und der einzigen Papstwahl nördlich der Alpen. Hier fließt der Rhein aus dem Bodensee und markiert Kilometer Null auf seinem langen Weg zur Nordsee. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Stadt völlig unbeschadet, wodurch das mittelalterliche Stadtbild erhalten blieb. Das heutige Wahrzeichen von Konstanz ist die an der Hafeneinfahrt thronende „Imperia“.

Die Figur stammt von dem Bildhauer Peter Lenk. Sie ist aus Beton gegossen, neun Meter hoch, 18 Tonnen schwer und dreht sich mit Hilfe eines Rundtisches innerhalb von vier Minuten einmal um die eigene Achse. In ihrem Sockel ist eine Pegelmessstation integriert, die von einem begehbaren Steg umgeben ist. Die Statue erinnert satirisch an das Konzil von Konstanz. Sie zeigt eine üppige Kurtisane, der ein tiefes Dekolleté und ein Umhang, der nur von einem Gürtel notdürftig geschlossen wird, eindeutige erotische Ausstrahlung verleihen.
Auf ihren erhobenen Händen trägt sie zwei zwergenhafte nackte Männlein. Der Mann in ihrer rechten Hand trägt auf seinem Haupt die Krone eines Königs und hält einen Reichsapfel in der Hand; die Figur in ihrer Linken trägt eine päpstliche Tiara und sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen. Es ist nicht eindeutig, ob die Figuren Porträts von den Machthabern zur Zeit des Konstanzer Konzils, Kaiser Sigismund und Papst Martin V., darstellen, oder ob sie allgemein als Personifikationen die weltliche und die geistliche Macht repräsentieren sollen. Der Künstler selbst sieht sie als nackte Gaukler, die sich die Insignien der Macht widerrechtlich aufgesetzt haben.

Sehenswert ist auch das Münster. Von der Plattform des 76 Meter hohen Turms eröffnet sich ein grandioser Blick auf Konstanz und die Umgebung – doch davor liegen noch 193 Stufen.

Die erste Etappe unserer Bodensee-Radtour führt uns aus Konstanz heraus, vorbei am Wollmatinger Ried auf die Gemüseinsel Reichenau, die im Jahr 2000 zum Weltkulturerbe der UNESCO erklärt wurde. Mit dem Schiff setzen wir dann über nach Gaienhofen und radeln entlang der Halbinsel Höri, wo Hermann Hesse von 1904 bis 1912 lebte, durch Hemmenhofen, Öhningen/Wangen über die Schweizer Grenze bis Stein am Rhein.
Das Städtchen hat einen der schönsten mittelalterlichen Altstadtkerne am Bodensee. Am Fuß der Burg Hohenklingen findet man herrlich restaurierte Fachwerkhäuser, unzählige Fassadenmalereien, idyllische Winkel und verträumte, kleine Gassen. Ein Ort, für den man sich schon etwas Zeit nehmen sollte.

In Stein am Rhein verlassen wir vorerst den Bodensee und radeln den Rhein entlang über Gailingen, Dissenhofen und Büsingen nach Schaffhausen. Untergebracht sind wir hier im Hotel Park Villa. Ein Haus, um 1900 erbaut, das uns in eine andere Zeit entführt. Die Anlage lässt einen fast denken, man wäre in England oder Schottland. Harry Potter lässt grüßen. Ein verwunschenes Kleinod, das entdeckt werden will.

Berühmt ist Schaffhausen durch den Rheinfall, den wir am dritten Tag unserer Tour in Augenschein nehmen. Am größten Wasserfall Europas stürzen auf einer Breite von 150 Metern und einer Höhe von 23 Metern jede Sekunde rund 600 000 Liter Wasser über die Felsen. Inmitten dieser Wassermassen steht der Rheinfallfelsen, den wir uns auf gar keinen Fall entgehen lassen. Eins der zahlreichen Boote bringt uns sowie zig andere Touristen zu dem Felsen.

Am Ostufer thront das Schloss Laufen, eine uralte Wehranlage mit spektakulärem Ausblick. Allerdings gestaltet sich der Besuch des Schlosses für uns Pedalritter doch sehr umständlich, da der einzig direkte Zugang anscheinend nur über die Eisenbahnbrücke mit schmalem Fußweg führt. Nach einem kleineren Irr-/Umweg nehmen wir diese Strecke auch wieder zurück.

Auf der Blumeninsel Mainau

Von Schaffhausen radeln wir dann wieder entlang des Rheins zurück zum Bodensee. Ab Stein am Rhein fahren wir am Südufer des Sees Richtung Konstanz. Einen Zwischenstopp legen wir auf der Insel Werd mit dem kleinen Kloster ein. Eine Holzbrücke führt von Eschenz auf die Insel, die schon 5000 v. Chr. von Pfahlbauern bewohnt wurde. In dem Klostergebäude wohnen auch heute noch einige Franziskanermönche. Nach über 60 Kilometern auf unseren Drahteseln erreichen wir wieder Konstanz.

An Tag Vier steht zunächst der Besuch der Insel Mainau auf dem Programm. Die Blumen- und Blütenpracht ist überwältigend. Aber auch den Kühle spendenden Schatten der mächtigen Baumriesen genießen wir an diesem heißen Sommertag. Nach ein paar Stunden – eigentlich viel zu wenig – auf der Blumeninsel geht es weiter nach Wallhausen und von dort mit der Fähre nach Überlingen. Vorbei an der Wallfahrtskirche Birnau radeln wir nach Uhldingen und besuchen dort die rekonstruierten Pfahlbauten.

Die Pfahlbauten Uhldingen sind eines der größten archäologischen Freilichtmuseen Europas. Hier wird die frühe Geschichte der Region lebendig: 23 rekonstruierte Häuser aus Stein- und Bronzezeit, Nachbildungen und Originalfunde der Ausgrabungen machen eine faszinierende versunkene Welt wieder sichtbar.

Der Rundgang beginnt im Archaeorama, einer toll gemachten virtuellen Unterwasserwelt. Die Multimediaschau erklärt mit modernsten technischen Mitteln die Arbeit der Taucharchäologen. In den Pfahlbauten selbst gibt es lebensechte Szenen, Figuren, Tiere und Modelle zu sehen. Wer sich etwas für Geschichte und Archäologie interessiert, für den ist der Besuch der Pfahlbauten ein unbedingtes Muss.

Auf unserem weiteren Weg kommen wir durch Meersburg. Die mittelalterliche Stadt liegt traumhaft an einem steilen Rebhang. Durch ausgedehnte Weinberge geht es weiter nach Hagnau und Immen-staad bis wir Friedrichshafen erreichen. Bekannt ist die zweitgrößte Stadt am Bodensee als Zentrum des Luftschiffbaus. Am Abend lohnt sich ein Spaziergang an der längsten Uferpromenade am Bodensee.

Am fünften Tag – das Ziel ist Lindau – radeln wir zunächst auf der Uferpromenade zum Aussichtsturm an der Hafenmole. Das ist ein 22 Meter hohes Stahlgerüst mit Aussichtsplattform, von der wir einen tollen Blick auf Friedrichshafen, den See und das gegenüberliegende Seeufer haben. Die heutige Etappe führt uns dann zunächst durch Langenargen. Hier steht das hübsche, im maurischen Stil erbaute Schloss Montfort direkt am Gestade des Bodensees. Etwas weiter östlich stoßen wir auf die Argen-Hängebrücke. Sie ist die älteste Kabelhängebrücke Deutschlands. Darüber hinaus war sie das Vorbild der berühmten Golden Gate Bridge in San Francisco.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Lindau, die südwestlichste Stadt Bayerns. Die Altstadt mit dem Seehafen liegt auf einer Insel. Das Wahrzeichen der Stadt sind der Neue Leuchtturm – der einzige Bayerns – und der sechs Meter hohe Löwe aus Kelheimer Marmor, der den Hafen bewacht. Sehenswert sind auch die Maximilianstraße mit ihren Bürger- und Fachwerkhäusern sowie das Alte Rathaus.

Rüber in die Schweiz

Quartier beziehen wir im Lindauer Hof, der direkt an der Promenade liegt und vor allem durch sein freundliches und zuvorkommendes Personal wie auch seine Küche einer Erwähnung bedarf.
Am Tag darauf geht es ins österreichische Bundesland Vorarlberg nach Bregenz. Dort bestaunen wir die imposante Seebühne mit dem Bühnenbild für die Oper Carmen. Bei Hard überqueren wir den Rhein, dessen Mündungsdelta ein wichtiges Naturschutzgebiet ist. Bei Gaißau überqueren wir die Grenze in die Schweiz und kommen nach Altenrhein. Hier befindet sich die Hundertwasser-Halle, das letzte Bauwerk des berühmten österreichischen Künstlers. Vergoldete Zwiebeltürme, leuchtende Farben, geschwungene Linien, ungleiche Fenster, unebene Böden und bunte Keramiksäulen sind unter anderem die Merkmale von Friedensreich Hundertwassers Architektur.

Über Rorschach führt uns der Weg zum heutigen Etappenziel Arbon. Bei einem Bummel durch die Stadt findet man viele historische Gebäude aus dem Mittelalter, wie zum Beispiel das Rathaus, den Römerhof sowie zahlreiche alte Bürgerhäuser.

Der letzte Tag auf der Bodensee-Radtour gehört dem Kanton Thurgau, der vor allem für seine leckeren Äpfel bekannt ist. Durch kleine Dörfer radeln wir am Seeufer über Romanshorn nach Kreuzlingen. Unterwegs nutzen wir die Gelegenheit, uns wieder einmal in den nicht allzu kühlen Fluten des Bodensees zu erfrischen. In Kreuzlingen schauen wir uns noch den Hafen und Schloss Seeburg an. Danach geht es über die Grenze wieder nach Konstanz.

Rund 290 Kilometer haben wir die letzten Tage auf unseren Drahteseln zurückgelegt und möchten dieses Erlebnis nicht missen. Der Bodensee-Radweg ist meist eben, weist aber zum Teil auch einige nicht unerhebliche Steigungen auf, die mit etwas Kondition, jedoch auch ohne E-Bikes, gut zu meistern sind. Die Strecken verlaufen oft abseits der großen Straßen, aber nicht immer, beziehungsweise manchmal ufernah, manchmal aber auch oberhalb des Sees. Leider ist die Beschilderung des Radwegs nicht immer optimal und zum Teil sogar irreführend.

Eine Radtour rund um den Bodensee ist für alle Pedalritter oder solche, die es werden möchten, guten Gewissens bestens zu empfehlen. Und wenn man so gutes Wetter hat wie wir, die reinste Freude.
(Friedrich H. Hettler)

(Die "Imperia" im Hafen von Konstanz. Der Rheinfall mit den Rheinfelsen und ein Gemüsefeld auf der Reichenau.Wegweiser-Wirrwarr und Segler auf dem Bodensee. Die Pfahlbauten Uhldingen und die Argen-Hängebrücke sowie das Bühnenbild von "Carmen auf der Bregenzer Seebühne - Fotos: Friedrich H. Hettler)


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