Unser Bayern

Ein Besuch im Hofbräuhaus inspirierte zu manch launiger Betrachtung – in Wort und Bild. Der Archivbestand ist auch in dieser Hinsicht eine wahre Fundgrube. (Foto: Staatsarchiv München)

26.02.2016

Dem Mythos auf der Spur

Archivquellen zu den staatlichen Brauereien legen Betriebswirtschaftliches frei und dokumentieren den Kult ums Hofbräuhaus

In München steht ein Hofbräuhaus – und ein Staatsarchiv. Beide Institutionen haben mehr miteinander gemeinsam, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Schließlich ist das Hofbräuhaus ein Staatsbetrieb, ebenso wie die Staatsbrauerei Weihenstephan. Damit sind beide Brauereien zusammen mit über 500 weiteren staatlichen Stellen in Oberbayern, von der Autobahndirektion Südbayern bis zum Wasserwirtschaftsamt Weilheim, verpflichtet, dem regional zuständigen Staatsarchiv München nicht mehr benötigte Geschäfts- und Verwaltungsunterlagen zur Archivierung anzubieten. Das können Akten sein oder Amtsbücher, Urkunden, Karten, Pläne, Fotos oder – in jüngster Zeit – auch digitale Unterlagen. So sieht es das Bayerische Archivgesetz vor, um eine Quellenbasis für historische Forschungen (und andere Benutzungszwecke) zu garantieren. Aber schon lange vor dieser gesetzlichen Regelung bestand darin eine Kernaufgabe der staatlichen Archive: Im Benehmen mit den staatlichen Stellen, für die sie zuständig sind, werden nicht mehr benötigte („archivreife“) Unterlagen ausgesondert mit dem Ziel, diese entweder zu vernichten oder – sofern sie als „archivwürdig“ bewertet worden sind – zu archivieren. Was unter Archivieren zu verstehen ist, definiert das erwähnte Archivgesetz als das Erfassen, Übernehmen, auf Dauer Verwahren und Sichern, Erhalten, Erschließen, Nutzbarmachen und Auswerten von Archivgut. Auf dem Weg der Archivierung wird aus äußerlich oft schnöden Verwaltungsunterlagen Kulturgut, das als authentischer Überrest vergangener Begebenheiten höchsten Quellenwert beanspruchen darf. Wie passend, dass auch das Bier inzwischen als Kulturgut bezeichnet wird. Wer also die Geschichte des Hofbräuhauses und der Staatsbrauerei Weihenstephan untersuchen möchte, kann auf die Bestände dieser beiden traditionsreichen Einrichtungen im Staatsarchiv München zurückgreifen. Der mit einem Umfang von fast 1000 Archivalien größere und auch ältere von beiden Beständen, und zwar hinsichtlich der Bestandslaufzeit wie auch hinsichtlich seiner Existenz im Staatsarchiv, ist der des Hofbräuhauses. Bereits 1890 hatte das für die Verwaltung der Brauerei zuständige Hofbräuamt dem damaligen Kreisarchiv München einige Unterlagen überlassen. In der rückschauenden Kenntnis dessen, was sich damals noch alles an Akten, Rechnungen und sonstigen Bänden in den Registraturen befunden hat, mutet die getroffene Auswahl beinahe wahllos an: Neben Akten über Immobilien und einigen Malz- und Getreiderechnungen trennte man sich von Schuld- und Kapitalienbüchern, die Auskunft über die finanzielle Lage der Brauerei Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts geben. Weiter ging es nach den tiefgreifenden Umstürzen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als 1951 das Hofbräuhaus die offenbar weitgehend vollständig überlieferte Altregistratur ab dem Jahr 1615 an das Archiv abgeben wollte. Kurz darauf zerschlug sich die Abgabe und es wurde wieder für einige Jahrzehnte still, ehe 1982 einige wenige Materialien aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ins Archiv kamen. Die Masse der wertvollen frühneuzeitlichen Überlieferung schien zwischenzeitlich verloren gegangen zu sein, bis eine routinemäßige Anfrage beim Hofbräuhaus 1996 die unerwartete Wende brachte: Bei einem Besuch in den neuen Brauereigebäuden in München-Riem konnten die verschollen geglaubten historischen Unterlagen geborgen werden. Nun kamen 661 Rechnungen ab dem Rechnungsjahr 1611/12 bis 1908/09 zutage, die zusammen mit den bereits 1890 übernommenen 140 Rechnungen des 19. Jahrhunderts einen weitgehend vollständigen Überblick über Einnahmen und Ausgaben der Brauerei bieten, einschließlich sozial- und wirtschaftsgeschichtlich so relevanter Angaben über Preise für Rohstoffe, Löhne und den Vertrieb der verschiedenen Biersorten: vom „Ainpöckischen“ (Bockbier) über Braunbier, „Weiß Waitzen“ bis hin zu Sommer- und Winterbier. Die Rechnungen als das Rückgrat der Überlieferung zerfallen dabei in die Serien verschiedener abrechnungspflichtiger Stellen, die teils parallel, teils in chronologischer Abfolge, für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich rechnungslegungspflichtig waren: Das Braunbier-Bräuwerk, das Weizen-Bräuwerk, das Braun-, Weißgersten- und ainpöckische Bräuwerk, die Malz- und Getreidemühle und schließlich das Hofbrauamt. Darum gruppieren sich Akten zu den verschiedenen Immobilien, unter denen das „Platzl“ die prominenteste, beileibe aber nicht die einzige ist. Wer wüsste heute etwa noch von der Malz- und Getreidemühle am Kosttor oder davon, dass das Hofbräuhaus noch im 19. Jahrhundert an der Unterhaltung der Stadtbäche beteiligt war? Das eigentliche Kerngeschäft der Brauerei im engeren Sinne, das Bierbrauen, ist nur in einem guten Dutzend Akten über die Beschaffung von Brauereibedarf, über den Einkauf und Verbrauch von Rohstoffen wie Hopfen und Malz und über den Bierausstoß zwischen 1948 und 1977 dokumentiert. Einzelne Angaben über den Sudprozess sowie über Gährung und Fassung sind dafür aber in einigen Beilagenbänden zu den Jahresrechnungen enthalten. Schwerpunktmäßig denselben Zeitraum decken auch gut 50 Akten über den Bierabsatz ab, wobei die Bandbreite vom Bierbezug auf Baustellen bis zur gehobenen Kundschaft in Westerland auf Sylt groß ist. Natürlich darf dabei auch der Bierausschank auf dem Oktoberfest nicht fehlen und auch die Bierlieferungen im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen in München 1972 sind archiviert.
Über das wirtschaftlich schon früh bedeutsame Auslandsgeschäft gibt eine teilweise nach Ländern gegliederte Aktenserie Aufschluss. Bei den Übersee-Exporten reicht die Überlieferung wenigstens bis zum Jahr 1930 zurück. Die teilweise klischeehafte Überhöhung des Hofbräuhauses zu einer Ur-Münchner Institution ist von diesem selbst auffallend früh zum Anlass genommen worden, eine Dokumentation künstlerischer und volkskundlicher Nachweise dieses Phänomens anzulegen. Auch wenn es sich dabei nur um eine gute Handvoll Archivalien handelt, vermittelt deren ebenso kleinteiliger wie vielgestaltiger Inhalt doch auf ganz anschauliche Art und Weise eine Vorstellung davon, wie das Hofbräuhaus zu einem Mythos werden konnte. Es ist ein Glücksfall, dass sich gerade für das Hofbräuhaus als dem Inbegriff bayerischer Bierkultur schlechthin auch über das Gebrauchsschrifttum hinaus Skizzen, Fotos, Gedichte und Liedtexte an einer zentralen Stelle erhalten haben. Bei der Staatsbrauerei Weihenstephan liegen die Verhältnisse etwas anders. Von dieser zweiten staatlichen Brauerei kamen historische Unterlagen in zwei Schüben 1980 und 1996 in das Staatsarchiv München, wo sie einen 265 Nummern umfassenden Bestand bilden... (Michael Unger)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Februar-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 8 vom 26. Februar 2016)

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