Freizeit und Reise

Ziel beim Waldbaden ist es, aus dem Denken raus zu kommen, die Natur mit den Sinnen wahrzunehmen, nach innen zu hören und an das eigene Unterbewusstsein ran zu kommen, sich selber kennenlernen. (Foto: Gabi Dräger)

08.10.2019

Genuss und Heilwirkung

Kräuter sammeln und Waldbaden im oberpfälzerischen Waldeck

Die Natur um Waldeck in der Oberpfalz ist unverfälscht und hat dadurch Kräuter in Hülle und Fülle. Geführte Kräuterwanderungen, der Essbare Wildpflanzenpark und Anleitungen zum Waldbaden bringen Aufklärung für Entspannung sowie Genuss in der Natur.

Der Start zur Kräuterwanderung ist am alten Friedhof in Waldeck. Regina Herrmann ist Kräuterführerin aus Erbendorf. „Jeder darf sammeln, alles ist frei zugänglich“, sagt sie, „aber keinen Kahlschlag beim Kräutersammeln verursachen.“ Regina ist ausgebildete Kräuterführerin. Durch ständige Fort- und Weiterbildungen vertiefte sie ihr Kräuterwissen. Seit 2012 führt sie Kräuterwanderungen für Erwachsene und Kinder, außerdem bietet sie Kräuterkochkurse an, hält Vorträge und betreibt einen kleinen Kräuterladen in Erbendorf.

Es geht los mit dem Kennenlernen der Kräuter. Die erste Pflanze am Weg ist das pflanzliche Aspirin, das Mädesüß. Von Brennnesseln ist fast jeder schon einmal gebrannt worden, sie ist eine der kraftvollen Pflanzen in der Natur. Mit Brennnessel auspeitschen fördert die Durchblutung und hilft bei Gicht und Rheuma; die Therapie hält in der Regel zwei Monate an. Das hat Sebastian Kneipp auch schon vorgeschlagen. Brennnesseln sind blutreinigend und entwässernd noch dazu. Sie schmecken auch gut im Salat, in Quiche, Kartoffelsuppe, Pesto und in Brennnesselbutter.

Hasselnüsse,
die Energiekugeln

Nach nur ein paar Schritten findet Regina immer wieder neue Kräuter. Der Giersch wurde schon von Hildegard von Bingen empfohlen. Am dreikantigen Stil kann man ihn gut erkennen. Er enthält viel Eiweiß, Vitamin C sowie A und schmeckt gut im Salat, als Gemüse und im Smoothie. Und schon bückt sich Regina für den Breit- und Spitzwegerich. Er hilft als Umschlag bei Sehnenscheidenentzündung, Husten, Asthma und vor allem bei Insektenstichen.

Haselnüsse sind echte Energiekugeln. Jeder weiß: Sie schmecken gut mit Schokolade oder als Schnaps und Likör. Wünschelruten sind meistens aus Haselnusszweigen, denn sie können die Energie am besten leiten. Die Eberesche wirkt abgekocht und hilft bei Grünem Star. Man sollte sie in großen Mengen nicht roh essen, da sie Magen- und Darmprobleme hervorrufen kann. Die Schlehe als Tee ist ein mildes Abführmittel. Die Gundelrebe schmeckt gut im Quark. Der Frauenmantel hilft bei Frauenproblemen, aber nur bei wildwachsenden Pflanzen, nicht wenn er im Garten wächst. Er schmeckt wie Gras und ist absolut kein Leckerbissen. Rotklee hat viel pflanzliches Eiweiß, ist eine Hormonpflanze. Er schmeckt gut in Kräuterbutter und Salat. Abgezupfte Blüten sind eine schöne essbare Dekoration auf dem Teller.

Die Schafgarbe ist eine Wunderpflanze: Ihre Blätter, die Augenbraue der Venus, wirken wie Schüßlersalze. Der wilde Thymian riecht wunderbar, ist gut in der Küche einsetzbar, ein natürliches Antibiotikum und pilztötend. Weißdorn schützt das Herz, indem er dafür sorgt, dass die Herzkranzgefäße besser durchblutet werden.
Nach soviel Informationen schwirrt einem der Kopf, aber es hat Spaß gemacht, so viel zu lernen. Nach der Kräuterwanderung wird in der Küche der Hollerhöfe ein grüner Smoothie mit Ingwer, Apfel, Dattel, Zitrone und gesammelten Kräutern gemixt, der wunderbar schmeckt.

Mit Andreas Büttner, dem Waldbaden-Führer, lernt man, wieder die Schönheit des Walds zu sehen. Eintauchen in den Wald, die saubere Luft einatmen und die Ruhe genießen. Der Wald ist sowieso ein Ort der Gesundheit. „Langsamkeit und Achtsamkeit und sich selbst fühlen, sind das Ziel“, erklärt Andreas. „Langsam schlendern und immer wieder stehen bleiben und schauen“, ergänzt er. Es bringt keine Entspannung, im Höllentempo durch den Wald zu rennen, man ist nur außer Atem und hat nichts gesehen und gefühlt. Ziel ist, aus dem Denken rauszukommen, die Natur mit den Sinnen wahrzunehmen, nach innen zu hören und an das eigene Unterbewusstsein ranzukommen, sich selber kennenlernen.

Dazu schlägt Andreas eine Übung vor: Sich einen Platz suchen und zehn Minuten verweilen, machen was man will, Augen schließen und das Rascheln des Winds und die Vögel hören.

Dann geht es weiter, aufwärts im verwunschenen Schulsteig. Der Weg ist schmal und verwurzelt sowie mit moosbedeckten Steinen begrenzt. Die Hand fährt über das Moos und der Blick geht zu den Bäumen, um zu erkunden, wie sie gewachsen sind. Die ätherischen Öle, die von den Pflanzen und Bäumen ausgestrahlt werden, tief einatmen.

Waldbaden ist gut für das Nerven-, Hormon- und Immunsystem. Das heißt, Stressabbau und die Antikrebszellen, die Killerzellen, werden erhöht. Der Blutdruck sinkt schon nach 20 Minuten und der Herzschlag wird ruhiger. Eine weitere Übung ist gähnen, denn gähnen sorgt für eine erhöhte Sauerstoffzunahme.

Andreas hat eine Ausbildung in der Akademie Gesundheitsleben in Oberursel im Taunus erhalten. Er hat in der Paracelsius-Schule auch einen Entspannungsführer gemacht. Die Japaner haben in den 1970er Jahren schon herausgefunden, wie wichtig der Aufenthalt im Wald ist. Von dort ging der Trend nach Europa. Annette Bernjus ist eine Vorreiterin des Waldbadens in Deutschland. Inzwischen wird der Wald von vielen als Ort der Gesundheit erkannt, um Stress in den Griff zu bekommen. Tief entspannt kommt man am Ende aus dem Wald.

Der Essbare Wildpflanzenpark in Waldeck – kurz: EWILPA – ist der erste dieser Art in Deutschland und eine tolle Möglichkeit, die Pflanzenwelt in ihrer ganzen Vielfalt kennenzulernen, denn hier kann die Natur machen, was sie will. Markus Strauß, Experte für Wildpflanzen, war bei der Planung und Gründung dabei. Der Erlebniswanderweg besteht aus insgesamt 13 „wilden“ Stationen und macht auf fast sechs Kilometern Appetit auf Wildkräuter.

Infotafeln geben Auskunft über die wichtigsten Wildpflanzen. Hier lernt man, wie man essbare Wildpflanzen in den täglichen Speiseplan aufnehmen und wie man mit Kräutern auch satt werden kann. Wenn man sich auf den Weg gemacht hat, ist man erstaunt, wie viel in der Natur essbar ist und wie viele Wildpflanzen es gibt, die auch noch eine Heilwirkung haben. Wildpflanzen sind eine ideale Grundlage für ein gesundes Leben. Besonders spannend ist, dass man mit den gesammelten Wildkräutern Tee, Sirup, Tinkturen, Marmeladen, Brot, Kuchen, Gerichte und Liköre herstellen kann.

In Waldeck wird es bunt, lecker und wild: Die „Waldecker Wilden Tage“ finden jedes Jahr im Juni statt und stehen ganz im Zeichen der Natur. Die Hollerhöfe und die Naturerlebnis Akademie organisieren das Event. Dabei kann man die Natur rund um Waldeck entdecken, Wissenswertes über die pflanzliche Ernährung lernen und gleichzeitig die Natur auf sich wirken lassen. Jeder kann an den Vorträgen, Seminaren und Meditationen teilnehmen. Zum Abschluss gibt es in den Hollerhöfen noch ein „Wildes Büffet“.

Der ideale Ausgangspunkt zum Kräuterwandern und Waldbaden ist das Hotel Hollerhöfe in Waldeck. Im Laufe der Zeit hat Elisabeth Zintl, die Besitzerin des Hotels, den Leerstand der kleinen Bauernhöfe im Dorf aufgekauft und in moderne Hotelzimmer mit Naturmaterialien verwandelt und dabei auch den Denkmalschutz berücksichtigt. Manche der Häuser sind noch aus dem 18. Jahrhundert.

Die neuen Hotelzimmer und Suiten sind nur ein paar Gehminuten vom zentralen Hotel entfernt. Das Thema der Hollerhöfe ist, wie der Name schon sagt, der Holler oder Holunder. 800 Holunderbüsche gehören zu den Hollerhöfen. Die kleinen weißen Blüten an den Strauben werden im Frühling für Hollersirup, Marmelade, Hollersecco, Holleressig und Ginholla, ein Gin-Holunderblütenlikör, per Hand geerntet. Ein Teil der Blüten wird getrocknet und später verarbeitet. Im Spätsommer werden die dunkelroten Beeren geerntet. Die sollte man aber nicht roh essen, denn sie können Durchfall verursachen. Gekocht sind die Hollerbeeren gut für den Kreislauf, die Haut und gegen Erkältung. Früher dienten die Blätter und Blüten des Holunders als Schutz vor Hexerei und bösem Zauber, heute wird mehr die Heilwirkung und der Genuss des Holunders geschätzt.
(Gabi Dräger)

(Die Natur um Waldeck ist unverfälscht. Daher findet man hier Kräuter in Hülle und Fülle - Foto: Gabi Dräger)

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