Freizeit und Reise

Mit dem E-Bike unterwegs in der Oststeiermark, dem Landstrich von Kürbis, Wein und Apfel. (Foto: Friedrich H. Hettler)

21.09.2021

Im Land von Apfel, Kürbis und Wein

Mit dem E-Bike unterwegs auf einem Teil der Weinland Steiermark Radtour

Radfahren und Radwandern boomen. Aus der Radreiseanalyse 2021 des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Cubs (ADFC) geht hervor, dass über die Hälfte der 3,5 Millionen Radreisenden 2020 erstmals im Sattel saßen. Und das auch dank E-Bikes, die ungeübteren Hobbyradlern ebenfalls längere Strecken, tägliche Radwanderetappen und anfallende Höhenmeter bequemer ermöglichen.

Wie sich tägliche Radkilometer und Kulinarik am schönsten verbinden lassen, können Urlauber auf einer Reise durch das steirische Weinland in der Süd- und Oststeiermark erleben. Die 405 Kilometer lange Weinland Steiermark Radtour führt Pedalritter auf acht landschaftlich reizvollen Etappen auf eine genussvolle Reise durch das steirische Weinland mit seiner kulinarischen und kulturellen Vielfalt.

Mit bequemer E-Unterstützung lassen sich auf dem Drahtesel alle beziehungsweise ausgewählte Etappen durch die Oststeiermark und das Thermen- & Vulkanland erradeln. Gleichzeitig lassen sich zur Erntezeit Traditionen rund um Apfel, Kürbis und Wein in Genussmanufakturen, Vinotheken und Buschenschanken erleben und entdecken.

Das Haus des Apfels
und die Apfelmänner

Zwei der acht Etappen stehen hier exemplarisch für die Weinland Steiermark Radtour. Etappe 5 führt Pedalritter, ausgehend von St. Ruprecht an der Raab, durch das größte Apfelanbaugebiet Österreichs und den Naturpark Pöllauer Tal. Endpunkt der Tour ist die historische Stadt Hartberg, die am Fuße der Weingärten an der Ost steirischen Römerweinstraße liegt.

Auf 25 Kilometern windet sich die Apfelstraße über die sanften Hügel der Oststeiermark zwischen Gleisdorf, Weiz und Hartberg und verbindet Apfelbauern, Wirte und Mostschenken. Immer wieder findet man zwischen den Apfelgärten Aussichtspunkte und Direktvermarkter.

Im Haus des Apfels lernt man den Werdegang des Apfels beziehungsweise des Obstbaus in Mitten der Steirischen Apfelstraße kennen. Als „lebendes Museum“ konzipiert befindet sich das Haus des Apfels seit 1990 auf dem Obstbaubetrieb Kelz in Harl – Josef Kelz ist übrigens einer der Apfelmänner, dazu aber später mehr. Hier wird der Besucher in der ständigen Schausammlung über wissenswertes über Äpfel und Obstbau im Wandel der Zeit informiert. Der Apfel wird in der Mythologie, Religion, Kunst sowie im Brauchtum dargestellt. Pflanzenschutz, Hagelabwehr, Vermarktung, Transport und Ernte sind weitere Themen, die im Apfelmuseum angesprochen werden.

Besonders interessant wird es im Freigelände. Die Besichtigungstour umfasst Presshaus, Bienenhütte mit Schaubienenstock, Schautafeln mit Nützlingen und Schädlingen des Obstbaus, alte und neue Apfelsorten, einen Wetterturm sowie die Lagestätte vom mystischen Apfelschnaps „Abakus“.

Und in Puch, der heimlichen Hauptstadt des Apfellands, gibt es einen geheimnisvollen Zusammenschluss örtlicher Apfelbauern, den der sogenannten Apfelmänner. Denn in Bezug auf Qualität und Vermarktung ihrer Spitzenprodukte sind diese Apfelbauern eine verschworene Gemeinschaft. Unter dem Zeichen des Raben, und einem Abakus an der Hofeinfahrt, brennen 15 in dunkle Mönchskutten gekleidete Apfelmänner einmal im Jahr in einer geheimen Zeremonie ihre besten Früchte zum Abakus.

Wie kam es dazu? Vor über 20 Jahren setzten sich die Apfelbauern aus Puch und Umgebung zusammen und dachten darüber nach, wie man dem Pucher Apfel noch besser als bisher gerecht werden konnte. So entstand daraus eine verschworene, mystische Gemeinschaft, in der alle Beteiligten all ihr Können und Wissen und all ihre sensorischen Fähigkeiten einbringen, um daraus das non plus ultra der alkoholischen Genüsse – den Abakus – zu vergeistigen. Dieser wird bei wohlgehüteter Geheimhaltung unter strengster Einhaltung des Regelwerks der Apfelmänner – es gibt zwölf Regeln – ausschließlich aus den besten Äpfeln jedes Jahrgangs hergestellt.

Das Brennen des Abakus ist geheimer als geheim und geschieht an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Dazu verhüllen die Apfelmänner die Brennerei um sich ungestört auf das Wesentliche konzentrieren zu können – auf das Brennen des Abakus. So verlassen die Apfelmänner Haus und Hof, Frau und Kinder und sperren sich drei Tage und zwei Nächte lang ein.

Jedes Jahr muss ein anderer Gastwirt von Puch das Mittagessen für die Apfelmänner Punkt zwölf Uhr vor die Brennerei bringen.

Nach den Brenntagen, wenn die Zeit der Ruhe und Reife für den Abakus gekommen ist, nimmt jeder Apfelmann eine Butte voll Abakus und trägt sie zu Fuß von der Abakusbrennerei zum Lager beim Haus des Apfels. Bei der Pucher Kirche machen die Apfelmänner Halt, damit er mit Gottes Segen nun zur vollkommenen Reife gelange.

Als Zeichen der Verbundenheit mit der Natur und das sie nicht vergessen, dass der Hände Arbeit die Grundlage für Leben und Ernten ist, pflügen die Apfelmänner einmal im Jahr ein Feld um. Allerdings nicht mit dem Traktor, sondern mit einem Pferd.

Dann, wenn der Abakus in aller Ruhe gereift ist und die Apfelmänner ihn für würdig befinden, nun in die große Riege der Abakus aufgenommen zu werden, geben die Apfelmänner die Sorte des letztjährig gebrannten Abakus mit einer Bronzeinschrift in einem Apfelstamm bekannt. Bis dahin wissen nur die Apfelmänner die Sorte – nicht einmal den Frauen der Apfelmänner ist sie bekannt.

Streng regelmentierte 1444 Flaschen pro Jahrgang destillieren die Apfelmänner aus den allerbesten Äpfeln. Sanft reift der Abakus mindestens ein Jahr auf Lehmziegeln in den kühlen Gefilden des Apfelhauses, bevor er in einer feierlichen Zeremonie präsentiert und für den Verkauf freigegeben wird. Die 0,7 Liter Flasche kostet dann 104,44 Euro – vor der Umstellung auf Euro waren es 1444 österreichische Schilling.

Von Puch geht es bergauf, bergab dabei durch die Stubenbergklamm, vorbei am Stubenbergsee weiter bis nach Pöllau zu einem Vorzeige-Unternehmen der Region, der Ölmühle Fandler im Naturpark Pöllauer Tal. Rein, unverfälscht und natürlich sind die fast 50 Sorten hochwertiger, kaltgepresster Öle – unter anderem von Kürbis-, Sonnenblumen- und Traubenkernen, Mandeln, Macadamianüssen bis zu beinahe vergessenen Raritäten wie Camelina und Hanf –, die den ausgesuchten Rohstoffen seit 1926 entzogen werden. Gearbeitet wird bei Fandler nach alter Familientradition, laufend frisch und in kleinen Mengen.

Ein Weltunikat, die Hundertwasser Therme

Um Ganzheitlichkeit zu leben werden aus den Presskuchen der diversen Nüsse, Kerne und Saaten teilentöle Bio-Mehle hergestellt. Es wird also nichts vergeudet, was dem Menschen Mittel zum Leben sein könnte.
Nach rund 75 Kilometern ist das Ziel der fünften Etappe, Hartberg, erreicht. Von hier geht es am folgenden Tag auf Etappe 6 der Weinland Steiermark Radtour mitten hinein ins Thermen- und Vulkanland Steiermark. Entlang der Wegstrecke liegen zahlreiche abgeerntete Kürbisfelder, denn die Kürbisernte läuft derzeit auf Hochtouren.

Ein absolutes Highlight dieser Etappe ist die Besichtigung der „Hundertwasser Therme“ Rogner Bad Blumau. Diese Therme wurde vom Künstler und Architekten Friedensreich Hundertwasser kunstvoll und dem Visionär sowie Eigentümer Robert Rogner im Einklang mit der Natur errichtet und gestaltet. Das Weltunikat ist in ungleichen Vierteln angelegt und sanft in das Steirische Hügelwiesenland integriert. Das Zentrum bildet die ringförmige Innen- und weitläufige Außentherme. Unterschiedlichste Wohn-, Bade- und Resaurantbereiche verzweigen sich von der Mitte aus hin in die offene Landschaft und bieten unzählige Rückzugsmöglichkeiten.

Die dicke Oachn,
Europas älteste Eiche

Das Ergebnis: ein lebendes Gesamtkunstwerk aus farbenfrohen Häusern, auf deren Dächern Bäume wachsen. Unebene Böden, Lebensbäume, tanzende Fenster, bunte Säulen, runde Formen und goldene Kuppeln. Das Rogner Bad Blumau ist nicht vergleichbar mit anderen Hotels oder Thermen. Um es kurz zu machen: Man kann die Hundertwasser Therme nicht beschreiben, man muss sie sehen, erleben und spüren.

Nur ein paar Kilometer von der Hundertwasser Therme entfernt findet man ein imposantes Naturdenkmal, die 1000jährige Eiche in Bierbaum. Der im Volksmund dicke Oachn genannte Baum gilt als älteste Eiche Europas. Sie ist rund 30 Meter hoch, hat einen Stamm-Durchmesser von 2,5 Metern und einen Umfang von 8,75 Metern. Der Kronendurchmesser beträgt etwa 50 Meter. Um den Stamm zu umfassen, werden sieben Erwachsene benötigt.

In den 1970er-Jahren goss man die Eiche nach einem Blitzschlag mit Beton aus. Dadurch konnte waber das Wasser nicht mehr abfließen und der Baum begann zu faulen. 1989 wurde daher mit Presslufthämmern der Kern sowie verfaultes Holz entfernt. Gleichzeitig wurden durch Rohre Abflussmöglichkeiten für das Wasser geschaffen und die Eiche gewann wieder seine Vitalität zurück.

An Wiesen und abgeernteten Feldern vorbei geht es weiter bis nach Fürstenfeld, den Endpunkt der 6. Etappe, den Radler nach gut 53 Kilometern erreichen. Vielen deutschsprachigen Gästen ist die Stadt in erster Linie wohl beziehungsweise zumindest durch das Lied Fürstenfeld mit dem Refrain „I will wieder ham, fühl mi do so allan I brauch ka grosse Welt, i will ham nach Fürstenfeld“ der Austro Popband S.T.S. bekannt. Durch diesen Hit ist dieser fast unbekannte Fleck auf der Landkarte zu einer der meist besungenen Städte im gesamten deutschen Sprachraum geworden. Das Lied vermittelt die Sehnsucht nach der Heimat, nach dem Zuhause.

Fürstenfeld hat eine sehr schöne, sehenswerte historische Altstadt, die nicht nur auf dem Festungsweg oder im Museum Pfeilburg erkundet werden kann. Auf drei Etagen wird in der Pfeilburg die wechselvolle Geschichte der „Stadt an der Grenze“ dokumentiert. Das Tabakmuseum erinnert an die erste Tabakfabrik Österreichs, die in Fürstenfeld 1691 im jetzigen Museum gegründet wurde. Eine Vielzahl an Originalexponaten, Modellen und Darstellungen belegen eindrucksvoll den Weg der Stadt durch die Jahrhunderte.

Einer der ausstellungstechnischen Höhepunkte ist die begehbare, hinterleuchtete Bodenvitrine, in der das Stadtmodell von Fürstenfeld mit seiner berüchtigten Ringmauer um 1600 zur Schau gestellt wird. Darüber hinaus gibt es drei toll gemachte Filme zur Stadtgeschichte, von den Anfängen Fürstenfelds bis in die Gegenwart.

Was die Wenigsten wissen, Fürstenfeld hat das größte Beckenfreibad Europas. 23 000 Quadratmeter Wasser- und zehen Hektar Liegefläche sorgen unter anderem für den perfekten Badespaß für die ganze Familie.

Auf den beiden beschriebenen Etappen lassen sich neben dem Wein insbesondere mit den Äpfeln und den Kürbissen – Stichwort: Kürbiskernöl – zwei weitere steierische Genussprodukte sowie heilendes Thermalwasser, aber auch ganz viel Kultur erradeln und entdecken. Für jeden Pedalritter eine interessante Entdeckungsreise durch die Ost-Steiermark. (Friedrich H. Hettler)

 

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