Freizeit und Reise

Bei strömenden Regen ging es auf Schusters Rappen anfangs hinauf zum Echterspfahl. (Foto: Friedrich H. Hettler)

03.07.2015

Keine Zeit für Müdigkeit

Das Wanderkultevent "24 Stunden von Bayern" im Räuberland im Spessart-Mainland

Wenig Mitleid hatte der Wettergott letzte Woche mit den Wanderfreunden der „24 Stunden von Bayern 2015“. Kurz vor dem Start zu diesem Wanderkultevent im Räuberland im Spessart-Mainland öffnete der Himmel seine Schleusen. Bei strömenden Regen erfolgte folglich der Startschuss in Mespelbrunn durch die Böllerschützen Oberbessenbach. Vom Wandermarktplatz in Mespelbrunn ging es dann rund sechs Kilometer in fast stetigem moderatem Anstieg durch die Ingelheimischen Wälder zum Echterspfahl. Auf dem ehemaligen Handelsweg trieben die Gebrüder Echter als Raubritter ihr Unwesen.
Zum siebten Mal in Folge fanden die „24 Stunden von Bayern“ statt. 444 Teilnehmer aus sechs Nationen – der Älteste war knapp unter 80 Jahren – machten sich auf, bis zu maximal 96,7 Kilometer in 24 Stunden zurückzulegen. Knapp 1800 Wander-Begeisterte hatten sich für die Teilnahme beworben. Die 444 Starterplätze wurden wie jedes Jahr unter den Bewerbern dann verlost.
Die Tagesstrecke (Ritter – Räuber – Händler) hatte eine Länge von 37,6 Kilometern, dabei waren 797 Höhenmeter zu bewältigen. Die Nachtstrecke – Räuberrunde zwischen Himmel und Hölle – war einen Kilometer kürzer hatte aber knapp 50 zusätzliche Höhenmeter (846) im Streckeprofil. Daneben gab es mit der „Wildsaurunde“ noch eine Fitnessstrecke – 12,1 Kilometer lang - und eine Frühtaustrecke „Wo der Wolf heulte“ mit 10,4 Kilometern Länge.
Vom Echterspfahl ging es zur neuen Autobahnfußgängerbrücke über die A 3, wo Obrist von Teckel und seine Soldaten von den Wanderern Wegezoll kassierten. Ein paar Kilometer weiter am Weibersbrunner Waldrand konnte man sich mit leckeren Neudorfer Räuberchen – süß oder herzhaft – aus dem fahrbaren Backofen stärken. Und wenig später gab es vom Trachtenverein D’Spessartwäldler Tanzeinlagen und Kuhglockspiel. Darüber hinaus konnten die Wanderer mit einer Radl-Kettensäge Holz sägen und mit einem Spezialfahrrad Getreide fürs eigene Müsli schroten.
An der Gemeindemühle Rothenbuch wurden müde Füße, man hatte immerhin bereits über 14 Kilometer in den Beinen, durch Kräuter-Fußbäder wieder wach und auf der Schlemmermeile gab es dann einen Mittagsimbiss mit Suppe, Salat und diversen Hauptspeisen. An der Heidenlückertür konnten Wandersüchtige dann auf die „Wildsaurunde“ gehen, bevor es über den Wilderer Hasenstabweg hinunter ins Naturschutzgebiet Haferlohrtal ging.
In den Blickpunkt der Öffentlichkeit gelangte das Hafenlohrtal durch 25 Jahre Widerstand gegen das Vorhaben, die Hafenlohr aufzustauen und das Tal unter Wasser zu setzen. Inzwischen hat sich das Hafenlohrtal als einzigartiger Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzengemeinschaften herausgestellt. Grundlage dieser Vielfalt bildet die jahrhundertelange Nutzung dieses Landstrichs durch eden Menschen. Bis heute präsentiert sich das Tal als Kulturlandschaft, auch wenn die Bewirtschaftung seit 1900 stark zurückgegangen ist.
Im Essiggrund – Kilometer 31 – gab es Informationen zum UNESCO Welterbe Limes und zur Stärkung stilechten Römerimbiss mit Mostbrötchen, Moretum und Mulsum.
Der absolute Höhepunkt der Tagesstrecke war jedoch das berühmte malerische Wasserschloss Mespelbrunn. Das Schloss verdankt seine Entstehung einer Schenkung des Mainzer Erzbischofs Johann II. von Nassau. Dieser übereignete am 1. Mai 1412 seinem kurfürstlichen Forstmeister Hamann Echter den Platz zum Espelborn, der im Talgrund an einem Weiher am Krebsbach ein unbefestigtes Haus errichtete. 1427 begann Hamann Echters gleichnamiger Sohn aus dem unbefestigten Weiherhaus seines Vaters ein befestigtes Haus mit Mauern, Türmen und einem Wassergraben zu bauen.
Sein heutiges Aussehen verdankt das Schloss größtenteils Peter Echter von Mespelbrunn und seiner Frau Gertraud von Adelsheim, die den Umbau über 18 Jahre bis 1569 durchführten. Die Familie brachte im Laufe der Zeit bedeutende Persönlichkeiten hervor. Am bekanntesten dürfte Julis Echter gewesen sein, der Gründer der Universität von Würzburg und des Julius-Spittals.
Maria Ottilia, die letzte Echterin, heiratete Philipp Ludwig von Ingelheim aus dem Rheingau. Ihr Mann entstammte einem Freiherr-engeschlecht, das später in den Grafenstand erhoben wurde. Die beiden durften Namen und Wappen mit kaiserlicher Erlaubnis zusammenfügen. Noch heute lautet der Name der Familie „Grafen von Ingelheim genannt Echter von und zu Mespelbrunn“. Bekannt ist das Schloss auch als Drehort des Spielfilms Das Wirtshaus im Spessart aus dem Jahr 1958.
Vorbei an der Basilika Maria Schnee ging es zurück zum Wandermarktplatz in Mespelbrunn, wo man sich an einem Räunerbuffet für die Nachtrunde stärken konnte.
Der erste Höhepunkt der „Räuberrunde zwischen Himmel und Hölle“ war der Flying Fox im Langer Grund. Über das Hohe Wart Haus ging es auf dem mit Papierlaternen – von den Kindergartenkindern aus Leidersbach gebastelt – geschmückten und beleuchteten Spessartweg zum Odenwaldblick, wo ein Mittelalterlager mit Zelt und Feuerstelle sowie hervorragendem Met auf die Wanderer warteten.
In Hobbach feierte das Dorf die Ankunft der verbliebenen Wanderer mit dem Wiesengrundfest. Eineinhalb Kilometer weiter, gab es auf dem Wiesenweg dann noch als Wegzehrung den „Kloa Pariser“, ein Laugengebäck. Kloa Pariser ist der Ortsspitzname von Eschau, das mit vier Jahrmärkten und sechs Viehmärkten das Einkaufszentrum der Elsavatalgemeinden im 19. Jahrhundert war. Der Spitzname geht aber auch zurück auf die zugewanderten Franzosen, die hier eine „evangelische Insel mit Pastor“ inmitten einer katholisch geprägten Gegend hatten. Als Erinnerung an diese Zeiten werden jedes Jahr am Eschauer Kerbmarkt die „Kloa Pariser“ gebacken und vom „frechen Franzosen Frédéric“ kostenlos an alle Kinder verteilt.
Nun wurde es aber nochmals äußerst interessant, denn es stand der Aufstieg zur Geishöhe auf dem Programm. Rund 350 Höhenmeter – ohne Unterbrechung toujours bergauf und vielen Kilometern in den Beinen – über den Alten Schulweg und Felsenweg, mit riesigen, zum Teil bizarren Steintreppen – ist bei Tageslicht sicherlich eine tolle Attraktion –, brachten die Wanderer mehr als ordentlich zum Schwitzen und an die Grenzen ihrer Kondition. Auf dem höchsten Punkt der Strecke (518 Meter), eben der Geishöhe, wurden die Teilnehmer mit einem herrlichen Nachtblick über Taunus und Odenwald belohnt. In der Ferne war sogar die beleuchtete Skyline von Frankfurt zu sehen.
Bei einer Massage oder Klangtherapie konnte man sich für die letzten Kilometer auf Schusters Rappen nochmals fitmachen lassen. Über den Kurparksee am Wiesenweg und das Adventuregolf Räuberland ging es dann zurück zum Ziel in Mespelbrunn, dem Wandermarktplatz.
Was man bei den diesjährigen „24 Stunden von Bayern“ besonders hervorheben muss, sind die vielen tollen Erlebnisstationen und interessanten kulinarischen Verpflegungspunkte entlang der Strecken sowie die sehr zuvorkommende, nette und freundliche sowie überaus hilfsbereite Art und Weise der über 250 ehrenamtlichen Helfer. Ihnen war beziehungsweise ist es zu verdanken, dass die siebte Auflage dieses Wanderkultevents allen Teilnehmern noch sehr lange im Gedächtnis haften bleiben wird. Man darf gespannt sein auf die nächstjährigen „24 Stunden von Bayern“, die in der Alpenwelt Karwendel, mit dem Wandermarktplatz Mittenwald, stattfinden werden. (Friedrich H. Hettler) (Der Startschuss ist erfolgt; beim Kuhglockenspiel und die Fahrrad-Kettensäge; Schloss Mespelbrunn und die Basilika Maria Schnee - Fotos: Friedrich H. Hettler)

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