Freizeit und Reise

Die Mumien in ihren rot bespannten Särgen in den Katakomben. (Foto: Stadt Klatovy)

23.03.2016

Mumien als Fingerzeig in die Ewigkeit

Die „Katakomben“ – das Museum unter der Jesuitenkirche im böhmischen Klatov

Nicht nur durch die Kirchen von der Gotik zum Barock, die Bürgerhäuser der Renaissance, den „Schwarzen Turm“, die barocke Apotheke „Zum weißen Einhorn“, UNESCO-Weltkulturerbe, PASK, den Pavillon mit altem und modernem böhmischen Glas, ist Klattau/Klatovy, auch die „Stadt der Nelken“ genannt, berühmt. Zu einer der herausragenden Sehenswürdigkeit der Stadt, an der Kreuzung von zwei uralten Handelswegen gelegen, hat sich das nun „Katakomben“ genannte Museum in der Krypta der Jesuitenkirche mit den 38 Mumien entwickelt, die dort in den Gewölben in ihren Särgen liegen.
Integriert wurde bei der aufwendigen Renovierung auch, und das mit neuester multimedialer Technik, 2011 eine Ausstellung über das Leben und Wirken der Jesuiten in Stadt und Umland. Die heute rund 22 000 Einwohner zählende Stadt, nur rund 40 Kilometer von der bayerischen Grenze bei Furth im Wald entfernt, wurde im späten 13. Jahrhundert gegründet. Ihre Lage an der Kreuzung zweier bedeutender Handelsstraßen, die von Westböhmen nach Südböhmen führten und führen, eröffnete Verbindungen nach Pilsen, Prag und Budweis ebenso, wie in die bayerischen Städte Passau, Deggendorf, Straubing, Cham – heute Partnerstadt – und Regensburg sowie auch nach Oberbayern mit München und Franken mit Nürnberg. 1263 wurde Klatovy unter Ottokar II. Premysl zur Königsstadt erhoben und 1419 ein bedeutender Sitz der Hussiten. Durch Handwerk und Handel war Klatovy zu einer der reichsten Städte Böhmens geworden. 1620 wurde in den Wirren des 30-jährigen Kriegs Klatovy von kaiserlichen und bayerischen Truppen besetzt. Plünderungen und Brände führten zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Absinken der Stadt, fast zur Bedeutungslosigkeit. Dann kamen zur Zeit der Rekatholisierung Böhmens die Jesuiten in die Stadt, errichteten ein Ordenshaus, das wenige Jahre später zu einem Jesuitenkolleg erhoben wurde, in dem man Theologie und Philosophie studieren konnte. Die Patres kümmerten sich auch um die nicht katholische Bevölkerung der Stadt und des Umlands sowie um deren Bildung und wirtschaftlichen Aufschwung. Im Kolleg entstanden ein lateinsprachiges Gymnasium und eine Art Mittelschule mit Seminar für arme Studenten. Im Stadtzentrum neben dem „Schwarzen Turm“ und dem heutigen Rathaus ließen sie die „Kirche der Unbefleckten Empfängnis und des Heiligen Ignatius“ bauen. Kilian Ignaz Dientzenhofer arbeitete am Hauptportal. Die Begeisterung steckt an, mit der die ehemalige Deutschlehrerin am Gymnasium von Klatovy, Sarka Lesna, und der stellvertretende Bürgermeister Vaclav Chroust über ihre Stadt und besonders über die Katakomben, das Museum mit Krypta und Mumien unter der Jesuitenkirche sprechen. In den Jahren 1676 bis 1783 fanden hier mehr als 200 Verstorbene, nicht nur Ordensmitglieder der Jesuiten, sondern auch Adelige und verdiente Bürger und Bürgerinnen der Stadt ihre letzte Ruhestätte – bis 1784 Kaiser Josef II. die Bestattung in Kirchen verbot.

Auf Holzspäne gelegt


Die toten Körper wurden nicht, wie etwa in Ägypten, aufwendig konserviert, sondern in Eichensärge auf Holzspäne gelegt, umgeben von Hopfendolden. Dank eines ausgeklügelten Lüftungssystems mit Kanälen in der Krypta, endend auf dem Kirchendach, blieben Lufttemperatur und -feuchtigkeit beständig. Es kam zum allmählichen Austrocknen der Körper, zur Mumifizierung. Die braunen Mumien wiegen nur mehr acht bis zehn Kilogramm. Während einer Kirchenreparatur in den 1930er Jahren verschütteten Bauarbeiter die Lüftungsschächte, das Klima in den Krypten veränderte sich, ein Großteil der Mumien zerfiel. Sie wurden auf dem Friedhof St. Jakob bestattet. 38 der Mumien konnten vor dem Zerfall gerettet werden, sie sind zum Kulturdenkmal erklärt. Stolz berichtet Chroust über den Umbau der Katakomben mit den Mumien in der Krypta und der Jesuiten-Ausstellung im Jahr 2011. Die Kosten von über einer Million Euro wurden aufgebracht von der Stadt, dem Bürgerverein, dessen Vorsitzender er ist, und durch Zuschüsse der EU. Fast 6000 Besucher kamen an den zwei Tagen zur Eröffnung, die Bischöfe der Diözesen Pilsen, Prag und auch Regensburg nahmen die Weihe vor. Die Katakomben weisen in ihrer einzigartigen Atmosphäre eindringlich auf die Vergänglichkeit des Menschen hin und die Besucher werden still angesichts dieses Fingerzeigs auf die Ewigkeit.
(Hermann Höcherl) (Die Jesuitenkirche und der "Schwarze Turm" neben der Fassade des Rathauses; Blick in die Ausstellung - Fotos: Stadt Klatovy)

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