Kommunales

Das ORC-Kraftwerk in Laufzorn bei Grünwald. ORC steht für Organic Rankine Cycle und beschreibt ein Verfahren, bei dem des Betriebs von Dampfturbinen mit einem anderen Arbeitsmedium als Wasserdampf. Zum Einsatz kommen organische Flüssigkeiten mit einer niedrigen Verdampfungstemperatur. (Foto: Erdwärme Grünwald)

21.08.2015

180 Millionen Euro für Öko-Energieversorgung investieren

Gemeinde Grünwald baut die Geothermie aus

Neben Biomasse, Photovoltaik und Windenergie ist Geothermie eine Form der regenerativen Energieerzeugung. Wegen einiger menschlicher Fehlleistungen ist die Erdwärmenutzung aus großen Tiefen aber in Verruf geraten. Im baden-württembergischen Hohenstaufen heben sich die Häuser, weil Wasser in die Gipsschicht geraten ist. Und in Basel wurde wegen des Verpressens von kaltem Wasser auf heißes unterirdisches Gestein ein Erdbeben von 3,4 auf der Richterskala ausgelöst.
Doch es geht auch anders. Das beweisen viele Geothermieprojekte in Bayern. Ein sehr erfolgreiches davon ist das Geothermie-Heizwerk mit ORC-Stromkraftwerk in Laufzorn (Landkreis München). Die Erdwärme Grünwald GmbH fördert aus über 4000 Metern Tiefe 128 bis 130 Grad heißes Wasser. Das nutzt die Gemeinde Grünwald für ihr Wärmenetz und zur Stromerzeugung. Regenerative Wärme erzeugt Grünwald seit Herbst 2011; seit Mitte Dezember 2014 läuft das Kraftwerk im Regelbetrieb.
„Bevor wir im Jahr 2008 loslegten, haben wir eine Bürgerbefragung durchgeführt“, erklärt Grünwalds 1. Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) der Staatszeitung. Die sensationell hohe Rücklaufquote von über 50 Prozent bestärkte den Anfangs skeptischen Gemeindechef, das Geothermieprojekt voranzutreiben. Denn viele Grünwalder waren bereit, sich der neuen Technologie anzuschließen und ihr Eigenheim künftig mit Erdwärme zu beheizen.

Bavaria Film GmbH als Großabnehmer


„Damit wir das Projekt wirtschaftlich darstellen konnten, brauchten wir aber einige Großabnehmer“, so Neusiedl. Die fand die Gemeinde in der Bavaria Film GmbH, die am nördlichen Gemeinderand ihre Filmstudios betreibt. Hinzu kamen noch der Freizeitpark, das Rathaus, das Schulzentrum und ein Altenheim. Dann konnte zur Realisierung geschritten werden. „Insgesamt werden wir 180 Millionen Euro in das Projekt investieren“, so der Bürgermeister. Größter Einzelposten ist das Wärmenetz, das in der Endausbaustufe über 64 Kilometer umfassen wird. „Dann hat nahezu jeder Haushalt in jeder noch so kleinen Stichstraße die Möglichkeit, sich anzuschließen“, so Neusiedl. Das wird allerdings erst 2017 soweit sein.
3570 Euro kostet so ein Geothermieanschluss jeden Haushalt. 1000 Euro Zuschuss erhalten die Grünwalder aus dem Energiesparförderprogramm der Gemeinde. Aber man kann den Anschluss auch noch einmal günstiger haben, wenn man den „Frühbucherrabatt“ in Höhe von 1785 Euro brutto entlang der jeweiligen Ausbaustrecke nutzt. Zusammen mit dem gemeindlichen Zuschuss bleiben dann für den Privathaushalt lediglich noch 785 Euro, die bezahlt werden müssen. „Der Frühbucherrabatt gilt aber nur für ein bestimmtes Zeitfenster, in dem der Leitungsbau direkt vor der Haustür stattfindet“, so Neusiedl.
In den Anschlusskosten sind auch bis zu 30 Meter Leitung von der Straße bis zum eigentlichen Gebäude enthalten und die Installation des Wärmetauschers im Haus. So kommen laut Neusiedl etwa 200 Neuverträge pro Jahr in der rund 11.000 Einwohner zählenden Gemeinde hinzu.

Die finanziell am besten gestellte Gemeinde in ganz Bayern


Da Grünwald bekanntlich die finanziell am besten gestellte Gemeinde in ganz Bayern ist, mussten für das Geothermieprojekt auch keinerlei Kredite aufgenommen werden. Seit Herbst 2011 produziert die Gemeinde geothermische Wärme, und die Anlage wird sich aus dem Cash-flow refinanzieren.
„Eine weitere Besonderheit unseres Projekts ist die Verbindung zur Nachbargemeinde Unterhaching“, erläutert Neusiedl. Eine 5,4 Kilometer lange Leitung verbindet seit Ende 2012 die beiden Geothermieanlagen. „So können wir je nach Bedarf die Unterhachinger mitversorgen oder sie uns.“ Das ist insbesondere bei Wartungsarbeiten sehr komfortabel. Allerdings war der Leitungsbau zu den Nachbarn sehr aufwändig. So mussten die Rohre unter der Autobahn, unter einer Kreisstraße, unter der S-Bahn und unter der Hauptwasserleitung der Landeshauptstadt München verlegt werden. Auf diese ungewöhnliche Form der interkommunalen Zusammenarbeit ist Neusiedl besonders stolz.
Stolz kann er auch darauf sein, dass sich viele Bürgermeisterkollegen das Geothermieprojekt ansehen. Sogar eine 15-köpfige chinesische Delegation vom Ministry of Housing and Urban-Rural Development kam nach Grünwald, um sich über diese hocheffiziente Form der Energienutzung zu informieren.
Damit die Energieeffizienz weiter verbessert wird, plant die Erdwärme Grünwald, ein Blockheizkraftwerk in der Halle des Heizwerks zu errichten. „Dann können wir den Strom, den wir für den Pumpenbetrieb brauchen, selbst erzeugen“, so Neusiedl. Und eine Power-to-heat-Einheit soll Stromüberschüsse aus dem Netz zu Wärme machen. „Das ist dann so eine Art übergroßer Tauchsieder“, erklärt der Bürgermeister.
(Ralph Schweinfurth)

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