Kommunales

München: Eine Wahlhelferin mit einer Pestmaske bereitet in einer Messehalle die Auszählung der Briefwahl vor. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

15.03.2020

Bayerische Kommunalwahlen im Zeichen der Corona-Krise

In fast allen großen Städten wird es zu einer Stichwahl um den Posten des Oberbürgermeisters kommen

Ein Bild, dass an einen surrealen Film erinnert: Eine Wahlhelferin in München trägt beim Auszählen der Briefwahlunterlagen eine Pestmaske, wie sie im Mittelalter bei der Ausbreitung der Seuche von Ärzten verwendet wurde. In der bayerischen Landeshauptstadt war kurzfristig fast ein Viertel der ehrenamtlichen Wahlhelfer für die Kommunalwahl 2020 abgesprungen. Die Stadtverwaltung rekrutierte deshalb kurzfristig rund 1500 Lehrer, die dem als Staatsbedienstete nachkommen mussten. Freilich machten viele der Pädagogen ihrem Unmut darüber vor den Wahllokalen Luft. Der erste Urnengang in Deutschland unter den Bedingungen des Corona-Virus.

Der Anteil der Briefwähler war deutlich höher als bei der Kommunalwahl 2014, was sicher mit der Angst vieler Wähler vor einer Ansteckung mit dem Virus zu tun hatte. Die Abgabe der entsprechenden Unterlagen war in den Rathäusern teilweise noch bis Samstag Mittag möglich. Die Auszählung der Stimmen für die Stadt- und Gemeinderäte sowie der Kreistage wird wohl auch deshalb noch andauern. Hinzu kommt die komplizierte Möglichkeit der Stimmenverteilung mittels Kumulieren und Panaschieren. Erste Ergebnisse beziehungsweise Hochrechnungen stehen Stand Sonntagabend meist nur für die Posten der (Ober-)bürgermeister und Landräte fest.

Jung und Pannermayr schaffen mehr als 70 Prozent im ersten Wahlgang

Einen klaren parteipolitischen Sieger dieser Kommunalwahl gibt es nach derzeitigem Stand noch nicht. Die lokalen Umstände spielten wohl die entscheidende Rolle. Klar ist, dass es in den meisten großen Städten in 14 Tagen eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten geben wird, weil keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen konnte. Hinzu kommt: Noch nie war die Zahl der Bewerber für die Chefposten in den Rathäusern so hoch wie diesmal, teilweise zweistellig in einigen Kommunen.

Klar im ersten Wahlgang durchsetzen konnten sich unter den Oberbürgermeistern der großen Städten nur die Amtsinhaber in Straubing (Markus Pannermayr, CSU), Fürth (Thomas Jung, SPD) und Passau (Jürgen Dupper, SPD) - die beiden erstgenannten sogar mit mehr als 70 Prozent. In München lag der amtierende OB Dieter Reiter (SPD) am Sonntagabend mit rund 49 Prozent nur knapp unter der 50-Prozent-Marke. Seine Mitberwerberinnen Katrin Habenschaden (Grüne) und Kristina Frank (CSU) lieferten sich mit jeweils rund 21 Prozent ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den zweiten Platz und damit die Chance um eine mögliche Stichwahl gegen OB Reiter.

In Nürnberg, Augsburg und Regensburg, der zweit-, dritt- und viertgrößten Stadt des Freistaats, werden die Oberbürgermeister neu gewählt. In Augsburg und Nürnberg traten die Amtsinhaber, Kurt Gribl (CSU) und Ulrich Maly (SPD) nicht mehr an, in Regensburg ist Joachim Wolbergs (parteifrei, früher SPD) vom Dienst suspendiert. In allen drei Städten wird es zu einer Stichwahl kommen, ebenso in Ingolstadt, wo Amtsinhaber Christian Lösl (CSU) hinter seinem Herausforderer Christian Scharpf (SPD) landetet. Auch der Erlanger OB Florian Janick (SPD) muss in die Stichwahl gegen Jürgen Volleth (CSU), ebenso Alexander Putz (FDP), der OB von Landshut. Mit ihm konkurriert in 14 Tagen Sigi Hagl (Grüne).

Niedergang der SPD erst mal gestoppt, AfD chancenlos

In den Landkreisen konnten sich die wieder kandidierenden Amtsinhaber - fast ein Drittel der 71 bayerischen Kreischefs treten nicht mehr an - deutlicher gegen ihre jeweiligen Herausforderer durchsetzen, es wird weniger Stichwahlen um den Posten des Landrats geben als um jenen des Oberbürgermeisters. Zu denen, wo der Amtsinhaber im zweiten Wahlgang zittern muss, gehört der Kreis Miesbach, wo vor sechs Jahren mit Wolfgang Rzehak der erste grüne Kreischef Bayerns ins Amt kam. Im ersten Wahlgang liegt sein Herausforderer Olaf von Löwis (CSU) vorn.

Auch wenn Kommunalwahlen in erster Linie Personenwahlen sind, zeichnet sich eine erste Bilanz für die Parteien ab. Die CSU konnte einen Einbruch abwenden, sie hat in sieben von acht Städten mit mehr als
100 000 Einwohnern noch die Chance, das Oberhaupt zu stellen. Die Freien Wähler hielten sich wacker, konnten aber ihre Regierungsbeteiligung nicht über Gebühr ausschlachten. Der Höhenflug der Grünen scheint erst mal gestoppt - vor allem Nürnberg dürfte sie wurmen, wo es die Landtagsabgeordnete Verena Osgyan nicht mal in die Stichwahl schaffte. Die SPD wiederum wendete die drohende Bedeutungslosigkeit im letzten Moment noch ab und bleibt kommunalpolitisch weiter im Spiel.

In keiner Stadt, in keiner Marktgemeinde und in keinem Landkreis Bayerns schaffte es ein AfD-Bewerber auch nur in die Nähe des Bürgermeister- beziehungsweise Landratspostens, in der Regel blieben die Kandidaten der Rechtspopulisten im einstelligen Bereich und weit von jeder Stichwahl entfern. Es scheint, dass die Bürger die konkrete politische Verantwortung in der Exekutive anders bewerten als die Rolle von Krawallmachern in den Parlamenten und in diesen Positionen dann doch lieber Vertreter der demokratischen Parteien sehen. (André Paul)

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