Nach den Anschlägen von Würzburg, München und Ansbach steigt die Alarmbereitschaft der Polizei. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat bereits eine strengere Marschrichtung der Sicherheitsbehörden angekündigt. Der verschärfte Kurs wird sich nicht nur an der Grenze zeigen. Konkret könnte beispielsweise das Training an der Waffe ausgeweitet werden, damit Polizeibeamte für Terroreinsätze besser gerüstet sind. Veraltete Schießanlagen erschweren diesen Plan in der Praxis, wie nicht nur ein krasses Beispiel aus Mittelfranken zeigt. Auch in Würzburg besteht offensichtlich Handlungsbedarf. In Nürnberg und Schwabach mussten kürzlich zwei Schießanlagen kurzfristig komplett geschlossen werden.
Hinter der vorübergehenden Schließung stecken Gesundheitsrisiken für die Polizeibeamten durch Munitionsrückstände, die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein. Dabei handelt es sich um Rückstände von Blei und Antimon. Letzteres wird zur Härtung von Bleilegierungen verwendet. Besonders gefährdet sind Schießtrainer, die sich dauerhaft in den Anlagen aufhalten.
Die erhöhten Munitionsrückstände haben zwei Hauptursachen. Einerseits hat das Training zugenommen und es werden mehr Schüsse abgefeuert. Früher seien 15, heute würden 35 Schüsse pro Trainingseinheit abgegeben, heißt es aus Polizeikreisen. Andererseits sind viele Schießanlagen nicht auf dem neuesten Stand. Veraltete Lüftungsanlagen sind für das erhöhte Training nicht ausgelegt. Die beiden nun geschlossenen Anlagen in Nürnberg und Schwabach gehören neben der in Erlangen zu den beiden ältesten Übungsstandorten in Mittelfranken.
Aufgrund der neuen Bedrohungslage wird das Training noch wichtiger
Insgesamt gibt es sechs Schießanlagen, drei ältere und drei neuere, in Mittelfranken. „Wir haben aus Vorsorgegründen den Schießbetrieb der Anlagen in Nürnberg und Schwabach eingestellt, weil wir alle Anlagen untersuchen wollen“, sagt Polizeisprecherin Elke Schönwald und kündigt an, dass viele Beamte nun auf andere Anlagen ausweichen müssten. Die zusätzlichen Wege wolle man „möglichst kurz“ halten.
Die Polizei ist freilich kein Schützenverein. Nur Anfänger trainieren das reine Schulschießen. Nach der Ausbildung wird das Schießen unter Einsatzbedingungen regelmäßig geübt. Mindestens 24 Stunden pro Jahr muss ein Polizeibeamter an vier verschiedenen Terminen beim Training des „Polizeilichen Einsatzverhaltens“ (PE) teilnehmen. Dadurch soll die Treffsicherheit der Truppe konstant hoch gehalten werden. Geschossen wird beispielsweise in der Rückwärtsbewegung oder bei schlechten Sichtverhältnissen. Einzelheiten will die Polizei hierzu aus nachvollziehbaren Gründen nicht verraten. Aufgrund der neuen Bedrohungslage dürfte das PE-Training noch wichtiger werden.
Auch in Würzburg ist die Situation derzeit offensichtlich nicht optimal. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DpoIG) hat die Trainingsmöglichkeiten in Würzburg sogar mit „ungenügend“ bewertet.
Teilweise kommt es zu Kapazitätsengpässen
Ganz so schlimm sind die Verhältnisse aber in der Praxis nicht. Die Polizei absolviert das Schießtraining dort auf der Anlage der Bereitschaftspolizei. Deshalb kommt es teilweise zu Kapazitätsengpässen, heißt es aus Gewerkschaftskreisen. Grundsätzlich mache es aus Kostengründen aber Sinn, dass beide Einheiten gemeinsam einen Schießstand nutzen. Außerdem soll die Situation in Würzburg bald verbessert werden. „In Würzburg ist der Neubau eines gemeinsamen PE-Zentrums für die III. Bereitschaftspolizeiabteilung und die örtlichen Dienststellen des Polizeipräsidiums Unterfranken vorgesehen“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums auf Anfrage. Das nötige Geld muss der Landtag zuerst noch bereitstellen.
Insgesamt werden von der bayerischen Polizei derzeit 43 Raumschießanlagen genutzt. Eine Ministeriumssprecherin bestätigt, dass die momentane Bedrohungslage das Einsatztraining bereits verändert habe. Durch die erhöhten Anforderungen an das Training werden neue Schießanlagen teurer.
Laut Ministerium würden als Reaktion (noch) „größere und zentralere“ Schießanlagen geschaffen. „Die Qualität der Trainingsmöglichkeiten wird sich erheblich verbessern, die absolute Anzahl der Einrichtungen jedoch eher verringern“, sagt die Sprecherin hierzu weiter. Im Haushalt seien bereits 65 Millionen Euro für Neu- und Umbauplanungen von elf Anlagen vorgesehen. Davon könnten neun Einrichtungen innerhalb der nächsten fünf Jahre in Betrieb gehen. (Nikolas Pelke)
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