Kommunales

ridolin Link hatte einst Autoschlosser gelernt, war dann zwölf Jahre Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Nach einer Ausbildung für den nichttechnischen mittleren Verwaltungsdienst wurde er 1984 zum Bürgermeister seines Heimatorts gewählt – und ist es bis heute. Freude an der Arbeit und sein Humor blieben ihm erhalten. (Foto: Bianca Handwerker)

29.07.2022

"Damals saßen Praktiker in den Ministerien"

Fridolin Link (CSU), Bayerns dienstältester Bürgermeister, über die unkompliziertere Verwaltungsarbeit in früheren Zeiten und die heutige Bürokratie

Als Fridolin Link 1984 sein Amt als Bürgermeister der Gemeinde Hausen im Landkreis Rhön-Grabfeld antrat, da nutzte man in seiner Amtsstube noch die Schreibmaschine und ein Telefon mit Wählscheibe. Jetzt ist der 73-Jährige der dienstälteste Bürgermeister Bayerns. Und er hat viele Gründe, warum er seine jüngeren Kolleg*innen bedauert.

BSZ: Herr Link, als Sie vor 38 Jahren Bürgermeister wurden – hätten Sie mit einer so langen Amtszeit gerechnet?
Fridolin Link: Grundsätzlich: Nein. Mir macht das Amt immer noch Spaß – aber eigentlich wollte ich spätestens nach 36 Jahren aufhören.

BSZ: Findet sich niemand, der Ihnen das Amt abnehmen würde?
Link: Es ist schwierig. Vor vielen Jahren hatte ich mal einen Gegenkandidaten; damals wollte ich aber noch weitermachen. Nun ist das Amt in unserer Gemeinde aber ehrenamtlich. Wenn jemand im Berufsleben steht, dann kann er oder sie den Bürgermeisterjob eigentlich nicht mehr nebenher ausüben. Man muss tagtäglich vor Ort und in der Verwaltung sein. Hinzu kommt bei uns die Tätigkeit in den verschiedenen Verbänden – zum Beispiel im Wasserzweckverband oder dem Schulverband, ebenso in der Verwaltungsgemeinschaft Fladungen, der wir angehören. Bei zwei dieser Verbände bin ich parallel auch noch Vorsitzender. Ich hätte jemanden als möglichen Nachfolger gehabt – aber der Arbeitgeber war nicht bereit, ihn dafür freizustellen beziehungsweise die Arbeitszeit von 40 auf 25 Stunden pro Woche zu reduzieren.

BSZ: Bei mir im Landkreis haben zur Kommunalwahl 2020 die letzten beiden Gemeinden von ehren- auf hauptamtlich umgestellt – eben weil es anders nicht mehr geht. Müsste das der Gemeinderat für ihren Ort nicht auch beschließen?
Link: Dazu sind wir zu klein. Bei einer Einwohnerzahl zwischen 2500 und 5000 Menschen darf es der Gemeinderat festlegen, ob der Bürgermeister haupt- oder ehrenamtlich tätig ist. Alles was darunter liegt, muss ehrenamtlich bleiben; da können wir nichts machen.

„Parteien gibt es im Gemeinderat längst nicht mehr“

BSZ: Aber das Regieren scheint zumindest entspannt zu sein – gehören doch alle Mitglieder Ihres Gemeinderats Ihrer lokalen Wählervereinigung an: CSU, SPD, Freie Wähler und Grüne scheinen in Hausen politisch keine Chance zu haben, oder?
Link: Das hat sich erst in jüngerer Vergangenheit so ergeben. Wir hatten früher zwei Listen – eine von der CSU und eine von den Freien Wählern. Wir haben ja nur acht Mitglieder im Gemeinderat. Und als ich den Vorschlag machte, dass wir uns auf eine gemeinsame Liste einigen, ist mir der Gemeinderat gefolgt; seither gibt es keine Fraktionen mehr im Gemeinderat. Privat bin ich aber weiterhin Mitglied der CSU und war bis vor zwei Jahren auch Vorsitzender des Ortsverbands. Aber der tritt eben nicht mehr als solcher zu den Wahlen an. Freie Wähler gibt es, aber einen Ortsverband nicht. Und die SPD hätte bei uns sowieso keine Chance (lacht).

BSZ: Gab es bei Ihnen im Rathaus eigentlich schon einen Computer, als Sie 1984 Ihr Amt antraten?
Link: Nein. Das war aber eines der ersten Projekte, das ich mir vornahm, nachdem ich die Verwaltung besichtigt habe: Wir müssen einen PC anschaffen. Und unser Rathaus war damals nicht mal begehbar, eine regelrechte Schrottimmobilie. Das wollte ich unbedingt ändern. 1988 haben wir dann unser neues Rathaus eingeweiht. Allerdings: Die Verwaltungsaufgaben werden hauptsächlich in den Räumen der Verwaltungsgemeinschaft in Fladungen erledigt, auch ich habe da mein Büro. Hier im Rathaus von Hausen gibt es nur ein Sprechzimmer für mich, einen Sitzungsraum für den Gemeinderat und Räume für die Vereine. Über das bayerische Dorferneuerungsprogramm konnte ich umgerechnet drei Millionen Euro in den Ort holen und ein großes Infrastrukturprojekt angehen: Wasser- und Abwasserversorgung beispielsweise, aber auch Grünanlagen sowie Straßen- und Wegebau. Und wir sind Modellgemeinde im Biosphärenreservat geworden.

„Meine allererste Amtshandlung war ein PC-Kauf“

BSZ: Hatte man es als Bürgermeister vor 30 oder 40 Jahren leichter als heute?
Link: Auf jeden Fall. Unter anderem war die Zusammenarbeit mit übergeordneten Behörden – Landratsamt, Bezirksregierung und Ministerium – leichter, der Bürokratismus war nicht so ausgeprägt wie heute. Und die Leute, die dort das Sagen hatten, die waren viel praktischer veranlagt. Heute ist das alles viel zu theoretisch. Wenn früher ein Antrag mit drei Seiten ausgereicht hat, dann müssen es heute zehn Seiten sein – und dann muss man erst mal jemanden haben, der da durchblickt. Ich kämpfe mich schon durch – aber es war früher viel leichter. Als wir beispielsweise 1990 unseren Wasserzweckverband gründeten, da war das noch ein echtes Miteinander mit den übergeordneten Behörden. Das gibt es heute nicht mehr. Da sitzen inzwischen zu viele Theoretiker.

BSZ: Hatten Sie in den knapp 40 Jahren auch Momente, wo Sie dachten: „Ich mag nimmer!“
Link: Das kommt noch heute immer mal wieder vor (lacht). In unserer Verwaltungsgemeinschaft bin ich nur einer von drei Bürgermeistern. Da kann ich mitentscheiden, aber eben manchmal nicht selbst entscheiden. Ich wusste, dass man es anders machen müsste – wurde aber eben überstimmt. Und dann hat es später nicht funktioniert. Aber das muss man akzeptieren. Da denkt man schon mal ans Hinwerfen, aber solche Momente vergehen auch wieder.

BSZ: Solche Verwaltungsgemeinschaften sind ja einerseits sehr hilfreich für kleine Kommunen – aber wenn die Mitglieder nicht annähernd gleich groß sind, dann dominiert die größte Gemeinde die anderen, oder?
Link: Ganz so ist es nicht bei uns, meist sind wir uns einig. Die Stadt Fladungen hat vier Sitze im Verwaltungsrat und wir beiden anderen Gemeinden drei beziehungsweise zwei Sitze. Also können wir zwei Gemeinden die Stadt durchaus überstimmen. Das passiert zwar äußerst selten, weil man sich vorher ausführlich miteinander berät – ab und an aber eben doch. Aber es stimmt: Je größer eine Verwaltungsgemeinschaft ist – manche haben acht oder neun Mitgliedsgemeinden –, desto größer ist auch die Gefahr von Ärger und Verdruss; da kenne ich durchaus Beispiele.

BSZ: Was war die größte Herausforderung in Ihrer Amtszeit?
Link: Die Gemeinde an sich war 1984 – man kann es nicht anders sagen – in einem desolaten Zustand. Da gab es nichts, was man nicht hätte sanieren müssen. Und im Rahmen der Dorferneuerung musste ich drauf schauen, dass sich auch die Privatleute mit einbringen. Das größte Projekt war aber die Wasserversorgung, die war bei uns im Ort zusammengebrochen. Die beiden kleinen Quellen haben nicht mehr hergegeben, was wir brauchten. Wir haben ein großes Hotel im Ort und eine Brauerei, die brauchen natürlich viel Wasser. Dann folgten Probebohrungen, die Verlegung von Fernleitungen et cetera; durch die Einbindung der Nachbarkommunen in den neuen Wasserzweckverband war das dann ein Projekt mit Kosten von umgerechnet 30 Millionen Euro – das ist schon sehr viel für Orte unserer Größe.

„Unser Ort war in einem desolaten Zustand“

BSZ: Sie sprachen das Problem der Wasserversorgung ja schon an – das dürfte gerade bei Ihnen in Unterfranken in den nächsten Jahren noch herausfordernder werden aufgrund des Klimawandels?
Link: Ja, das macht mich schon sehr nachdenklich. Von unseren Mitarbeitern im Wasserzweckverband möchte ich auch immer die aktuellen Messstände wissen, inwieweit die sich weiter absenken. Uns schützt noch die Hochrhön im Hintergrund mit viel Niederschlag – so 750 bis 800 Milliliter Regen pro Quadratmeter in unserem Gemeindegebiet. Es gibt auch viel Wald in der Nähe und einige Quellen. Wir haben also noch ausreichend sauberes Wasser – manchmal etwas eingetrübt, weil wir ja ein Moor in der Nähe haben, aber insgesamt von guter Qualität. Allerdings: Die Regenperioden werden von Jahr zu Jahr kürzer und bleiben mitunter ganz aus. Wir werden wohl über die Runden kommen – aber im Raum Schweinfurt schaut es echt schlimm aus, dort wird es immer trockener und teilweise müssen die Menschen dort im Hochsommer bereits mit Tankwagen versorgt werden.

BSZ: Neben dem Klimawandel ist in Nordbayern der demografische Wandel in vielen Kommunen ein Thema – bei Ihnen auch?
Link: Ja, und wir tun was dagegen. Wir haben zwei Neubaugebiete ausgewiesen. Und im Innenortbereich werden alte Häuser abgerissen, damit junge Leute dort neu bauen können. Ältere Leerstände werden von der Gemeinde aufgekauft und an junge Interessenten weiterverkauft – mit sehr viel Unterstützung für die Sanierung; bis zu 10.000 Euro. Für jedes Kind einer Familie, die baut, gibt es dann nochmals 1000 Euro. Das Programm kommt ganz gut an. Der Bauschutt wird teilweise auf Kosten der Gemeinde entfernt. Hinzu kommen bis zu 35.000 Euro pro Bauprojekt aus dem bayerischen Dorferneuerungsprogramm. Damit lässt sich schon eine ganze Menge machen.

BSZ: Wie schaut es in Hausen mit der örtlichen Infrastruktur aus, mit Gastwirtschaften und Einkaufsmöglichkeiten?
Link: Unsere beiden Gastwirtschaften innerorts in Hausen haben leider aus Gesundheitsgründen aufgegeben. Das ist ein schwerer Verlust – nicht nur aus gastronomischen Gründen, sondern auch für das gesellige Beisammensein im Ort. Dort hat man sich zum Karteln getroffen, unsere Senioren kamen dort nachmittags zusammen. Ich selbst wurde beim Stammtisch zum Bürgermeister auserkoren – nachdem man mich immer wieder bedrängt hat, mich doch aufstellen zu lassen, bis ich endlich nachgegeben habe (lacht). Später habe ich mich dort immer wieder zu den Leuten gesetzt und zugehört – denn da erfährt man, wo der Schuh drückt. Aus der Gastwirtschaft nimmt man als Bürgermeister oft mehr gute Ideen mit als aus der Bürgerversammlung.

BSZ: Gibt es trotzdem Hoffnung für die lokale Gastronomie?
Link: Ja. Für das Brauereistübl im Ortsteil Roth haben wir zum Glück vor einiger Zeit wieder einen Pächter gefunden, in näherer Umgebung gibt es dann noch zwei Ausflugsgaststätten. Und wir haben in Hausen noch einen Bäcker, in dessen Räumlichkeiten sich auch ein Dorfladen befindet, der alles für den täglichen Bedarf vorhält.

BSZ: Waren für Sie auch mal höhere politische Weihen ein Thema – etwa Landrat oder ein Landtagsabgeordneter?
Link: Bürgermeister sein, das hat mir durchgehend Spaß gemacht. Aber als 1990 die Wiedervereinigung kam, da wollten die CDUler im benachbarten Thüringen mich abwerben als Landratskandidat für den Altkreis Meiningen. Das hat mich geehrt, aber es kam für mich nicht infrage. Ich saß auch lang bei uns im Kreistag vom Landkreis Rhön-Grabfeld, auch da hätten sich Möglichkeiten ergeben – aber ich wollte einfach nicht. Ich wollte ausschließlich Bürgermeister sein in meinem Heimatort – dem wohl schönsten in der ganzen Rhön!
(Interview: André Paul)

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