Kommunales

Digitale Kleinsupermärkte wie dieser dürfen in Bayern rund um die Uhr geöffnet sein. (Foto: Rewe)

04.02.2025

"Das Einkaufsverhalten der Leute hat sich geändert"

Georg Straub (Freie Wähler), Bürgermeister im unterfränkischen Hohenroth, über seine Beweggründe für die Petition zu Ladenschlusszeiten digitaler Kleinsupermärkte

Im Zuge der Neufassung des Ladenschlussgesetzes will die Staatsregierung die Rund-um-die-Uhr-Öffnung von digitalen Kleinsupermärkten bis 150 Quadratmeter Größe erlauben. Mehrere Gemeinden im ländlichen Raum halten das für nicht praktikabel und plädieren in einer Petition für eine Erweiterung auf bis zu 400 Quadratmeter. Was sind die Gründe?

BSZ: Herr Straub, Hohenroth hat rund 3600 Einwohner. Wie schaut es bei Ihnen im Ort aktuell mit Einkaufsmöglichkeiten aus?
Georg Straub: Wir haben 3600 Einwohner mit unseren Ortsteilen. Hohenroth selbst hat etwa 2500 Einwohner. Wir haben im Ort keine Einkaufsmöglichkeiten mehr, seitdem unser Tegut-Supermarkt im vergangenen Herbst geschlossen hat.

BSZ: Wo befindet sich der nächstgelegene Supermarkt?
Straub: Der ist in der Kreisstadt Bad Neustadt, ungefähr 2 Kilometer von Hohenroth entfernt.

BSZ: Das klingt jetzt nicht übermäßig weit …
Straub: Das stimmt, aber auch das ist nicht für jeden problemlos erreichbar. Wir haben im Ort Wohnstätten der Lebenshilfe, deren Bewohner können nicht bis nach Bad Neustadt laufen. Auch für unsere älteren Mitbürger ist das ein beschwerlicher Weg. Dazu kommt noch, dass wir in den Räumlichkeiten des geschlossenen Supermarkts noch einen Bäcker haben, der über kurz oder lang schließen wird, wenn kein neuer Ladenbetreiber kommen sollte.

BSZ: Die Staatsregierung will zur Verbesserung der Versorgungslage in Orten wie Ihrem digitale Kleinstsupermärkte mit Rund-um-die-Uhr-Öffnung auch an Sonn- und Feiertagen zulassen. Warum ist Ihnen selbst das noch zu wenig?
Straub: Weil die Größe der Läden auf 150 Quadratmeter beschränkt ist. Das reicht zugegebenermaßen für ein kleines Angebot, aber für Ortschaften wie unsere ist das nicht ausreichend, zumal der Zugang zum Laden und den Waren auch barrierefrei sein sollte. Man braucht also breitere Gänge und niedrige Regale. Außerdem stellt sich uns die Frage, warum die Grenze ausgerechnet bei 150 Quadratmetern gesetzt wird. Das ist nirgends fachlich begründet worden. Warum sind nicht 300 oder 400 Quadratmeter möglich?

BSZ: Möchten Sie diese Erweiterung der Verkaufsfläche auf ganz Bayern haben oder sollte es auf Fälle wie Ihren in Hohenroth beschränkt bleiben?
Straub: Aus meiner Sicht könnte das eine Regelung für ganz Bayern sein.

BSZ: Was ist bei Ihnen im Ort konkret geplant, weshalb Sie sich die Zulassung größerer Verkaufsflächen wünschen?
Straub: Das Unternehmen „Tante Enso“ möchte einen Markt eröffnen. Wir haben uns darum beworben mit der Maßgabe, mindestens 600 Anteilseigner im Ort zu finden, die sich mit mindestens 100 Euro an dem genossenschaftlich organisierten Projekt beteiligen. Das haben wir hinbekommen. Für Tante Enso ist das ein Signal dafür, dass die Bevölkerung hinter dem Projekt steht und das Angebot auch nutzen möchte.

BSZ: Und der Betreiber will das nur umsetzen, wenn die Verkaufsfläche auch sonntags mehr als 150 Quadratmeter groß sein darf?
Straub: Das ist noch nicht endgültig geklärt. Aber natürlich kann man auf 400 Quadratmetern mehr anbieten und profitabler arbeiten als auf maximal 150. Zumal der Sonntag laut Tante Enso nach den Auswertungen in bereits bestehenden Märkten ein besonders umsatzstarker Tag ist.

BSZ: Befürchten Sie zusätzliche Verkehre an Sonn- und Feiertagen aus Orten, in denen es da keine Einkaufsmöglichkeiten gibt?
Straub: Ich halte das für überschaubar. Außerdem befindet sich der Standort ganz in der Nähe einer Kreisstraße, da führt kein Verkehr durch Wohngebiete.

„Unter der Woche darf auf 400 Quadratmetern verkauft werden, am Wochenende begrenzt ein Gitter auf 150“

BSZ: Haben Sie auch die Einrichtung eines ganz normalen Dorfladens erwogen, wie es ihn inzwischen vielerorts gibt?
Straub: Haben wir. Aber die Erfahrungen aus Nachbargemeinden zeigen, dass sich diese Läden nur mit einem großen ehrenamtlichen Engagement der Bürgerschaft betreiben lassen. Da steht schnell die Frage im Raum, wie lange das durchgehalten werden kann. Außerdem funktionieren Dorfläden oft nur dank einer finanziellen Beteiligung der Kommunen. Ein eigenwirtschaftlicher Betrieb ist meines Wissens auch erst ab einer bestimmten Größe möglich.

BSZ: Mal abgesehen vom Interesse des Betreibers: Warum braucht es am Dorf einen am Sonntag geöffneten Vollsortimenter, wo es das nicht mal – von wenigen Ausnahmen abgesehen – in Großstädten gibt?
Straub: Das Einkaufsverhalten der Menschen hat sich geändert. Für Familien, in denen Mann und Frau berufstätig sind, ist das Angebot, am Sonntag in Ruhe einkaufen gehen zu können, durchaus attraktiv.

BSZ: Der Sonntagsschutz ist ein hohes Gut, Kirchen und Gewerkschaften verteidigen ihn vehement. Wie begegnen Sie kritischen Stimmen?
Straub: Ich sehe den Sonntagsschutz nicht betroffen. Am Sonntag funktioniert der Laden ohne Personal.

BSZ: Lässt sich ein Supermarkt mit 400 Quadratmetern tatsächlich ohne Personal betreiben?
Straub: Unter der Woche ist das Personal ja da, nur eben am Sonntag nicht. Wenn am Samstag die Regale noch einmal aufgefüllt werden, kommt man damit gut über den Sonntag.

BSZ: Lassen sich auf 150 Quadratmetern nicht alle wirklich nötigen Dinge des täglichen Bedarfs unterbringen?
Straub: Schon möglich, dass das funktioniert. Man muss dann aber eine enge Produktauswahl treffen, was die Attraktivität einschränkt. Die eigentliche Frage ist doch: Wenn schon geöffnet sein darf, warum muss das dann auf 150 Quadratmeter begrenzt sein? Mir erschließt sich diese Begrenzung nicht.

BSZ: In der Praxis hieße das bei Ihnen, dass unter der Woche tagsüber auf 400 Quadratmetern verkauft würde, und nachts und am Sonntag wird ein Gitter eingezogen, das das Sortiment auf 150 Quadratmeter begrenzt?
Straub: So ist es.

BSZ: Wie groß ist die Unterstützung für Ihre Petition?
Straub: Es stehen viele Gemeinden hinter uns, die dasselbe Problem haben. Es gibt aber auch Rückhalt aus der Bürgerschaft. Aktuell haben wir für unsere Petition schon gut 15 000 Unterschriften bekommen.

BSZ: Haben Sie schon eine Rückmeldung des Gemeindetags?
Straub: Leider sieht der Gemeindetag aktuell keine Veranlassung, an der geplanten 150-Quadratmeter-Regelung zu rütteln. Wir möchten unser Ziel aber trotzdem erreichen, um in der Praxis auf sinnvolle Flächengrößen zu kommen.

BSZ: Gibt es Reaktionen aus den Landtagsfraktionen?
Straub: Bis jetzt nicht. Es gibt aber eine Wortmeldung von Innenstaatssekretär Sandro Kirchner, in dessen Heimatgemeinde ebenfalls ein Tante-Enso-Markt eingerichtet werden soll. Demnach kann sich auch Kirchner flexiblere Lösungen vorstellen.

BSZ: Welche Hoffnungen setzen Sie auf das weitere Petitionsverfahren?
Straub: Dass man entweder unseren Vorschlag übernimmt oder wenigstens flexiblere Lösungen zulässt, damit wir als Gemeinden in einem gewissen Rahmen selbst entscheiden können, mit welcher Größe unsere Läden nachts und an Sonntagen öffnen dürfen. (Interview: Jürgen Umlauft)

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