Kommunales

In Nürnberg ging am Dienstag und Donnerstag aufgrund der Warnstreiks nichts mehr im Nahverkehr. (Foto: DPA)

27.06.2014

"Das geht an die Substanz"

Warum Verkehrsgewerkschaft und kommunale Arbeitgeber so schwer einen gemeinsamen Nenner finden

Wie die beiden Königskinder, die zueinander nicht kommen konnten, sitzen derzeit die Gewerkschaften und der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) in ihren Elfenbeintürmen und hoffen, dass sich einer bewegt, um die nervtötenden Warnstreiks im öffentlichen Personennahverkehr in Augsburg, München und Nürnberg beenden zu können.
„Wir haben ein Angebot vorgelegt und die Gewerkschaften haben den Verhandlungstisch verlassen“, sagt Karl-Heinz Pöverlein, Verhandlungsführer der KAV in Bayern und zugleich Personalvorstand der Nürnberger Verkehrsbetriebe VAG (Verkehrs-Aktiengesellschaft), zur Staatszeitung. Er geht davon aus, dass nach einer Sitzung mit seinen Kollegen aus Augsburg und München ein neues Signal an die Gewerkschaften ausgesendet werden kann.
Darauf hofft Christoph Wallnöfer, stellvertretender Vorsitzender der Nahverkehrsgewerkschaft und ehemaliger Bus-, U- und Straßenbahnfahrer bei der VAG. „Mit dem finanziellen Angebot, das die Arbeitgeber vorgeschlagen haben, sind wir schon ganz zufrieden. Nur wollen wir bei den Arbeitsbedingungen deutliche Verbesserungen für unsere Mitglieder erreichen“, erklärt er.
Das bedeutet konkret, dass vor allem Busfahrer, die laut Tarifvertrag 38,5 Stunden die Woche arbeiten, von ihren derzeit rund 42 Stunden realer Wochenarbeitszeit herunterkommen. Denn solche Dinge wie Kassenbestände einzahlen, Fahrzeuge für den Einsatz bereit machen oder von einem Diensteinsatz zum anderen quer durch die Stadt fahren zu müssen, werden nur pauschal und viel zu gering abgegolten, so Wallnöfer. „Da fängt zum Beispiel ein Busfahrer um 5.13 Uhr an und fährt den gesamten morgentlichen Berufsverkehr. Dann hat er drei bis vier Stunden Pause, um dann bis 19 Uhr den abendlichen Berufsverkehr zu fahren. Das geht an die Substanz“, betont der ehemalige Fahrer.

Mitarbeiter laut Umfrage zu 90 Prozent zufrieden


„Diese so genannten geteilten Dienste gibt es und sie machen bei uns etwa zehn Prozent aus“, räumt Pöverlein ein. Früher wären die Fahrer in den Pausenzeiten einfach nach Hause gegangen, weil sie alle aus Nürnberg kamen. Doch heute würde sich das für viele nicht lohnen, da sie teils aus Forchheim, Neumarkt/Oberpfalz oder anderen Umlandgemeinden Nürnbergs kommen. „Darum haben wir ein System der Wunschdienste eingeführt. Das kann aber nur zu 70 Prozent die Wünsche der Fahrer berücksichtigen, da sonst immer die gleichen profitieren würden“, erklärt der VAG-Personalvorstand. Dennoch hätten die VAG-Mitarbeiter bei einer internen Umfrage vor Kurzem 90 Prozent Zufriedenheit angegeben.
„Man muss aber auch ganz klar sagen, dass es für die Fahrer vor einigen Jahren noch besser war“, sagt Pöverlein. Damals war vor der Liberalisierung. Seit die Linien europaweit ausgeschrieben werden müssen, habe sich die VAG wie andere deutsche Verkehrsbetriebe auch dem Wettbewerb stellen müssen. Das bedeutet ganz konkret, dass es im Großraum Nürnberg gelungen ist, einen französischen Wettbewerber abzuwehren, die in Fürth und Erlangen die Buslinien übernehmen wollte. Aus dieser Wettbewerbssituation heraus resultieren viele Nachteile, die die Fahrer jetzt erleiden müssen. „Doch wir können unseren Mitarbeitern nicht unbegrenzt entgegenkommen“, betont Pöverlein. Denn sonst könnte die Stadt Nürnberg bei der nächsten Ausschreibung des ÖPNV in der Frankenmetropole vielleicht nicht mehr die VAG berücksichtigen.
Das jetzt vorgelegte Angebot von drei Prozent mehr Geld rückwirkend zum 1. Juni 2014, mindestens aber ein Plus von 90 Euro im Monat (damit würden untere Lohngruppe auf ein Plus über drei Prozent kommen) und ein weiteres Plus von 2,4 Prozent zum 1. Juni 2015, bedeutet für die VAG Mehrkosten von insgesamt 8,9 Millionen Euro. Mit diesem Angebot übernimmt der KAV den Abschluss für den öffentlichen Dienst, der in Potsdam ausgehandelt wurde.
Mit ihren 24-stündigen Warnstreiks in Nürnberg am Dienstag und Donnerstag wollten Verdi und die Nahverkehrsgewerkschaft die Verhandlungsbereitschaft von Pöverlein beflügeln. Denn er sollte vor Ort erfahren, was es bedeutet, wenn gestreikt wird und in der Frankenmetropole nichts mehr geht.
Im Übrigen geht es den Fahrern in Augsburg, München und Nürnberg noch vergleichsweise gut. Denn in Würzburg und anderen Kommunen sind die Arbeitgeber aus dem Tarifvertrag Bayern ausgestiegen. Das bedeutet, dass die Arbeitsbedingungen für die Fahrer dort noch schlechter sind. (Ralph Schweinfurth)

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