Kommunales

Landrätin Andrea Jochner-Weiß vor einem Wimmelbild: Sie zeigt auf die berühmte Wieskirche bei Steingaden. (Foto: Schweinfurth)

15.11.2024

"Das Konnexitätsprinzip muss eingehalten werden"

Weilheim-Schongaus Landrätin Andrea Jochner-Weiß (CSU) über Asyl, Gesundheitsversorgung und Finanzen

Der Landkreis Weilheim-Schongau liegt idyllisch zwischen den Alpen und der bayerischen Landeshauptstadt München. Doch inmitten dieser herrlichen Naturkulisse muss Landrätin Andrea Jochner-Weiß (CSU) mit ihrem Team diverse Herausforderungen meistern. Wir sprachen mit ihr darüber, wo der Schuh drückt.

BSZ: Frau Jochner-Weiß, welche aktuellen Herausforderungen müssen Sie in Ihrem Landkreis bewältigen?
Andrea Jochner-Weiß: Asyl, Gesundheitsversorgung und Finanzen – aber der Reihe nach. Beim Thema Asyl versuchen wir, gemeinsam mit unseren Bürgermeistern im Landkreis die Menschen zu verteilen. Dabei achten wir darauf, dass die Geflüchteten gerecht auf die Ortschaften verteilt werden und die Gemeinden nicht überfordert werden. Wir setzen auf kleine Einheiten. Turnhallen mussten wir bisher noch nicht belegen. Das Problem ist, dass alle zwei Wochen ein Bus mit 50 Menschen ankommt, die untergebracht werden müssen. Deutschland ist innerhalb Europas eben zu attraktiv für geflüchtete Menschen. Wenn europaweit die gleichen Sozialleistungen für Asylbewerbende gezahlt würden, wäre das Problem hierzulande nicht so drängend. Somit fehlt immer mehr Geld in den öffentlichen Kassen, was zu Leistungseinschränkungen führt.

BSZ: Wie sehen die aus?
Jochner-Weiß: Wir haben erst vor ein paar Tagen den Landkreishaushalt für das kommende Jahr aufgestellt und so gekürzt, dass er genehmigungsfähig wird.

BSZ: Wie äußert sich das?
Jochner-Weiß: Zum Beispiel im Hinblick auf unsere Baumaßnahmen, bei denen wir deutlich zurückfahren müssen. Hier können wir nur noch die begonnenen Baumaßnahmen fertigstellen. Auch stehen keine großen Straßensanierungsmaßnahmen im Haushalt. Bei anstehenden Sanierungen in Schulgebäuden werden wir ähnlich verfahren. Dann wird statt einer Generalsanierung eben nur abschnittsweise vorgegangen, indem man beispielsweise nur die sanitären Einrichtungen erneuert. Das ist aber gerade für Penzberg tragisch. Dort müsste das Schulzentrum nämlich dringend saniert und erweitert werden. Jetzt können wir dafür nur die Planungen vorantreiben, aber nicht in die Umsetzung einsteigen. Genauso verhält es sich beim Förderzentrum in Altenstadt und dem nötigen Ersatzneubau für die Realschule Peißenberg. In Peißenberg haben wir beim Schulzentrum vor vielen Jahren Container aufgestellt – als Übergangslösung. Die stehen jetzt immer noch. Nichtsdestotrotz hatten wir bei einigen Projekten auch Glück und es gibt gute Nachrichten.

Bayerns modernste Berufsschule

BSZ: Inwiefern?
Jochner-Weiß: Dass wir unsere neue gewerblich-technische Berufsschule in Weilheim, die rund 73 Millionen Euro gekostet hat, vor zwei Jahren einweihen konnten. Sie soll, so sagt man, die modernste in ganz Bayern sein. Der Prozess von den ersten Planungen bis zur Fertigstellung hat rund zehn Jahre gedauert. Damit haben wir für unsere vielen Handwerksbetriebe und die jungen Leute beste Voraussetzungen für ihre Ausbildung und Weiterentwicklung geschaffen.

BSZ: Kommen wir noch einmal zu Ihren eingangs genannten drei Herausforderungen. Was ist im Bereich der Gesundheitsversorgung zu tun?
Jochner-Weiß: Die Krankenhausreform soll jetzt endlich verabschiedet werden. Dann kann man immer noch Korrekturen vornehmen. Das Paket von einer neuen Bundesregierung noch einmal aufschnüren zu lassen, würde sehr viel Zeit und wohl auch Geld kosten. Wenn unsere Krankenhäuser durch die Bundesregierung nicht sofort ausreichend finanziert werden, wird das Krankenhaussterben nicht nur in Bayern dramatische Ausmaße annehmen. Wir haben bei uns im Landkreis die Transformation zu einem ambulanten Haus in Schongau und einem stationären in Weilheim bereits vollzogen. Trotzdem muss der Landkreis das jährliche Defizit der Krankenhaus GmbH – aktuell 13 Millionen Euro – ausgleichen.

BSZ: Damit sind wir schon bei der von Ihnen erwähnten dritten Herausforderung, den Finanzen. Was muss passieren?
Jochner-Weiß: Das Konnexitätsprinzip muss eingehalten werden, sprich: Der Freistaat muss uns die Kosten für die Leistungen erstatten, die wir für ihn erbringen. Das betrifft Personal für die Bereiche des staatlichen Landratsamts, wie zum Beispiel Asyl und Integration, Naturschutz, Veterinäramt, Gesundheitsamt oder auch öffentliche Sicherheit und Ordnung. Insgesamt sind es aktuell 8 Millionen Euro pro Jahr, die uns nicht erstattet werden.

PPP-Modelle noch nicht in Anspruch genommen

BSZ: Wenn das Finanzproblem immer drängender wird, müssten Sie dann nicht auch über PPP-Modelle, also private Betreibermodelle, nachdenken, um etwa das Schulzentrum in Penzberg zu sanieren? Schließlich ist Penzberg mit dem Pharmariesen Roche ein wirtschaftliches Kraftzentrum im Landkreis und die dortigen Mitarbeitenden erwarten ja gute Schulen für ihren Nachwuchs.
Jochner-Weiß: Bisher haben wir das PPP-Modell noch nicht in Anspruch genommen. Jetzt wurde ja entschieden, dass der Freistaat im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs mehr Geld geben wird. Das hilft uns natürlich enorm weiter. Wenn es wirtschaftlich aber so weitergeht, steht es in den Sternen, ob wir in den kommenden Jahren noch handlungsfähig sein werden.

BSZ: Genauso wie die Frage, ob Sie noch genügend Personal bekommen.
Jochner-Weiß: Richtig. Früher haben wir auf eine Stellenausschreibung 20 Bewerbungen erhalten, heute sind es nur noch zwei. Darum setzten wir zunehmend auf Quereinsteiger, Nachqualifizierung und eigene Ausbildung. An dieser Stelle muss ich einmal die jungen Leute loben. Die sind top. Sie sind fleißig, teamfähig und sozial sehr engagiert. Neben vielen anderen amtsinternen Events veranstalten sie zum Beispiel den Amtsfasching. Aber das Personalproblem wird nicht kleiner, da in den kommenden Jahren viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ruhestand gehen werden.

BSZ: Kann Digitalisierung helfen?
Jochner-Weiß: Sicher. Ja, wir fassen jetzt auch künstliche Intelligenz ins Auge, die einfache Arbeiten übernehmen soll.

BSZ: Springen wir einmal zu Tourismus und Verkehr. Was muss in diesen Bereichen angegangen werden?
Jochner-Weiß: Wir sind mit der Bahn hervorragend angebunden. Mit der Werdenfelsbahn kommt man nach Garmisch-Partenkirchen beziehungsweise München, mit der Pfaffenwinkelbahn nach Peißenberg und mit der Ammerseebahn in Richtung Augsburg. Allerdings haben wir auf den Hauptverkehrsadern zu den Stoßzeiten akute Stauprobleme, wie zum Beispiel auf der B 2 durch Weilheim. Eine Umgehungsstraße für die Stadt ist seit 2016 geplant und befindet sich im Bundesverkehrswegeplan. Aufgrund von Diskussionen in puncto Umweltschutz geht derzeit aber nichts voran.

Tourismus ist ein wichtiger Baustein

BSZ: Dann akzeptieren die Menschen lieber die Feinstaubbelastung durch die sich stauenden Autos in der Ortsmitte?
Jochner-Weiß: Offensichtlich. Bei den ÖPNV-Bussen, die sich derzeit noch sehr am Schülerverkehr orientieren, müssen wir noch nachbessern. Einen großen Schritt in der Mobilität gehen wir ab dem 1. Januar 2025 mit dem Beitritt zum Münchner Verkehrsverbund MVV – das ist auch Teil des erarbeiteten Mobilitätskonzepts. Mit dem landkreisübergreifenden „Blauen-Land-Bus“ setzen wir auf ersten On-Demand-Verkehr – eine Rufbustechnik, die uns in Zukunft voraussichtlich noch mehr unterstützen wird.

BSZ: Davon werden auch die Touristen profitieren.
Jochner-Weiß: Ganz klar ist da der Tourismus für uns ein wichtiger Baustein. Seit der Corona-Krise verzeichnen wir überall steigende Übernachtungszahlen. Allerdings haben wir hier nicht die Vielzahl an attraktiven Hotels. Unsere Region kann aber zum Beispiel mit landwirtschaftlichen Betrieben punkten, die „Urlaub auf dem Bauernhof“ in hoher Qualität anbieten. Dazu kommen hochwertige Pensionen und Gasthöfe – das wird zum Beispiel von vielen Menschen aus München für ein verlängertes Wochenende genutzt.

BSZ: Dass attraktive Hotels fehlen, ist erstaunlich, da doch die Wirtschaftsstruktur im Landkreis sehr breit aufgestellt ist.
Jochner-Weiß: Ja, wir haben vom Weltkonzern Roche über einen gesunden Mittelstand mit vielen Hidden Champions und vielen traditionellen Handwerksbetrieben auch noch eine intakte Landwirtschaft.

BSZ: Welche Hidden Champions gibt es denn bei Ihnen im Landkreis?
Jochner-Weiß: Oh, da gibt es tatsächlich viele mit Weltruf. Etwa den Maschinenbauer Schröder Group in Wessobrunn-Forst, die Hirschvogel Umformtechnik in Schongau, die hg medical Implantate in Raisting, die Motorenfirma Bauer Unternehmensgruppe in Weilheim, den Treibwerk-Hersteller aerotech in Peißenberg, gaplast-Verpackungen oder ept Elektronikbauteile in Peiting – um nur einige zu nennen.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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