Dass der Kampf gegen den Klimawandel auch einen Umstieg vom eigenen Auto auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bei deutlich mehr Menschen notwendig macht, ist eine Binsenweisheit. Doch wie die Leute dazu motivieren? Einige bayerische Kommunen gehen dabei den Weg, etwa ihren Busverkehr kostenlos anzubieten – ein nicht ganz risikoloses Unterfangen. Denn solche Projekte setzen solide Finanzen voraus – die aufgrund der Gewerbesteuereinbrüche infolge von Corona immer weniger gegeben sind. Nur selten sind solche Offerten von Dauer.
Außerdem beäugte der Freistaat derartige Großzügigkeit schon immer etwa skeptisch und tut es jetzt noch mehr – nach dem Motto: Denen scheint es ja gut zu gehen, die brauchen wohl keine finanzielle Unterstützung von der Landesregierung mehr.
Zuletzt boten einige Landkreise im Münchner MVV, darunter Fürstenfeldbruck, an Sonntagen kostenlosen Busverkehr. Das wurde zwar gut angenommen von der Bevölkerung, wird aber wohl temporär bleiben. Von 2018 bis 2020 bot das unterfränkische Aschaffenburg an Samstagen kostenlosen Busverkehr an.
Die oberbayerische Kreisstadt Pfaffenhofen a. d. Ilm gehört beim dauerhaften kostenlosen Busverkehr zu den bayernweiten Vorreitern. Los ging es im Dezember 2018. Im Jahr davor hatte die heute knapp 27000 Menschen zählende Kommune die sogenannte Kleine Landesgartenschau ausgerichtet – und mit den kostenlosen Stadtbussen guter Erfahrungen gemacht.
Nirgendwo wirklich kostendeckend
„Wenn man als Stadt ein solches kostenfreies Angebot macht, ist es immer die Kunst, dem Freistaat zu begründen – warum“, erläutert Pfaffenhofens Geschäftsleitender Beamter Florian Erdle. Denn sonst läuft die Kommune Gefahr, die allgemeine ÖPNV-Förderung des Freistaats zu verlieren. Hintergrund: Der ÖPNV ist nirgendwo in Bayern wirklich kostendeckend, auf Einnahmen zu verzichten wirkt da zunächst etwas befremdend.
Wobei die Pfaffenhofener diesen Schritt nicht nur aus reiner Großzügigkeit gingen. Wie kaum eine eher ländlich geprägte Kommune erstickt die Stadt im Autoverkehr. Selbst Bürgermeister Thomas Herker (SPD) meinte mal nur halb im Scherz über seine Mitbürger*innen: „Die Pfaffenhofener fahren mit dem Auto sogar aufs Klo.“ Eibe Verhaltensweise, die man in der autoaffinen Kommunalpolitik früherer Zeiten zumindest sehr verständnisvoll betrachtete.
Zum 1. Januar dieses Jahres waren im gleichnamigen Landkreis 134 000 Autos zugelassen – bei nur knapp 130 000 Bewohnenden. Ein Wahnsinn: Denn das bedeutet eine Pkw-Dichte von rund 1,03 Fahrzeugen pro Person – von der 90-jährigen Oma bis zum Säugling. Pfaffenhofen kann sich so mit dem fragwürdigen Titel des Landkreises mit der höchsten Autodichte in ganz Deutschland schmücken.
Die Kreisstadt ist dank ihrer jeweils direkten Zugverbindung ein Drehkreuz für Berufspendelnde nach München und Ingolstadt. Schon kurz nach 6 Uhr morgens waren die Straße und Wege rund um den Bahnhof zugeparkt.
Fahrtzeiten abgestimmt auf den regionalen Schienenverkehr
Doch das kostenlose Busangebot habe hier durchaus für Entspannung gesorgt, berichtet Florian Erdle: „Im Dezember 2019 wurden 28 000 Fahrgäste in zwei Wochen gezählt. Allerdings hat sich durch Corona die Fahrgastzahl deutlich reduziert; eine ganz aktuelle Zählung wird wieder im November stattfinden. Die Erhebung vom Frühjahr 2019 dokumentiert 22 650 Fahrgäste in zwei Wochen; im Vorjahr 2018 waren es 10 000 im gleichen Zeitraum.“ Weil die Busverbindungen zu den Ortsteilen auch gut auf die Fahrtzeiten der Regionalzüge abgestimmt seien, könne nun auch die Bewirtschaftung der Parkraumflächen rund um den Bahnhof ins Auge gefasst werden. Sprich: Die Zeit der Kostenlosigkeit ist vorbei. Das ist auch ein wichtiges Signal an den Freistaat, dass man als Kommune durchaus mögliche Einnahmquellen erschließe.
Mit der geplanten Neuorganisation für das Jahr 2022 soll es im Pfaffenhofener Busverkehr drei Linien geben – bei zwei Linien zwei Fahrten pro Stunde und bei einer Linie drei Fahrten pro Stunde sowie drei Expresslinien; sogenannte Bedarfsverkehrslinien. Sechs sogenannte Midibusse und fünf Kleinbusse werden dann im Einsatz sein. Freilich: „Tagsüber unter der Woche sieht man die Buslinien schon häufig fast leer durch die Stadt fahren“, berichtet der Geschäftsleitende Beamte. Er ist aber trotzdem zuversichtlich, das kostenlose Angebot weiter aufrecht erhalten zu können – trotz Einbußen infolge der Pandemie sei das Stadtsäckel noch ausreichend gefüllt.
Nicht ohne weiteres geeignet zum Nachmachen
Ohne weiteres nachziehen können andere kreisangehörige Städte allerdings nicht. Denn nach Artikel 8 des ÖPNV-Gesetzes ist dieser Aufgabe der Landkreise, nicht der Gemeinden. Die Stadt Pfaffenhofen hat für den nur im eigenen Stadtgebiet verkehrenden Stadtbus eine sogenannte Sondergestattung erhalten. Bedingung ist, dass der Busverkehr auf das Gebiet der Stadt beschränkt bleibt. „Aber seit der Erweiterung des Rufbusses im Oktober 2019 haben praktisch alle Pfaffenhofener Bürgerinnen und Bürger eine Stadtbus- oder Ortsteil-Rufbus-Haltestelle in ihrer Nähe“, berichtet Florian Erdle stolz. Wenngleich das nicht ganz billig ist: Jährlich rund 2,1 Millionen Euro muss er dafür berappen.
Dass es genau dafür extra Geld vom Freistaat gibt – unwahrscheinlich. Man fördere zwar jährlich mit 30 Millionen Euro die Beschaffung von Linienbussen, so eine Sprecherin von Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU). Und bis einschließlich 2022 stehen zusätzliche Mittel für mit Luftverschmutzung belastete Städte zur Verfügung. Zusätzlich würden „innovative Projekte und nachhaltige Angebote“ – etwa die Förderung von E-Ticketing, die Einführung einer kostenfreien Cityzone oder die Integration von Car- und Bikesharing in das bestehende Abo – der Aufgabenträger mit rund 65 Millionen Euro im Jahr gefördert. Aber die Kosten eines komplett kostenfreien Busverkehrs wird Schreyers Haus nicht kompensieren. Die Städte werden also weiter selbst kreativ werden und zahlen müssen, wenn sie das Auto stärker zurückdrängen wollen. (André Paul)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!