Kommunales

Für einen Großteil der Suizide in Deutschland war eine Depression der Auslöser. (Foto: dpa)

26.05.2016

Depression hat viele Gesichter

Bezirketagspräsident Mederer fordert mehr Aufklärung und zusätzliche Hilfsangebote

Immer mehr Menschen werden auch in Bayern auf Grund psychischer Probleme krankgeschrieben.“ Diese Meldung war in den vergangenen Wochen landauf, landab zu lesen. Jeder 20. Arbeitnehmer wurde nach einer Studie somit wegen unterschiedlicher seelischer oder ähnlicher Erkrankungen arbeitsunfähig geschrieben. In Deutschland hat sich danach seit dem Jahre 1997 die Zahl der Fehltage verdreifacht.

Schon lange verweist etwa der renommierte Kinder- und Jugendpsychiater, der Direktor des Heckscher Klinikums in München, Professor Freisleder, darauf hin, dass einer der Gründe für die signifikante Zunahme der Fallzahlen darin zu sehen sei, dass psychische Krankheiten heutzutage früher und deutlicher erkannt und somit auch behandelt würden. Das betreffe Heranwachsende wie Erwachsene gleichermaßen.

Dabei fällt allerdings auf, dass die Zahl der Fehltage im Berufsleben in Folge diverser seelischer Erkrankungen umso höher ausfällt, je älter die Personen sind. Bei den über 60-jährigen weiblichen Patienten waren es 445 Ausfalltage, bei den Männern 295. In der Gruppe der 15 bis 20-Jährigen wurden 115 beziehungsweise 58 Ausfallzeiten festgestellt.

Neben dem Anwachsen sogenannter Burn-Out-Fälle stehen klassische depressive Leiden nach wie vor im Mittelpunkt. Dabei ist die Depression eine Erkrankung, die mit unterschiedlichen Belastungen der Betroffenen und einem – für den Gesunden kaum nachvollziehbaren – Leidensruck einhergeht. Wer depressiv ist und dies auch nach außen hin in seinem privaten oder gar beruflichen Umfeld zu erkennen gibt, wird nicht selten sehr bald stigmatisiert.

„Das allein zeigt schon, dass wir auch als Bezirke in unseren Facheinrichtungen stationär wie ambulant immer noch mehr tun müssen, um seelische und psychische Krankheiten aus der Tabu-Zone heraus zu holen. Wer depressiv ist, muss sich für nichts schämen! Vielmehr benötigt er Akzeptanz, Hilfe, Rat und Beistand, um mittels moderner Therapien und Betreuungsangeboten wieder zu gesunden“, so Bayerns Bezirketagspräsident Josef Mederer, der in seinem weiteren Amt als oberbayerischer Bezirkstagspräsident nur zu genau darum weiß, was Kliniken, Ambulanzen, psycho-soziale Dienste und viele andere mehr leisten, um den Betroffenen zu helfen.

Es liegt nicht am Lebenswandel

Dabei sei es wichtig, vor allem das die Depression umgebende Unwissen zu beseitigen, so Mederer. So trifft es, wie eine wissenschaftliche Untersuchung kürzlich zeigte, nicht zu, dass – wie eine Mehrheit der nicht betroffenen Bundesbürger glaubt – eine falsche Lebensführung oder eine wie auch immer geartete fehlende Selbstdisziplin im eigenen Leben wichtige Ursachen für eine Depression seien. Symptome wie Antriebsarmut, Gleichgültig am allgemeinen Leben, Freudlosigkeit und soziale Abschottung werden als „generelles Desinteresse“ der erkrankten Menschen fehlinterpretiert – und zwar im Privaten wie oft genug auch im Berufsalltag.

Umso stärker fühlen sich viele Depressive, die gar nichts dafür können, so erkrankt zu sein, unverstanden – und ziehen sich erst recht immer mehr zurück. „Es gibt auch bei der Depression, egal, ob im Kinder- oder Erwachsenenalter, kein homogenes Krankheitsbild. Jeder Fall ist ein Einzelfall, der einer individuellen Behandlung und menschlichen Wertschätzung bedarf“, so formulierte es Professor Freisleder einmal. Mitentscheidend dabei ist, dass psychische Erkrankungen auch in den Medien nicht zum Spielball schneller Schlagzeilen und vorgefasster Urteile werden.

Dabei, so das Ergebnis einer Studie, ist festzuhalten, wie tief verankert die Ausgrenzung von Menschen mit Depressionen oder auch anderen ähnlichen Erkrankungen in einer Welt ist, in der persönliche Verwirklichung als Norm schlechthin angesehen wird und jede Andersartigkeit davon als „defizitär“ wahrgenommen wird. Dem allem immer wieder entgegen zu wirken, hier Aufklärung zu leisten, was die moderne Psychiatrie heute leisten kann, bleibt umso mehr Aufgabe der Bezirke in ihrem Selbstverständnis, das Sprachrohr für all jene zu sein, die zum Beispiel auch durch eine Erkrankung ins Abseits der Gesellschaft zu geraten drohen“, so Präsident Mederer. (Ulrich Lechleitner) Die vollständigen Seiten des Bayerischen Bezirketags Teil 1 Die vollständigen Seiten des Bayerischen Bezirketags Teil 2

Kommentare (1)

  1. rustyoldguy am 15.05.2016
    Die meisten psychischen Problem haben Ursachen die auf eine längere Einwirkung beruhen. Steter Tropfen höhlt den Stein.
    Das gilt auch für die menschliche Seele. Erst Recht in Zeiten unsicherer Arbeitsplätze. Gerade bei Arbeitnehmern sind es
    oft Probleme, die man längere Zeit in sich hinein frisst. Zum Beispiel Mobbing oder gar Bossing. Niemand ist aus Eisen.
    Auch nicht der beste Arbeitnehmer.

    Ein Beispiel:
    Als ich meine Umschulung machte, war ich vorher in einem sogenannten Vorkursus, damit ältere das "Lernen" wieder lernen. Bei der 14-köpfigen Klasse waren ganze drei Leute aus dem Pflegebereich, eine Fremdsprachen-Korrespondentin
    sowie eine Lehrkraft. Aber bereits Jahre vor der Flüchtlingswelle war zum Beispiel verstecktes Mobbing eine beliebte Art
    sich Konkurrenten vom Hals zu schaffen, um den eigenen Arbeitsplatz zu sichern. Sehr selten bekommt dabei der Vorgesetzte davon Wind oder unternimmt etwas. Um den eigenen Arbeitsplatz zu schützen, werden die Probleme zunächst jahrelang heruntergeschluckt, bis es dann dadurch echte gesundheitliche Probleme wie Magengeschwüre, Einschlafprobleme, Alkoholismus hervorbringt. Das trifft momentan meist die ältere Generation von Arbeitnehmern, da diese nicht so einfach "alles hinwerfen" kann, aus sicherlich allen verständlichen Gründen. Solche negativen Beispiele schrecken dann gerade jüngere Arbeitnehmer ab, Berufe in gewissen Sparten zu wählen.

    Zu Recht, die eigene Gesundheit geht vor. Kein Job der Welt ist es Wert, sich dafür die Gesundheit total zu ruinieren,
    die gibt einen hinterher keiner mehr zurück oder bezahlt einem den Verlust, das sollte man doch dabei bedenken.
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