Kommunales

Vor allem Kinder und ältere Menschen mit schwachem Immunsystem sind gefährdet. (Foto: Bilderbox)

19.04.2013

Die Krankheit aus dem Duschkopf

Legionellen sind in Bayern auf dem Vormarsch – 14 Prozent aller untersuchten Leitungen enthalten die gefährlichen Bakterien

Noch bis Anfang Mai gilt für die 500 Bewohner der Wohnanlage Donaucenter in Neu-Ulm ein Duschverbot. Der Grund: Bei einer Überprüfung wurde eine gefährlich hohe Anzahl von Legionellen im Trinkwassersystem festgestellt. Die Vorkehrung wirkt zunächst vielleicht übertrieben, doch laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts wurden 2012 insgesamt 649 Legionellose-Erkrankungen gemeldet. Darüber hinaus gehen die Wissenschaftler von einer hohen Dunkelziffer aus.
Hilfe sollte die Neuregelung der Trinkwasserverordnung bringen: Besitzer von Mehrfamilienhäusern mit einem Warmwasserspeicher größer als 400 Liter müssen bis spätestens Dezember 2013 eine erste und anschließend mindestens alle drei Jahre eine weitere Keimuntersuchung durchführen lassen. Arg teuer ist die nicht, 50 Euro plus Fahrtkosten. Wenn Vermieter ihrer Prüfungspflicht nicht nachkommen, können von den kommunalen Gesundheitsämtern Bußgelder verhängt werden. Aufgrund der Novelle rechnen Experten in Zukunft mit einer erheblichen Zunahme von Duschverboten und Engpässen in den Laboren zum Jahresende.
Der Erreger ist klein, aber sehr gefährlich: Bei Legionellen handelt es sich um Stäbchenbakterien im Grundwasser, die sich von Natur aus in geringer Zahl im von den Wasserwerken gelieferten Trinkwasser befinden können. Hauptinfektionsweg ist das Einatmen so genannter Aerosole, die am Wasserhahn oder beim Duschen in die Lunge gelangen können. Besonders anfällig sind Aufbauten wie Whirlpools, Rutschen oder Klimaanlagen mit einer Wasserversprühung.
Erste Symptome: Husten, Fieber, Gliederschmerzen, Durchfall und im schlimmsten Fall die eigentliche „Legionärskrankheit“ mit einer schweren Lungenentzündung. Zuletzt starben 2010 im Umkreis von Neu-Ulm fünf Menschen durch eine Ansteckung an einem Rückkühlwerk. Trinkwasser sollte deshalb zum Beispiel mit einen Wärmetauscher erst zum Zeitpunkt des Verbrauchs erhitzt werden. Ansonsten können sich die Bakterien an Kalkausfall, Schlämmen oder Korrosionsprodukten in gesundheitsgefährdendem Ausmaß auf über 100 Legionellen pro 100 Milliliter vermehren. Bei der Nachkontrolle von positiven Laboruntersuchungen entdeckte das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) im Jahr 2012 dann in 14 Prozent der insgesamt knapp 3000 Proben eine Zielwertüberschreitung. „Aus diesen Ergebnissen lässt sich naturgemäß kein Rückschluss auf die allgemeine Trinkwasserqualität ziehen, da es sich um eine risikoorientierte Entnahme handelt“, betont ein Sprecher des LGL.

Wohnungsbesitzer drohen: Mieten können steigen


Dennoch muss in solchen Fällen das örtliche Gesundheitsamt informiert werden, welches Hauseigentümern vor Ort bei der Ursachenforschung hilft. Meistens entstehen Legionellen durch Korrosion an den Materialien, Wasserstagnation oder mangelnde Dämmung der Warm- und Kaltwasserleitungen. Für effektive Gegenmaßnahmen rät das Umweltbundesamt – je nach Befund – zu starker Erhitzung, den Einsatz von Chlor oder UV-Bestrahlung zur Desinfektion des kontaminierten Wassers.
Das Referat für Umwelt und Gesundheit der Stadt München schätzt die Zahl der in der Landeshauptstadt zu untersuchenden Großanlagen auf bis zu 50 000. Zwar bemerken die zertifizierten Prüflabore – etwa die Münchner Stadtwerke – eine erhöhte Nachfrage nach Begutachtungen. Doch obwohl die Frist in einem Dreivierteljahr ausläuft, wurden bislang erst rund 3500 Befunde mitgeteilt. Der TÜV Süd rechnet deswegen mit Engpässen bei der Probenentnahme gegen Ende des Jahres.
Besonders alarmierend bei den bisherigen Kontrollen: Bei mehr als der Hälfte war der technische Maßnahmenwert überschritten. „Wir stellen einen deutlichen Anstieg der Meldungen von extrem hohen Legionellenkontaminationen in Warmwasserleitungen fest“, mahnt Katrin Zettler, Sprecherin des Umweltreferats. Diese Hausverwaltungen müssten angesichts der Gefährdung unverzüglich alle angeschlossenen Verbraucher warnen. Allerdings war die Zunahme von auffälligen Resultaten nicht nur in München erwartet worden: „Wo mehr geprüft wird, kommt auch mehr ans Licht“, erklärt Zettler. Da durch die Novelle die Anzeigepflicht für Großanlagen ersatzlos entfallen ist, nennt das Bundesgesundheitsministerium die Neuregelung „praxisgerechter“ und „weniger bürokratisch“.
Der bayerische Landesverband der freien Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) wünscht sich trotzdem eine weitere „Optimierung“ des Gesetzes. „Uns ist es wichtig, dass vertragliche Komplettlösungen angestrebt werden und hierdurch eigene Haftungsrisiken minimiert werden“, fordert Geschäftsführer Thomas Geppert.
Noch deutlichere Worte findet der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen. Sein Vorwurf: Der Gesetzgeber habe den Aufwand für die Prüfung der Anlagen offenbar unterschätzt und den Gesundheitsämtern zu viele Aufgaben zugewiesen. „Bei vielen erhöhten Befunden sind nicht die Trinkwasseranlagen insgesamt das Problem, sondern das Verbrauchsverhalten der Mieter“, glaubt Sprecher Tobias Straubinger. Ähnlich wie bei der Vorbeugung von Schimmel durch häufiges Lüften, sollten die Bewohner auch regelmäßig alle Wasserleitungen nutzen. Straubinger ist sich aus diesem Grund sicher: „Die Trinkwasserverordnung stellt eine zusätzliche Belastung für die Wohnungsunternehmen dar, die das Wohnen verteuert.“
(David Lohmann)

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