Kommunales

Eine Altenpflegerin im Fritz-Rupprecht-Heim in Fürth hilft einer demenzkranken Frau beim Essen: Niemand kommt der vulnerabelsten Gruppe in der Bevölkerung, den Hochbetagten, so nah wie die Pflegekräfte. (Foto: dpa/Daniel Karmann)

25.01.2021

"Die Virologen tragen zur Verunsicherung bei"

Peter Korzinek, Chefarzt des Impfzentrums für den Landkreis Pfaffenhofen, über die Angst der Pflegekräfte vor dem Pieks

Überdurchschnittlich viel medizinisches Personal lehnt eine Corona-Impfung ab. Warum ist das so? Der Impfarzt Peter Korzinek versucht, Pflegende und Beschäftigte in Praxen mit Argumenten zu überzeugen und ihnen die Angst zu nehmen.

BSZ Herr Korzinek, warum haben Praxen- und Pflegekräfte vor dieser Impfung solche Angst?
Peter Korzinek Ich glaube, dass die Angst vor dieser Impfung auf mangelnder Aufklärung beruht. Ich habe in meiner Tätigkeit als Impfarzt auch immer wieder die gleichen Fragen beantworten müssen: Warum wurde der Impfstoff jetzt so schnell zugelassen? Kann ich noch gesunde Kinder kriegen? Macht es in meinem Körper Genveränderungen? Leider gab es in den Medien bisher darauf keine Antworten. Da das erste Mal ein mRNA-Impfstoff geimpft wird, hätte ich mir mehr Aufklärung und Beiträge in für jedermann verständlicher Art gewünscht. Hochwissenschaftliche Beiträge von Virologen tragen eher zur Verunsicherung bei.

BSZ Kann man Spätfolgen wie etwa Unfruchtbarkeit für Frauen zumindest in dem Maße ausschließen wie bei traditionellen Impfmitteln, etwa gegen Masern?
Korzinek Die Wirkungsweise des mRNA-Impfstoffs kann 100-prozentig ausschließen, dass es Genveränderungen in unserem Körper gibt. Also eine Unfruchtbarkeit bei Frauen, auch eine Schädigung des Kindes, ist sicher nicht möglich. Hier gibt uns die Wirkungsweise des Impfstoffs Sicherheit. Wir impfen eine Messenger-RNA (Boten-RNA). Hier ist der Code für ein winziges Stück der Virus-RNA, nämlich der für die Produktion des Spikeproteins, hinterlegt. Die Spikes sind die kleinen Nadeln an der Oberfläche des Virus, die jedermann aus den Medien bekannt sind. Nach Aufnahme der mRNA in eine Zelle wird dieser Code im Zellplasma abgelesen. Die mRNA kommt nicht in den Zellkern, wo unser Erbgut in Form von DNA gespeichert ist. Die Zelle produziert daraufhin das entsprechende Erreger-Protein (Antigen). Gegen diese Antigene entwickelt unser Immunsystem entsprechende Antikörper. Damit kann der Körper im Falle einer „echten“ Infektion schnell auf den Erreger selbst reagieren.

BSZ Und was passiert mit dem Impfstoff im Organismus?
Korzinek Die geimpfte mRNA wird innerhalb von wenigen Tagen abgebaut. Es bleibt also nichts vom Impfstoff im Körper zurück. Alles wird komplett abgebaut. Daraus können wir schließen, dass mit gravierenden Nebenwirkungen in Zukunft wahrscheinlich nicht zu rechnen ist. Tatsache ist, dass wir zu dem jetzigen Zeitpunkt keine sicheren Aussagen machen können.

BSZ Ein häufig vorgebrachtes Argument ist, die Entwicklung des Impfstoffs dauerte wesentlich kürzer als bei früheren – die Sorgfalt könne also nicht so hoch gewesen sein?
Korzinek An RNA-Impfstoffen wird schon seit fast 20 Jahren geforscht und die Entwicklung war zum Glück schon sehr weit fortgeschritten, sodass es den Wissenschaftlern jetzt gelungen ist, einen verimpfbaren Impfstoff in kurzer Zeit zu entwickeln. In der Tiermedizin werden RNA-Impfstoffe schon länger eingesetzt. Wir können sicher sein, dass die Prüfung des mRNA-Impfstoffs, um zugelassen zu werden, genauso exakt und gründlich durchgeführt wurde wie bei anderen Impfstoffen.

BSZ Für Ihren Zuständigkeitsbereich haben Sie eine Online-Aufklärung gestartet: Wie kam die an?
Korzinek Im Rahmen meines Zuständigkeitsbereiches haben wir eine Online-Aufklärung gestartet, die sehr gut angenommen wurde. Ich habe bei meinen ersten Impfungen in Altenheimen festgestellt, dass die Impfbereitschaft des Pflegepersonals schlecht war. Nach der Onlineaufklärung konnten wir von rund 120 zugeschalteten Altenheimpfleger*innen, die sich bisher nicht impfen lassen wollten, 70 Prozent von der Impfung überzeugen. Sie ließen sich kurze Zeit später auch impfen. Wir werden diese Online-Aufklärung künftig weiter durchführen.

BSZ Was halten Sie von einer Impfpflicht für Pflegekräfte, wie sie unter anderem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ins Gespräch brachte?
Korzinek Ich glaube, durch eine intensivere Aufklärung wird sich das Thema „Impfpflicht für Pflegekräfte“ von alleine erledigen. Die Pflegekräfte müssen erkennen, dass sie, durch die Zuordnung zur Prioritätsgruppe 1, ein Privileg erhalten, sich trotz der Impfstoffknappheit schon jetzt impfen zu lassen. Die hochansteckende Mutation in England wird sicher dazu beitragen, dass man sich noch schlechter vor Covid-19 schützen kann.

BSZ Ein Zahnarzt aus Ihrem Kreis ließ sein Praxisteam quasi zwangsimpfen, indem er den Mitarbeiterinnen mit Lohnentzug drohte, und wird nun massiv angefeindet: Das kann es dann ja auch nicht sein, oder?
Korzinek Das Verhalten des Zahnarzts aus Pfaffenhofen halte ich für unmöglich. Zwangsimpfungen anzuordnen und mit Lohnentzug zu drohen, erübrigt sich zu kommentieren.
(Interview: André Paul)

Bildunterschrift zu Foto im Text:
Peter Korzinek ist seit über 40 Jahren als Arzt tätig. (Foto: LRA PAF)

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