Kommunales

Depressive sowie Angststörungen sind häufige Erkrankungen in Deutschland und der EU. (Foto: dpa/Thomas Eisenhuth)

16.05.2019

Ein vielfältiges Krankheitsbild

Moderne Therapien im Kontext von Depressionen

Jeder Mensch kennt Angst und Angstgefühle; wahrscheinlich kennt auch jeder Mensch Traurigkeit und Niedergestimmtheit. Solche Gefühle gehören zur Urausstattung jeder menschlichen Existenz. Der Psychiater und Psychotherapeut Christian Peter Dogs hat vor einiger Zeit in einem Buch über seine Arbeit getitelt: „Gefühle sind keine Krankheiten“. Er wehrt sich damit gegen eine überzogene Bewertung von urmenschlichen Gefühlen als etwas Krankhaftem.

Dennoch ist unbestritten, dass Traurigkeit und Angstgefühle ein Ausmaß erreichen können, das Krankheitswert erreicht. Depressive sowie Angststörungen sind häufige Erkrankungen in Deutschland und der EU: Große epidemiologische Studien belegen, dass innerhalb von zwölf Monaten bei einem Bevölkerungsanteil von um die sieben Prozent eine depressive Episode diagnostiziert wird und bei einem fast genauso hohen Anteil eine Angststörung; sei es eine Panikstörung, soziale Phobie (Angst mit anderen Menschen in Kontakt zu treten), generalisierte Angststörung (allgemeine Anspannung und Ängstlichkeit) oder andere Formen.

Wenn die Depression so schwer wird, dass die Arbeit nicht mehr zu bewältigen ist oder die Angststörung ein solches Ausmaß erlangt, dass zum Beispiel die eigene Wohnung nicht mehr verlassen werden kann, dann besteht hier dringender Handlungsbedarf, der von ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten, Psychiatern, entsprechenden Ambulanzen, Tageskliniken und Krankenhäusern angeboten wird.

Verschiedene Symptome


Hängen eigentlich Angst und Depression zusammen? Zunächst sind es ja verschiedene „Gefühle“ beziehungsweise „Affekte“: Angst zu haben, geht mit entsprechender Furcht, mit körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Schnellatmigkeit, Schwitzen und anderen Stresssymptomen einher und führt zu Veränderungen des Denkens. Die Depression dagegen hat als Kernsymptome die Niedergestimmtheit, Traurigkeit, Antriebsarmut und Schlafstörungen. Entsprechend gehört in den modernen diagnostischen Manualen (zum Beispiel das Weltgesundheitsorganisation ICD-10 oder der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung DSM-5) kein Angstsymptom zur Diagnose der Depression und umgekehrt kein depressives Symptom zur Diagnose einer Angststörung.

Dennoch ist es so, dass in entsprechenden Untersuchungen etwa 50 bis 60 Prozent der depressiv erkrankten Menschen auch eine Angststörung aufweisen und fast ebenso viele der Menschen mit einer Angststörung auch die Kriterien einer depressiven Störung erfüllen. Bei genauerer Betrachtung ist eine ganze Reihe von Symptomen bei beiden Störungen zu beobachten (innere Unruhe, Verzweiflung, Besorgtheit, Antriebs- und Konzentrationsstörungen, Leistungsminderung, sozialer Rückzug, Verlust von Selbstvertrauen). Vielen Depressionen geht eine Angstsymptomatik voraus beziehungsweise die Depression beginnt mit Angstgefühlen; gleichzeitig wird oft eine Depression diagnostiziert, wenn eigentlich Angst im Vordergrund stünde. Es gibt also eine hohe Überlappung.

Dabei haben sich moderne Störungskonzepte in Psychiatrie und Psychotherapie verändert: Wir glauben immer weniger daran, dass es klare Grenzen zwischen einzelnen Diagnosen beziehungsweise Störungen gibt; vielmehr gibt es Übergangsformen. Dahinter stehen biografische (zum Beispiel problematische Kindheit), traumatische (zum Beispiel erlebte Gewalt), biologische (zum Beispiel das Serotonintransporter-Gen), persönlichkeitsgebundene (zum Beispiel von Geburt an ängstliche Persönlichkeitszüge), psychosoziale (zum Beispiel akute Partnerschaftskrise) und viele andere Ursachen. Diese lösen dann entsprechende negative „Affekte“ aus, die in je unterschiedlicher Form zu einer individuellen Störungsausprägung führen – teils Angst, teils Depression, oft beides.

Verschiedene Erscheinungsformen


Dazu passt auch, wie sich in Längsschnittstudien gezeigt hat, dass es bei vielen Patienten im Verlauf einen Wechsel zwischen der Diagnose einer Angststörung und einer Depression gibt. Dennoch gibt es auch Patienten, die nur eine „reine“ Depression und noch mehr, die nur eine Angststörung haben. Das alles kann bedeuten, dass zum Beispiel „nur“ eine Panikstörung diagnostiziert und behandelt wird, oder dass eine Depression mit Panikstörung im Fokus steht, oder dass die Depression so schwer ist, dass die Angstsymptomatik erst einmal gar nicht zu diagnostizieren ist oder im Hintergrund steht.

Es gibt also offenbar eine Vielfalt verschiedener Erscheinungsformen von Depressionen und Angststörungen, die jeweils eigene Behandlungsstrategien auslösen. Jedoch handelt es sich – anders als diagnostische Manuale es suggerieren mögen – offenbar nicht um völlig eigenständige Krankheiten, sondern es gibt hier ein hohes Maß an Überlappungen und Zusammenhängen.

Für die psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung bedeutet die Nähe beider Störungsbilder, jeweils genau hinzusehen, welche Dynamik (eher: ängstliche Vermeidung oder eher: depressiver Rückzug?) derzeit im Vordergrund steht, um gemeinsam mit dem Betroffenen eine individuelle Strategie entwickeln zu können.

Fazit dieser Überlegungen ist, dass eine moderne Psychiatrie und Psychotherapie versucht, individuell und personalisiert den jeweiligen Zustand und Bedarf des Betroffenen zu erfassen und dann therapeutisch auf mehreren Ebenen anzugehen.
(Peter Brieger und Susanne Menzel)

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