Kommunales

Die Gründung von ÖPP-Gemeinschaftsunternehmen und deren Beauftragung mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben kann durchaus Vorteile bieten – wie beispielsweise Effizienzgewinne oder die Entlastung der öffentlichen Haushalte. (Foto: dpa/Julian Stratenschulte)

24.01.2022

Fallstricke beim Entsorgungs-ÖPP

Partnerschaften zwischen kommunalen und privaten Unternehmen dürfen nicht beliebig ausgeweitet werden

Im Entsorgungsbereich kommt es nicht selten vor, dass Kommunen ihre hoheitlichen Entsorgungsleistungen an ein Gemeinschaftsunternehmen vergeben, an denen sie mehrheitlich – häufig zu 51 Prozent – beteiligt sind. In dem Fall wird zugleich mit der Vergabe der Entsorgungsleistungen die Beteiligung eines Privatunternehmens – in der Regel 49 Prozent – an diesem Gemeinschaftsunternehmen mit ausgeschrieben. Die Komplexität eines solchen Vergabeverfahrens, die möglichen gewerblichen Betätigungsfelder des Gemeinschaftsunternehmens sowie das Kommunalrecht stellen die Beteiligten jedoch vor Herausforderungen. Das mecklenburgische Oberlandesgericht (OLG) in Rostock hat sich nun in einem wegweisenden Urteil damit befasst (Az.: 17 Verg 3/21).

Dem Beschluss des OLG Rostock lag zugrunde, dass ein mecklenburgischer Landkreis Abfalllogistikleistungen – nach den oben geschilderten Beteiligungskonditionen – als öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ausschrieb. Die Laufzeit beträgt zehn Jahre mit einer Verlängerungsoption. Die Bieter sollten im Angebot zudem ein Konzept vorlegen, wie das Gewerbegeschäft des Gemeinschaftsunternehmens ausgestaltet sein kann. Der obsiegende Bieter schlug zu letzterem die Ausgründung einer eigenen Tochtergesellschaft vor, an der sich das Gemeinschaftsunternehmen wiederum mit 74,9 Prozent beteiligen könne – ein sogenannter Share Deal. Das Gewerbegeschäft beinhaltete nach dem Angebot des Bieters auch Tätigkeiten außerhalb des Landkreises.
 

Darf gerügt werden? Fraglich!


Nicht unumstritten ist dabei nun, ob kommunalrechtliche Vorschriften in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren gerügt werden können. Dahinter verbirgt sich die Frage, ob Kommunalrecht sogenannt bieterschützend sein kann. Im konkreten Fall verneinte dies das OLG Rostock: Der unterlegene Bieter rügte, dass das gewerbliche Tochterunternehmen über den Landkreis hinaus örtlich tätig sein sollte. Dies sei ein Verstoß gegen das Örtlichkeitsprinzip nach Paragraf 68 ff. Kommunalverfassung.

Dem Gericht zufolge fällt jedoch die Einhaltung kommunalrechtlicher Vorschriften allein in das Risiko des öffentlichen Auftraggebers und entfaltet eben keinen Bieterschutz. Dies gilt auch dann, wenn die Beachtung gesetzlicher Vorschriften als Mindestanforderung explizit in den Vergabeunterlagen enthalten ist. Eine Möglichkeit zur Rüge bestünde somit nur, wenn in den Vergabeunterlagen ein erweitertes Angebot – als ohnehin im Gesetz vorgesehen ist – verlangt wird. Daneben stellt das Gericht auch klar, dass sogenannte Annextätigkeiten eines kommunalen Gewerbegeschäfts auch außerhalb des eigenen Landkreises zulässig seien. Konkreter wird das Gericht an dieser Stelle nicht.

Von praktischer Relevanz dürfte sein, wenn ÖPP-Gemeinschaftsunternehmen wiederum Untergesellschaften gründen, in denen ihr Gewerbegeschäft abgewickelt werden soll. Die mittelbare Beteiligung Privater an solchen Tochtergesellschaften ist nicht ausschreibungspflichtig, wenn damit nicht eine öffentliche Auftragsvergabe – wie beispielsweise hoheitliche Entsorgungsleistungen – verbunden sind. Das bedeutet: Der Aufbau beziehungsweise die Durchführung des gewerbswirtschaftlichen Geschäfts muss von der Auftragsvergabe getrennt sein. Das OLG Rostock bringt es wie folgt auf den Punkt: „Die Gründung einer ÖPP-Gesellschaft ist nur insoweit ausschreibungspflichtig, als sie mit dem öffentlichen Auftrag ein unteilbares Ganzes bildet.“


Stellungnahme zu Risiken beim Vergaberecht


Der genannte Beschluss ist auch deshalb relevant, weil er zu einer Reihe von vergaberechtlichen Klassikern Stellung bezieht, mit denen öffentliche Auftraggeber oft konfrontiert werden. Das betrifft unter anderem die Frage nach dem Ausschluss von Bietern aus dem Verfahren oder auch den Umgang mit Rügen, die erfolgen, ohne dass belastbare Anhaltspunkte für Fehler vorgetragen werden.

Interessant ist auch, dass das Gericht betont, es sei bei der Verhandlungsvergabe typisch, wenn sich einzelne Aspekte des ausgeschriebenen Auftrags im Laufe der Verhandlungen noch verändern und sich die ursprünglichen Vertragsentwürfe noch entwickeln. Eine Gratwanderung dürfte das dennoch sein – da dem Gleichbehandlungsgebot gegenüber allen Bietern auch in den Verhandlungen stets Rechnung zu tragen ist.

Zulässigkeit des Vorhabens gilt unabhängig vom Projekt

Fazit: Die Gründung von ÖPP-Gemeinschaftsunternehmen und deren Beauftragung mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben kann durchaus Vorteile bieten – wie beispielsweise Effizienzgewinne oder die Entlastung der öffentlichen Haushalte. Die gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung und Eingrenzung der möglichen Aufgaben sollte aber vor der Ausschreibung gut überlegt werden. Das Vergaberecht bietet durchaus Spielraum für die notwendigen Ausschreibungen. Stets davon zu trennen, ist die Frage nach der Zulässigkeit des Vorhabens nach Kommunalrecht. Ob kommunalrechtliche Vorgaben beanstandet werden können, ist dagegen zweifelhaft. (BSZ)

 

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