Kommunales

Nicht nur der Landtag, sondern auch Kommunalparlamente müssen sich mit Petitionen befassen, wenn sie derlei Anliegen aus der Bürgerschaft erreichen. (Foto: Bayerischer Landtag)

01.11.2023

Friedensaktivist verklagt den Landkreis München

Kommune geht angeblich zu lasch mit Petitionsrecht um

Das Petitionsrecht steht im Grundgesetz und in der Bayerischen Verfassung. Doch auf kommunaler Ebene fliegt es meist unter dem Radar. Nun hat der Friedensaktivist Hermann Theisen aus Heidelberg den Landkreis München wegen dessen Umgang mit seiner Petition verklagt – und Recht bekommen.

Seine Petition an den Kreis München ist nicht korrekt behandelt worden, entscheidet das Gericht. „Der Kläger hatte einen Anspruch darauf, dass der Kreistag sich damit befasst und eine Antwort erhält“, erläutert Richter Michael Kumetz in der Urteilsbegründung. Zweiteres sei geschehen, Ersteres aber nicht. Und damit habe der Landkreis das im Grundgesetz verankerte Petitionsrecht verletzt.

Diese Verhandlung am Verwaltungsgericht wirft ein Schlaglicht auf ein Thema, das bei vielen Kommunen unter dem Radar fliegt. Denn beim Stichwort Petition denken die meisten nur an den Bundes- oder Landtag, die beide eigene Ausschüsse hierfür unterhalten. Jedoch ist das Petitionsrecht in Artikel 17 des Grundgesetzes betont weit gefasst: „Jedermann hat das Recht“, heißt es dort, „sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden“. Zuständige Stellen können alle staatliche Behörden sein, aber auf kommunaler Ebene auch Bürgermeister und Landrätinnen. Oder ein Kreistag wie im Falle von Hermann Theisen. Bald wird klar, dass sich der 59-Jährige hier in gewohnter Umgebung befindet. Schließlich kämpft Theisen seit Jahrzehnten als Friedensaktivist gegen Atomwaffen und Rüstungsexporte, was ihn schon oft vor Gericht gebracht hat – auch bei Strafverfahren, wo er zu Geld- und Gefängnisstrafen verurteilt wurde.

 

Ausgangspunkt ist die Firma Vet Pharma Friesoythe


Anfang des Jahres hat Theisen erfolgreich gegen die norddeutsche Stadt Friesoythe geklagt. Sie hatte ihm 2018 das Verteilen eines Flugblatts verboten, in dem er Beschäftigte der Firma Vet Pharma Friesoythe zum Whistleblowing aufrief. Dieses Pharmaunternehmen soll einen Giftstoff, der eigentlich zum Einschläfern von Hunden dient, in die USA und nach Asien exportiert haben – illegal. Es gab Hinweise, dass das Medikament zur Vollstreckung der Todesstrafe eingesetzt wurde. Wegen der unerlaubten Ausfuhr verurteilte das Landgericht Oldenburg 2021 den Geschäftsführer und eine Mitarbeiterin der Firma zu Geldbußen; noch ist dieses Urteil nicht rechtskräftig.

Jene Vet Pharma Friesoythe ist auch der Ausgangspunkt von Hermann Theisens Petition an den Landkreis München. Denn dort hatte bis 2021 die Mutterfirma des Unternehmens ihren Sitz, der US-Pharmakonzern Merck Sharp & Dohme (MSD). Daher richtete Theisen seine Petition 2019 an das Landratsamt des Landkreises sowie an sämtliche Mitglieder von dessen Kreistag. Der Friedensaktivist forderte darin, dass das Gremium seine „kommunalpolitischen Einflussmöglichkeiten“ nutzt, um die „illegalen Exporte“ von Vet Pharma Friesoythe zu verhindern.

Als Reaktion auf seine Petition erhielt Hermann Theisen – nichts. Erst nachdem er Mitte 2021 nachgehakt hatte, erreichte ihn eine Antwort aus dem Büro des Landrats. Darin wurde ihm mitgeteilt, dass der Kreistag für dieses Anliegen „weder Kompetenz noch Zuständigkeit“ besitze. Dieses Vorgehen des Landratsamts wollte der Friedensaktivist jedoch nicht auf sich sitzen lassen, weshalb er Klage einreichte. „Das Petitionsrecht ist ein wichtiges Grundrecht“, betont Theisen in der Verhandlung. „Und das ist fundamental in die Tonne getreten worden.“

 

Die Entscheidung traf die Büroleiterin des Landrats, nicht der Kreistag



Tatsächlich hätte der Kreistag – und nicht etwa die Büroleiterin des Landrats – über die Petition entscheiden müssen, stellt das Verwaltungsgericht in seinem Urteil fest. Dass die Mitglieder des Gremiums auf Theisens Mail nicht reagiert hätten, stelle noch keine ausreichende Befassung dar.

Ebenso müssen sich auch Stadt- und Gemeinderäte mit Petitionen befassen, wenn sie derlei Anliegen aus der Bürgerschaft erreichen, sagt Wilfried Schober vom Bayerischen Gemeindetag. Er verweist auf Artikel 56 der Gemeindeordnung, wonach sich jeder Einwohner „mit Eingaben und Beschwerden an den Gemeinderat wenden“ kann. Daher müsste der Bürgermeister eine Petition, die im Rathaus eingeht, auf die Tagesordnung des Gemeinderats setzen, sagt Schober. In der Praxis komme dies aber nur selten vor. Vielmehr würden Anregungen und Beschwerden eher in der Sprechstunde des Bürgermeisters oder über einen Antrag in der Bürgerversammlung ans Rathaus herangetragen.

Im Falle von Hermann Theisen wählte dieser jedoch das Mittel der Petition – mit dem Ziel, dass sich der Landkreis München mit seinem Anliegen beschäftigt. Dass darauf zunächst gar nicht reagiert wurde, bezeichnete er vor Gericht als „unterirdisch“. Und das spätere Vorgehen des Landratsamts sei schlicht rechtswidrig gewesen, so Theisen. Er hoffe nun, dass der Landkreis das Urteil zum Anlass nehme, um seinen Umgang mit Petitionen grundsätzlich neu zu regeln.
(Patrik Stäbler)

 

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