Kommunales

Bei seinem Prozess im Justizpalast in Nürnberg beteuerte Anwalt Ulrich Schönweiß (Bild im Text): „Ich habe keinen Nazivergleich gemacht.“ (Foto: dpa/Timm Schamberger)

02.02.2022

Fürther Stadtrat wehrt sich gegen Vorwurf der Volksverhetzung

Angeblicher Nazivergleich: Die Verhandlung gegen den Fürther Anwalt und Linken-Politiker Ulrich Schönweiß wirft Fragen auf. Jetzt wurde der Prozess erst einmal ausgesetzt

Wer eine Einrichtung unserer Bundesrepublik mit einem Nazi-Konzentrationslager gleichsetzt, „relativiert damit die unter der NS-Herrschaft begangenen Taten“. Weil er das getan haben soll, bekam ein Fürther vor gut vier Monaten Post vom Amtsgericht Nürnberg: Ein Strafbefehl in Höhe von 90 Tagessätzen sollte seine nach den Strafgesetzbuch-Paragrafen 130 Abs. 3 und 47 als „Volksverhetzung“ bewerteten Aussagen sühnen.

Der Beschuldigte, er heißt Ulrich Schönweiß, ist ehrenamtliches Linken-Stadtratsmitglied in Fürth und außerdem Rechtsanwalt. In dieser beruflichen Funktion setzt er sich stark für benachteiligte Gruppen ein, zum Beispiel für Flüchtlinge. Deshalb stand er am 19. Februar 2021 vor einem Ankerzentrum im Norden Nürnbergs, um gemeinsam mit seiner fünfköpfigen Mandantenfamilie „einen Termin bei einer Sachbearbeiterin der Zentralen Ausländerbehörde Mittelfranken wahrzunehmen“. So steht es im Strafbefehl.

Am Tor sei es zu einem Wortgefecht mit Sicherheitsmitarbeitern gekommen. Dabei soll Schönweiß gesagt haben, dass jene „Anker-Dependence wie ein KZ wäre“, und sogar „noch schlimmer als Zirndorf“, die Hauptankerstelle der Region. Später soll der Beschuldigte laut Strafbefehl zu einer weiteren Anker-Mitarbeiterin gesagt haben: „Noch nicht mal frei bewegen kann man sich hier – das ist ja schlimmer als im KZ.“

Schönweiß legte gegen den Strafbefehl zwei Einsprüche ein

Doch Ulrich Schönweiß versichert: Er habe den KZ-Vergleich nicht geäußert. Das widerspräche nach Aussagen von Menschen, die ihn kennen, auch seiner Grundeinstellung. Der Anwalt sei überzeugter Antifaschist und Gewerkschafter, der sich ja auch als Jurist der Volksverhetzungsregeln durchaus bewusst sei, heißt es aus dem Kreis jener etwa 40 Menschen, die an diesem Vormittag vor dem Sitzungssaal 126 im Nürnberger Justizpalast stehen. Denn Schönweiß hat gegen den Strafbefehl gleich zwei Einsprüche eingelegt. Und so kam es nun zum öffentlichen Strafprozess.

Doch nur wenige Minuten nach Prozessbeginn wurden die anwesenden Zuschauer und  Pressevertreter vor die Tür geschickt. Denn Schönweiß`drei Rechtsvertreter wollten „in ein Rechtsgespräch eintreten, das für die Staatsanwaltschaft wichtig sein könnte“. Ulrich Schönweiß hatte nämlich mehr als ein Ass aus dem Ärmel gezaubert: Eine Aufzeichnung seines Besuchs im Anker-Zentrum - er hatte sie damals mit dem Handy gemacht.

Eine Einstellung des Verfahrens reicht Schönweiß nicht, er betont: „Ich will einen glatten Freispruch!“

Eine dreiviertel Stunde später gingen die Saaltüren wieder auf, und Amtsrichterin Andra Lindner verkündete: „Eine Entscheidung kann heute nicht getroffen werden.“ Ihre „Verfügung, die vom Angeklagten zur Verfügung gestellte Aufnahme auszuwerten und zu verschriften“, wurde auch von der im Prozess amtierenden Staatsanwältin ohne Murren akzeptiert; genauso wie die von der Richterin angeordneten „weiteren Ermittlungen“.

Das lässt vermuten: Die im Rahmen des Rechtsgesprächs gezeigte Aufnahme ist – wie von der Verteidigung angekündigt – wohl sehr eindeutig. Oder wie Ulrich Schönweiß während der Verhandlungspause auf Nachfrage erklärte: „Ich habe keinen Nazivergleich gemacht.“

Es bleiben viele Fragen. Die zentrale: Warum haben mehrere Mitarbeitende der mittelfränkischen Ausländerbehörde den Anwalt Schönweiß der Volksverhetzung bezichtigt? Könnte es sein, dass ein immer wieder kritisch agierender Anwalt damit mürbe gemacht werden sollte?

Ob es in der Fortsetzung der nun ausgesetzten Verhandlung Antworten gibt, ist zweifelhaft. Denn bestätigt die Aufnahme Schönweiß` Version, wird es wohl von den ursprünglich benannten behördlichen Zeugen keine Aussagen geben. Schönweiß jedenfalls will sich mit einer Einstellung des Verfahrens nicht zufriedengeben: „Ich will einen glatten Freispruch!“
(Heinz Wraneschitz)

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