Kommunales

Die Menschen rund um Elmau erinnern sich noch der Krawalle während des Treffens und befürchten eine Wiederholung sowie eine erneute Schädigung des Tourismus und der Natur. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

28.01.2022

G7 bricht erneut über die Idylle herein

Nach 2015 treffen sich die Spitzenpolitiker der wichtigsten westlichen Industrieländer erneut in Elmau – Kommunalpolitik, Touristikbranche und Bevölkerung haben Angst

Für uns kam das völlig überraschend.“ Thomas Schwarzenberger (CSU), Bürgermeister der Gemeinde Krün im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, war auf die Ankündigung eines erneuten großen Politikspektakels in seiner Gemeinde ebenso wenig vorbereitet wie die meisten Kommunalpolitiker*innen, Geschäftsleute und Touristikfachkräfte in der Region.

Schwarzenberger, der bereits beim ersten G7-Gipfel im Jahr 2015 Rathauschef war – und mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem damaligen US-Präsodenten Barack Obama beim inszenierten Biergarten-Schmaus vor dem Krüner Rathaus zusammen saß – sieht das Zusammentreffen vom 25. bis zum 28. Juni dieses Jahres im Schloss Elmau sowohl mit positiven wie negativen Erwartungen.

Noch nicht vergessen sind beispielsweise die vielen Einschränkungen beim ersten Gipfel in Elmau 2015; die massiven Polizeieinsätze, die Straßensperren, Kontrollen und die erheblichen Gängelungen und Schikanen für den Tourismus. Und bei so manchem Einheimischen dürften auch die Krawalle beim G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg negative Erwartungen vertiefen.


Schlechtere Stimmung als vor sieben Jahren

„Es ist in diesem Jahr in der Region eine andere Situation als 2015“, meint Schwarzenberger. „Die Stimmungslage ist mit Corona, mit Migrationspoblemen und Klimawandel anders. Dadurch könnte der Gipfel mit mehr Protesten konfrontiert sein.“ Erschwerend komme hinzu, dass die Vorbereitungszeit nun mit nur einem halben Jahr deutlich kürzer ausfallen als 2015, als man eineinhalb Jahre hatte, um sich auf die Veranstaltung vorzubereiten.

Vor allem für die durch Corona ohnehin schon stark strapazierte Tourismusbranche dürfte der Gipfel diesmal mehr Probleme mit sich bringen. War der erste Gipfel noch Anfang Juni terminiert, so liegt der Austragungszeitpunkt nun Ende Juni – und damit stärker in der Hauptsaison; obendrein in den Sommerferien des bevölkerungsreichsten Bundeslands Nordrhein-Westfalen. Menschen aus NRW bilden die quantitativ wichtigste Gruppe von innerdeutschen Gästen im Freistaat.

 

Gleichzeitig auch noch die verschobenen Passionspiele


Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe war die Buchungslage beiFerienwohnungen bereits sehr gut – was auch durch den gleichzeitigen Termin der verschobenen Passionsspiele in Oberammergau verstärkt wurde. Viele Gastbetriebe können die Ausfälle damit kompensieren, dass Polizeikräfte einquartiert werden. Wenig haben davon die Lokalbetreiber, denn denen fehlen die Urlaubsgäste, die auch tagsüber Umsatz machen.

Dass für die Branche schwere Zeiten kommen werden, das sieht auch Bürgermeister Enrico Corongiu (SPD) aus Mittenwald so. „Da der Gipfel in der Hauptsaison stattfindet, muss mit einer erheblichen Anzahl gerechnet werden. Auch die Anzahl der Tagesgäste wird in der heißen Phase deutlich reduziert sein, was zu Einnahmeverlusten im Einzelhandel und in der Gastronomie führen wird.“

Dass mit mehr Unruhen zu rechnen ist, dafür spricht auch, dass Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kurz vor Weihnachten eine erste Kostenschätzung für den Gipfel vorlegte – die den finanziellen Aufwand vor sieben Jahren deutlich übertrifft. Waren damals 135 Millionen Euro an angefallen, so rechnet man heuer mit 166 Millionen.

Der Polizeieinsatz allein kostet bereits 147 Millionen Euro


Den mit Abstand größten Anteil trägt dabei der Polizeieinsatz mit rund 147 Millionen Euro. Davon dürften 52 Millionen Euro auf Mieten und Pachten für Grundstücke, Gebäude und Gerätschaften anfallen sowie 30 Millionen Euro als Entschädigung für Polizeikräfte von außerhalb Bayerns. Zur Erinnerung: 2015 waren insgesamt 20 000 Polizeikräfte im Einsatz; viele aus anderen Bundesländern. Und für die mussten auch Quartiere beschafft werden. Minister Herrmann versucht zu beschwichtigen: Es müsse bei der Neuauflage der Tagungsort nicht komplett neu hergerichtet werden; solche Kosten fielen also diesmal weg oder wären zumindest geringer.

In der Bevölkerung scheint die Stimmung sehr unterschiedlich auszufallen. „Einige sehen die Entscheidung als Auszeichnung und freuen sich auf die Begegnung mit vielen Menschen, die unsere Region dadurch erst kennenlernen“ meint Bürgermeister Schwarzenberger. Allerdings gäbe es auch wegen der geänderten Gesamtsituation bei der Sicherheitslage auch Bedenken. Ähnlich sieht es sein Kollege Corongiu: „Wir wollen die Chancen nutzen, um langfristig unsere Region zu stärken. Das betrifft zum einen die Tourismusförderung wie auch infrastrukturelle Maßnahmen in den Gemeinden des oberen Isartals.“

Einer der sich freut, ist Andreas Zick. Der Inhaber des Alpen-Caravanparks Tennsee bei Krün sieht vor allem den Werbeeffekt durch die mediale Präsenz, welche die Nachteile mehr als ausgleichen würde. „Beim ersten G-7 Gipfel lief es im selben Jahr hinsichtlich des Umsatzes schlechter. Aber im Folgejahr hatten wir eine deutlich stärkere Nachfrage – und da speziell von Leuten die uns auf das Ereignis angesprochen haben.“


Erneut in der wichtigen Urlaubszeit

Nicht begeistert vom Gipfel ist Michaela Nelhiebel, Vorsitzende der Werbegemeinschaft Garmischer Zentrum. „Mit den Problemen aufgrund der Corona-Pandemie sind wir darauf angewiesen, endlich wieder ein normales Geschäft zu haben. Und dann kommt jetzt der G7-Gipfel gerade in der für uns wichtigen Urlaubszeit.“
2015 hatten die Mitgliedsbetriebe des Garmischer Zentrums im Mai und Juni im Vergleich zu den Jahren 2014 und 2016 einen Umsatzrückgang zwischen 18 und 45 Prozent. Gerade wegen der ohnehin schon sehr angespannten Stimmung mit den zahlreichen Demonstrationen und Protesten gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen sind die Garmischer Gewerbetreibenden alles andere als optimistisch.“Unsere Mitglieder finden das alle entsetzlich“, klagt Nelhiebel. (Georg Weindl)

 

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