Kommunales

Eine neue Handreichung soll Eigentümern*innen von Fachwerkgebäuden in Herzogenaurach in Zukunft bei der Sanierung helfen. (Foto: Pat Christ)

12.07.2024

Gebäude, die Geschichte atmen

In Zeiten leerer Kassen braucht es neue Ideen für den Erhalt historischer Bausubstanz

Ständig klicken Kameras. Werden Selfie-Sticks gezückt. Rothenburg ob der Tauber ist reich an tollen Fotomotiven. Das zieht Touristen*innen von nah und fern an. Gerade die Fachwerkhäuser gelten als Augenschmaus. Sie zu erhalten, ist jedoch gar nicht so einfach. Zumal nicht in finanziell prekären Zeiten, in denen alles Mögliche dem Rotstift zum Opfer fällt. Alle Fachwerkstädte in Bayern stehen vor der Frage, wie sie mit leer stehender, gar verfallender historischer Bausubstanz umgehen sollen.

Denkmalschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Im Gegenteil. Ein gehöriges Quantum Geld ist nötig, um ein historisches Bauwerk instand zu halten oder um es, ist es in keinem guten Zustand mehr, wieder in Schuss zu bringen. Eigentümer sind mit der Finanzierung oft überfordert. Doch über Stiftungen, aber auch mithilfe von Vereinen oder Bürgergenossenschaften kann es gelingen, Fachwerkhäuser zu erhalten.

Leer stehende Fachwerkhäuser selbst zu kaufen und sie zu sanieren, würde ein extrem tiefes Loch in die kommunale Kasse reißen. Das bestätigt Markus Naser (Freie Rothenburger Vereinigung), Oberbürgermeister von Rothenburg ob der Tauber. Generell sei Leerstand im Ortskern unschön: „Deshalb haben wir bei unserer Wirtschaftsförderung ein Leerstandsmanagement angesiedelt.“ Das unterscheidet auch erst mal nicht zwischen Gebäuden mit und ohne Fachwerk.

Bemerkenswertes Ritualbad

In Rothenburgs Altstadt stehen etwa 1000 Häuser. Viele atmen Geschichte. Laut Markus Naser befinden sie sich großenteils in einem guten Zustand. Doch es gibt und gab immer wieder „Sorgenkinder“. Bei zweien allerdings ist die Stadt inzwischen ihre Sorgen los. In einem Fall handelt es sich um ein spätmittelalterliches Doppelhaus in der Rothenburger Judengasse 10. Das laut Naser „Denkmal von nationaler Bedeutung“ wurde 2019 von der Stiftung Kulturerbe Bayern erworben. Seither laufen umfangreiche Sanierungsarbeiten. In Kürze wird das Werk vollendet sein.

Das Gebäude ist stadtgeschichtlich wichtig, verweist es doch auf die bedeutende Rolle der Juden in der Historie Rothenburgs. Schon im 13. Jahrhundert prägten sie die Stadtgeschichte mit. Der 1409 errichtete Fachwerkbau ist vor allem deshalb speziell, weil er das bayernweit älteste jüdische Ritualbad beherbergt.

Noch heuer, also im Jubiläumsjahr der Kommune, die auf eine 750-jährige Geschichte als Reichsstadt zurückblicken kann, sollen die Renovierungen abgeschlossen sein. Dann wird die Geschäftsstelle des Vereins Alt-Rothenburg in das Fachwerkhaus einziehen. Der Verein wiederum ist äußerst rührig, was den Erhalt historischer Bausubstanz in der mittelfränkischen Fachwerkstadt betrifft.

Neue Handreichung 

Bei einem zweiten „Sorgenkind“ handelte es sich ebenfalls um ein Fachwerkgebäude aus dem 15. Jahrhundert. „Es wäre fast schon zum Abbruch freigegeben worden“, so Oberbürgermeister Markus Naser. Mit großem Aufwand gelang es der Stadt, unterstützt vom Landesamt für Denkmalpflege, einen Investor zu finden, der das Haus herrichtet. Nach wie vor leer steht ein Haus in der Heugasse 7, in dem einst gemütlich schnabuliert wurde. Der Eigentümer der ehemaligen Gastwirtschaft „Zum Nachtwächter“ sucht seit über zwei Jahren vergebens nach einem Käufer.

Auch Herzogenaurach hat einen hohen Fachwerkbestand. Nicht jeder Eigentümer ist gut betucht. „Auch bei uns gibt es vereinzelt Sanierungsstau“, sagt Anja Wettstein vom Planungsamt der mittelfränkischen Fachwerkkommune. Noch gibt es nach ihren Worten, anders als in anderen Fachwerkstädten, keine von der Bürgerschaft angestoßenen Sanierungsprojekte. Um Eigentümer von Fachwerkhäusern in Zukunft besser zu unterstützen, plant Herzogenaurach, eine Handreichung zu erarbeiten. Das wird gewünscht, obwohl oder vielleicht auch weil man im weltweiten Netz mit Informationen überschwemmt wird.

In der Broschüre sollen Fördermöglichkeiten aufgezeigt werden. „Wir wollen außerdem darüber informieren, was man mit Denkmalbehörden abstimmen muss“, so Anja Wettstein. In einer Art Leitfaden wird aufgezeigt, wie man eine Sanierung am besten anpackt.

Immer belastender

Sanierungsvorhaben werden aufgrund steigender Zinsen immer schwieriger, heißt es von der Denkmalschutzbehörde Nürnberger Land. Aber auch der Fachkräftemangel stelle ein immer größeres Problem dar. Oft sei es schwer, jemanden zu finden, der sich mit den speziellen Arbeitstechniken, die eine Denkmalsanierung erfordert, auskennt. Dass es extrem lange dauert, bis bestimmte Baumaterialien geliefert werden, sei längst kein Einzelfall mehr.

Allein der Unterhalt denkmalgeschützter Altbauten stellt laut der Denkmalschutzbehörde wegen der „enorm gestiegenen Preise“ für Material, Handwerkerleistungen und Energie eine hohe Belastung dar. Die Denkmalschutzbehörde hilft Kaufinteressierten, indem sie Rat und Auskunft gibt. Die Fragestellungen ähneln sich: Was darf verändert werden? Ist eine energetische Ertüchtigung möglich? Gibt es Zuschüsse? Wenn ja, in welcher Höhe?

Die Anfragen bei der Kreisheimatpflege des Landkreises nach käuflichen Baudenkmälern gingen gegenüber den Jahren vor 2012 stark zurück. In den vergangenen zwölf Monaten waren es weniger als ein Dutzend. Nicht selten jedoch wenden sich Bürger an die Kreisheimatpflege, weil sie sich um den Erhalt gefährdeter Gebäude sorgen.

In der südniedersächsischen Fachwerkstadt Hannoversch Münden packen Bürger selbst mit an. Sie gründeten 2013 die Bürgergenossenschaft Mündener Altstadt. Die kauft leer stehende Fachwerkhäuser, saniert sie und vermietet sie danach. Vorstandsmitglied Bernd Demandt freut sich über eine höchst positive Entwicklung: „Unsere Genossenschaft wächst an Mitgliedern und an Objekten, und zwar ohne staatliches Zutun.“ Von den aktuell 400 Mitgliedern arbeiteten auch einige auf den Baustellen mit: „Wir machen viel in Eigenleistung.“

Die Genossenschaftler sind von beachtlicher Emsigkeit. „Derzeit schließen wir unser drittes Sanierungsprojekt ab und beginnen danach sofort mit der Sanierung eines weiteren Gebäudes“, so Bernd Demandt. Ein fünftes Projekt befindet sich in der Warteschleife. Initiativen wie jene in Hannoversch Münden sind deutschlandweit noch selten. „Ich selbst kenne lediglich drei weitere Bürgergenossenschaften“, sagt Bernd Demandt. Keine davon befinde sich in Süddeutschland. (Pat Christ)
 

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