Kommunales

Wenn man davon leben muss, ist Straßenmusikant ein harter Job. (Foto: dpa/Daniel Karmann)

18.10.2019

Gitarre ja, Trompete nein – und um 20 Uhr ist Schluss

Straßenmusikanten müssen in bayerischen Kommunen eine Menge Vorschriften beachten

Es klingt nach einem Leben voller Freiheit und Abenteuer. Aber in einem Land wie Deutschland haben auch die Straßenmusiker eine Menge Regeln zu beachten. Die Staatszeitung hat sich in bayerischen Städten umgehört, wie sich ihr Alltag genau gestaltet.

Dass jemand unwirsch reagiert, sagt Raphael Hussl, darauf muss man jederzeit gefasst sein: „Das darf einen nicht aus der Ruhe bringen.“ Die meisten Menschen jedoch mögen die Musik, die der 25-Jährige auf der Straße präsentiert. Vor fünf Jahren wagte es der Würzburger Student der Musikpädagogik zum ersten Mal, öffentlich zu spielen. „Zum einen, weil ich Erfahrung als Musiker sammeln wollte“, berichtet er. Aber natürlich reizte auch das Geld. An sehr guten Tagen nimmt Hussl auf der Straße 100 Euro ein.

Oft gelingt es dem jungen Mann, das Interesse der Passanten zu wecken. Sie unterbrechen ihren Weg von A nach B. Bleiben stehen. Hören in ein Lied hinein. Hören sich vielleicht sogar zwei oder drei Lieder an. Einige wenige stehen sich fest. „Aber nach einer halben Stunde muss ich den Standort wechseln“, berichtet der Gitarrist und Sänger. So sieht es die Genehmigungspraxis der Stadt Würzburg vor.

Wobei Raphael Hussl noch Weiteres beachten muss. Er darf frühestens um 10 Uhr morgens mit dem Spielen beginnen. Um 20 Uhr muss er seine Sachen zusammenpacken. Mit Gitarre aufzutreten, ist in Würzburg okay, keinesfalls dürfte Hussl jedoch in eine Trompete blasen. Wie viele andere Städte auch, verbietet die Stadt Würzburg „besonders störende Musikinstrumente“. Darunter fallen beispielsweise auch Dudelsäcke.

Zuletzt nahmen Beschwerden zu

Eine Genehmigung kostet fünf Euro am Tag, wobei es die nur dann gibt, wenn sich der Andrang in Grenzen hält: Täglich werden höchstens fünf Genehmigungen erteilt. Insgesamt stiegen in Würzburg die Anfragen von Straßenmusikern. Gleichzeitig nahmen die Beschwerden der Anwohner und Geschäftsleute zu – vor allem im Sommer. Dadurch wurden mehrmals täglich Kontrollen durch den Ordnungsdienst nötig.

Auch in Nürnberg gibt es Menschen, die Straßenmusik in Harnisch bringt. „Doch im Verhältnis zu den ausgegebenen Genehmigungen sind Beschwerden eher selten“, sagt Claus Fleischmann, Leiter des Nürnberger Liegenschaftsamts. Um zu vermeiden, dass die Beschallung überhandnimmt, ist Straßenmusik auch in Nürnberg reglementiert. Viele Regeln sind mit denen in Würzburg identisch. Auch in Nürnberg werden nur fünf Genehmigungen pro Tag ausgegeben. Die Straßenmusiker müssen ebenfalls alle 30 Minuten ihren Standort wechseln. Sie müssen dabei mindestens 100 Meter Abstand zum vorherigen Platz einhalten und dürfen diesen am gleichen Tag nicht wieder aufsuchen.

Das alles klingt für Straßenmusiker wenig liberal. Wobei es zahlreiche Ausnahmen von den Regeln gibt. In Würzburg zum Beispiel ist die gesamte Genehmigungspraxis am „Stramu“, dem alljährlich im September organisierten Straßenmusikfestival, obsolet. Anders wäre das Festival nicht machbar. In Nürnberg wird beim Bardentreffen, dem Kultur-event „Blaue Nacht“ sowie während des Christkindlesmarkts von den Regularien abgewichen. Bei Musikschul-Events wird das Verbot „lärmintensiver Instrumente“ aufgeweicht. Vier Mal am Tag dürfen Musikschüler dann ein halbstündliches „Standkonzert“ auch mit Trommeln oder Blasinstrumenten bringen.

"Beschwerden kommen immer von den gleichen Leuten"

Dass es Menschen gibt, denen Straßenmusik auf den Geist geht, bestätigt Ulrike Siebenhaar, Pressesprecherin der Stadt Bamberg. „Beschwerden kommen allerdings meist von den gleichen Leuten“, sagt sie. Besonderen Unmut erzeugen Straßenmusiker, die sich nicht an die Regeln halten. Wobei kein Musiker sagen kann, er hätte nicht gewusst, was er beachten oder unterlassen muss: „Unsere Richtlinien sind direkt an der Genehmigung angehängt, außerdem werden die Musiker nochmal mündlich auf sie hingewiesen.“

Wer einen Tag lang in Bamberg aufspielen möchte, muss ebenfalls mehrmals den Standort wechseln: Die 30-Minuten-Regel gilt auch hier. Allerdings darf schon um 9 Uhr mit dem Spielen begonnen werden. Lautsprecher und Verstärker sind prinzipiell verboten. Das ist auch in Nürnberg so. In Würzburg ist man diesbezüglich nicht mehr so streng. Ohne elektronische Beschallung sei für „einige Instrumente kein und für die Gesangsleistung nur eine sehr begrenzte Spiel- beziehungsweise Singweise“ möglich, stellte die Stadt fest. Deshalb ist seit 2018 eine Hintergrund-Teilverstärkung „leise und rücksichtsvoll“ für elektronische Musikinstrumente mit Tonabnehmer erlaubt.

In München wiederum wurde festgelegt, dass Straßenmusik prinzipiell unverstärkt sein muss. Jeder Standort darf eine Stunde lang genutzt werden. An jedem Werktag werden jeweils fünf Genehmigungen vormittags zwischen 10 und 14 Uhr sowie weitere fünf Genehmigungen nachmittags zwischen 15 und 22 Uhr ausgestellt. Jeder Musiker kann von Montag bis Samstag an zwei Tagen berücksichtigt werden. An Sonn- und Feiertagen, wenn das Spielen in vielen anderen Städten verboten ist, werden bis zu zehn Erlaubnisse zwischen 13 und 22 Uhr erteilt, die nicht auf die Werktagsgenehmigungen angerechnet werden.

Tonträger mit eigenen Werken dürfen verkauft werden

Noch etwas ist in München erlaubt, was anderswo ein No-Go oder eingeschränkt ist: Tonträger mit eigenen Werken dürfen verkauft werden. In Nürnberg ist dafür eine zusätzliche Genehmigung nötig, die zehn Euro pro Tag kostet. Die Erlaubnis zur Straßenmusik allerdings kostet hier nur vier Euro. München verlangt zehn Euro.

Die Faustregel lautet: Je mehr Einwohner eine Stadt hat, umso strikter ist Straßenkunst geregelt. So müssen sich Straßenmusiker, die in der Millionenstadt München auftreten, zwei eng beschriebene DIN-A-4-Seiten zu Gemüte führen. Für Straßenmaler und „Statuen“ gibt es noch mal gesonderte Regeln auf einem eigenen Merkblatt. „Wir in Dingolfing hingegen haben über die Auftritte bisher noch keine schriftlichen Regelungen getroffen“, informiert Werner Petschko, der das Ordnungsamt der niederbayerischen Kreisstadt leitet. Straßenmusikern wird allerdings auch hier nahegelegt, spätestens halbstündlich den Standort zu wechseln: „Verstärker sind bei uns nicht erlaubt.“

Für die meisten Dingolfinger ist Straßenmusik okay. Wobei sich die Anzahl der Auftritte in Grenzen hält. „In den vergangenen zehn Jahren sind mir nur zwei Beschwerden bekannt geworden“, erzählt Petschko. Einmal spielte ein Trompeter direkt unter dem Fenster einer therapeutischen Praxis. Das wurde als massive Ruhestörung empfunden. Die zweite Beschwerde erhob eine Geschäftsinhaberin: „Ihr kam der Gesang des Musikers nach einer Zeit zu falsch vor.“

Restriktionen seien wegen der bisher geringen Auftritte nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Gerade während des Wochenmarkts stehe das Ordnungsamt einer musikalischen Unterhaltung „wohlwollend“ gegenüber.

Auch wenn Kommunen hin und wieder in ein Dilemma geraten, weil sie die Freiheit der Kunst gegen das Recht auf Ruhe abwägen müssen, ist Straßenmusik in Bayern kein allzu großes Problem. Als zunehmend problematisch hingegen wird die Tatsache angesehen, dass Passanten Lautsprecher mit sich führen, die teilweise ganze Straßenzüge beschallen. Erst kürzlich musste deshalb in Bamberg die Polizei gerufen werden: Um 2 Uhr nachts hatten mehrere Personen den Lautsprecher aufgedreht. Erst mäßigten sie sich. Als die Beamten weg waren, drehten sie wieder auf. Die Ruhestörung wurde schließlich durch die Sicherstellung des Lautsprechers unterbunden. (Pat Christ)

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