Was in Bayern bisher kaum für möglich gehalten wurde, scheint eingetreten zu sein: Wassermangel kann zu einem Problem werden. Sinkende Grundwasserpegel, Hitzeperioden und der Streit um die Verwendung des knapper werdenden Gutes Wasser vonseiten der Kommunen, der Landwirte und der Getränkeindustrie sind nur einige Stichworte, zu denen jetzt eine Expert*innenrunde in München tagte. Eingeladen hatten die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung und die Bayerische Akademie Ländlicher Raum zu einem Sommerkolloquium mit dem Titel „Wassergerechtigkeit in Stadt und Land“.
Stiftungsreferentin Silke Franke zeigte zum Auftakt den derzeitigen Problemhorizont auf, wie er in den Nachrichten zu hören und zu lesen ist. Da sind die von Dürre heimgesuchten Regionen in Italien, in denen der Wassernotstand ausgerufen wurde. Da ist der Konflikt in Berlin um den Wasserverbrauch des Autobauers Tesla. Da ist der Streit um die kommerzielle Nutzung des Tiefengrundwassers im Altmühltal. Und da ist schließlich die Einladung der bayerischen Staatsregierung zu einem „Runden Tisch Wasser“, wo es um den Umgang mit der auch in Bayern immer knapper werdenden Ressource geht.
Dürren, Waldbrände – das alles kommt nun auch zu uns
Auch Holger Magel, Ehrenpräsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum, konstatierte: „Ja, jetzt kommt alles knüppeldick, und zwar alles auf einmal.“ Von Afrika, Asien, Amerika seien wir das ja lange schon gewohnt gewesen: Dürren, Waldbrände, verendende Tiere oder oft gleichzeitig heftige Überschwemmungen und Erosionen riesigen Ausmaßes, weil die ausgetrockneten Böden nichts mehr aufnehmen können oder weil natürliche Rückzugsräume verbaut und versiegelt wurden. Aber das sei „ja Gott sei Dank so weit weg“ gewesen. Dürren in Spanien oder Süditalien machten uns da schon nervöser. Und nun erlebten wir auch bei uns immer häufigere Unwetter, Starkregen, Überflutungen, Hochwasser, Hitzerekorde und Dürren.
Wobei, so Magel, das Thema Wassergerechtigkeit an Bedeutung gewinne. Basierend auf global gültigen Menschenrechten, gehe es dabei um die vier Gerechtigkeitsdimensionen der Chancen-, Verteilungs-, Verfahrens- und Generationengerechtigkeit. Ein Beispiel sei der Streit in Mindelheim: „Wenn das Wasser nicht mehr für alle reicht. Wasserkraftbetreiber oder Fischzüchter – Wer hat Vorrang?“, so die Schlagzeile in den Medien. Inzwischen vergehe „kein Tag“ ohne solche Konfliktmeldungen, „selbst im wasserreichen Südbayern“.
Eine weltgeschichtliche Perspektive nahm Martin Grambow ein, Abteilungsleiter für Wasserwirtschaft und Geologie im bayerischen Umweltministerium – quasi der „oberste Wasserbeamte“ des Freistaats. Sein Thema war „Wasserwirtschaft im Anthropozän“ – also des Zeitalters, das durch die menschliche Tätigkeit geprägt ist; sein Anfang wird in der Wissenschaft auf die Mitte des 20. Jahrhunderts datiert. Auch Grambow war um Superlative nicht verlegen, gehe es heute doch um die „Schicksalsstunde unserer Wasserwirtschaft“. Heute sähen wir neben den positiven Folgen des technischen Fortschritts auch die negativen Nebenwirkungen, welche die Erfolge nun infrage stellten. Da unsere Einflüsse auf die Umwelt inzwischen stärker seien als das Vermögen der Natur zur Erneuerung, müsse der Mensch sich aus kritischen Bereichen zurückziehen.
Den ethischen Aspekten der Wassernutzung ging Martin Schneider, Professor für Moraltheologie und Christliche Sozialethik an der Katholischen Universität Eichstätt, nach. Wasser sei zunächst einmal „ein Gemeingut, das man nicht dem Markt überlassen könne“. Wasser sei auch als „kritische Infrastruktur“ zu sehen, mittels welcher der Staat in der Lage sein sollte, auch unvorhergesehene Ereignisse abfedern zu können. Und Wasser sei eine Frage der Gerechtigkeit: „Jeder braucht es, jeder hat ein Recht auf Wasser.“
Schneider plädierte für eine „Revolution des Menschenbilds“ und die „Überwindung des Anthropozäns“: Nicht alles sei machbar, sondern der Mensch eingefügt in die Ökosysteme. Könnte man nicht denken, dass auch diese Ökosysteme, dass Tiere oder Flüsse „Rechte“ haben? Eine Perspektive, unter der man die Bewohnbarkeit des Planeten sichern müsse.
In der anschließenden Diskussionsrunde plädierte Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbands, für eine „multifunktionale Nutzung der Flächen in Bayern“ – sodass sowohl der Frage der Ernährung als auch der Energiegewinnung, der „Dekarbonisierung und dem Naturschutz Genüge getan werde. Norbert Bäuml von der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung skizzierte den Zeitenwandel: Habe es bisher geheißen, das Wasser „rauszuholen“ (also Moore und Felder zu entwässern), gehe es nun darum, das Wasser in der Landschaft zu halten.
Schwammstädte und neue Schutzgebiete sind nötig
Zum Beispiel mit sogenannten Schwammstädten oder Schwammsiedlungen, wie sie Stephan Pauleit, Professor an der TU München, beschrieb. Sein Thema „Urbane Resilienz“ – also wie die Städte gegen den Klimawandel beziehungsweise die steigenden Temperaturen gewappnet werden können – umfasste verschiedene städtebauliche Maßnahmen, um der Hitze in der Stadt zu begegnen. Bäume statt Parkplätze etwa, die Begrünung von Hausfassaden und Dächern, die Schaffung von Frischluftkorridoren und Grünflächen statt Individualverkehr. Um das Wasser im Boden der Stadt wie in einem Schwamm zu speichern, müsse der Versiegelung Einhalt geboten werden. Tiefgaragen sein dabei aber hinderlich.
Ein Plädoyer für die Trinkwasserversorgung und die Einrichtung von Wasserschutzgebieten hielt Juliane Thimet, Vizegeschäftsführerin des Bayerischen Gemeindetags. Sie kritisierte das „Sankt-Florian-Prinzip“ („verschon’ unser Haus, zünd’s andere an“) bei der Einrichtung von Schutzgebieten; derzeit gebe es 400 dieser Verfahren mit Laufzeiten bis zu 20 Jahren.
Einen die sonstige Alarmstimmung eher relativierenden Beitrag gab Karl Auerswald vom Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie der TU München. Seine Aussage: „Es gibt genug Wasser – fünfmal mehr, als wir benötigten.“ Aber wir würden damit nicht sorgsam genug umgehen. Das Wasser sollte versickern können, statt durch versiegelte Böden abgeleitet zu werden.
(Rudolf Stumberger)
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