Kommunales

Die bisherige Rathauskoalition aus der freien Wählervereinigung Junge Liste und Sozialdemokraten hatte keine Mehrheit mehr. (Foto: dpa/Oliver Berg)

19.05.2020

Höchstädter SPD-Stadtrat lässt sich von der AfD zum Zweiten Bürgermeister wählen

Bayerische Parteispitze droht nach Vorfall in mittelfränkischer Kommune mit Ausschluss

Als sich der Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich im Februar dieses Jahres mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten des Landes wählen ließ, kam auch von den Sozialdemokraten lautstarker Protest: Ein Demokrat dürfe sich nicht mit den Stimmen von Rechtspopulisten in ein Amt bringen lassen. Der Liberale habe umgehend zurückzutreten.

Nun hat die bayerische SPD ihre eigenen Causa Kemmerich. Günther Schulz, der für die Genossen im Stadtrat der knapp 14 000 Einwohner zählenden Stadt Höchstadt im Landkreis Erlangen-Höchstadt sitzt, ließ sich am Montag, 11. Mai, mit den Stimmen der AfD zum Zweiten Bürgermeister wählen. Gleiches gilt für den Dritten Bürgermeister Axel Rogner von der örtlichen Jungen Liste (JL) , einer den Freien Wählern nahestehenden Vereinigung.

Auf Nachfrage sagte Carsten Träger, Bundestagsabgeordneter und Bezirksvorsitzender der SPD in Mittelfranken, zur Staatszeitung: „Als SPD Mittelfranken finden wir diesen Umstand sehr bedauerlich. Die Annahme der Wahl zum Zweiten Bürgermeister heißen wir ausdrücklich nicht gut – auch wenn Günter Schulz ein verdienstvoller Sozialdemokrat und beliebter Kommunalpolitiker ist. Denn es ist unsere erklärte Politik, eine Wahl nur dann anzunehmen, wenn sie zweifelsfrei durch demokratische Parteien getragen ist. Dazu zählen wir die AfD nicht. In keinem Fall darf nach unserer Auffassung eine Mehrheit abhängig von der Zustimmung der AfD sein.“

Günther Schulz lehnt Rücktritt ab

Sollte der Kommunalpolitiker nicht freiwillig vom Bürgermeisterposten zurücktreten, droht Träger, werde man juristische Schritte für einen Parteiausschluss prüfen. Dieser Forderung schloss sich inzwischen auch Bayerns SPD-Landesvorsitzende Natascha Kohnen an.

Doch Günther Schulz denkt nicht daran, zurückzutreten – und er erläutert gegenüber der Staatszeitung seine Beweggründe. Es gäbe eine seit 18 Jahren andauernde erfolgreiche Zusammenarbeit der Höchstädter SPD mit der Jungen Liste. Diese habe man unbedingt fortsetzen wollen. Doch dann trat drei Tage vor der konstituierenden Sitzung des Stadtrats ein Mitglied von der Jungen Liste zur CSU über – wodurch die Mehrheit der orange-roten Koalition von Bürgermeister Gerald Brehm (JL) im Kommunalparlament verloren ging.
Man habe, berichtet Schulz, Gespräche mit den Grünen geführt.

 

Doch diese wollten lieber mit der CSU zusammenarbeiten. „Wir hofften zumindest auf eine Stimme der Grünen und die Wahl lief ab“, erzählt Schulz den weiteren Gang der Ereignisse Das Ergebnis war bei beiden Vertreter 13:12. Wer hat bei der geheimen Wahl die 13. Stimme abgegeben ? Schon da traten Vermutungen auf es könnte der AfD-Mann gewesen sein.“ Am nächsten Tag habe AfD-Stadtrat Christian Beßler in den sozialen Medien seine entsprechende Stimmabgabe bekannt gegeben. Man habe mit Beßler jedoch „keinerlei Vereinbarungen“ getroffen, versichert Schulz.

"Dann muss man die AfD eben verbieten"

Und dann beklagt sich Schulz bitter über das Verhalten seiner eigenen Partei: „Der E-Mail-Verkehr, angestoßen von der Stadträtin Alexandra Hirsemann, erreichte fast alle Mandatsträger und Vorstände der SPD in Mittelfranken. Ich selbst wurde von keinem der Vorsitzenden oder Mandatsträger informiert.“ Ein wenig neidisch blickt er auf seinen Bürgermeisterkollegen Axel Rogner. Gegen den seien von seiner Partei bisher keine Rücktrittsforderungen erhoben worden, weil es bei den Freien Wählern – anders als bei der SPD – kein Verbot gibt, sich mit Stimmen der AfD in ein Amt wählen zu lassen.

Rückendeckung bekommt der Rathaus-Vize auch vom Ersten Bürgermeister Brehm: Für Kritik und Rücktrittsforderungen zeige er kein Verständnis: Abstimmungsergebnisse mit 13 zu zwölf Stimmen müssten in einem Stadtrat Bestand haben dürfen, sonst sei auch keine Sachpolitik möglich. Extremismus und Fremdenhass seien ihm zuwider, versicherte as Gemeindeoberhaupt. Dennoch müsse Demokratie „ein bisschen AfD aushalten“ – ansonsten müsse man die Partei auf Bundesebene verbieten. (André Paul)

Bildunterschrift: Günther Schulz, SPD-Stadtrat in Höchstadt und Zweiter Bürgermeister. (Foto: SPD)

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