Kommunales

Jedes 5. Krankenhaus ist von Insolvenz bedroht. (Foto: dpa/Patrick Pleul)

10.02.2023

Immer mehr Kliniken stehen vor dem Zusammenbruch

Dramatischer Appell des Bayerischen Städtetags

Die kommunalen Krankenhäuser funken schon länger SOS – aber so schlimm wie derzeit war die Lage noch nie, konstatiert Bayerns Städtetagsvorsitzender Markus Pannermayr (CSU), es herrsche eine „gewaltige Dramatik“. Inzwischen sei die Zukunftsfähigkeit der Gesundheitsversorgung bedroht. Die Energie-, Material- und Personalkosten stiegen immer weiter, so Pannermayr: „Die Leistungen sind nicht mehr zu erbringen.“

Stationen müssen schließen, Schwerkranken werden vor der Notaufnahme abgewiesen. Und die Fehlbeträge der Häuser kletterten immer höher: in Amberg und Fürth auf 10 Millionen Euro und in Bayreuth sogar auf 28 Millionen Euro, nannte der Städtetagsvorsitzende konkrete Beispiele. „Zuverlässige Wirtschaftspläne aufstellen ist nicht mehr möglich.“ Jede 5. Klinik sei inzwischen von Insolvenz bedroht.

Die wichtigste Forderung der Kommunen an die Bundespolitik: Die Fallpauschalen – sie legen bereits bei der Einlieferung eines Kranken fest, wie viel dessen Behandlung kosten darf und wann er wieder entlassen werden muss, unabhängig von der individuellen Schwere und dem konkreten Verlauf der Erkrankung – gehörten endlich weg. Und die versprochenen 6 Milliarden Euro des Bunds aus dem Härtefallfonds müssten „schnell und unbürokratisch fließen“. Auch gelte es, nicht nur die Energie-, sondern auch die Medikamenten-, Lebensmittel- und Materialkosten auszugleichen. Viel weiteren Gestaltungsspielraum haben die Kommunen ja auch nicht bei bis zu 90 Prozent Fixkosten und einem Personalkostenanteil, der bei mehr als zwei Dritteln der Gesamtkosten liegt.

 

"Die Fallpauschale muss endlich weg"


Der Verbandschef hatte sich bei seinem Hilferuf zwei Kollegen an die Seite geholt: den Rosenheimer Oberbürgermeister Andreas März (CSU) und den OB von Ingolstadt, Christian Scharpf. Aus Rosenheim berichtet Andreas März, dass aufgrund des Personalmangels zwischenzeitlich 100 Betten gesperrt werden mussten. Er rechnet in diesem Jahr mit einem mindestens einstelligen Millionendefizit.

In Ingolstadt schaut es noch düsterer aus. Dort stehe mit 1200 Betten und 3500 Beschäftigten eines der größten kommunalen Krankenhäuser Bayerns, erläuterte Christian Scharpf: „Und bis zur Pandemie haben wir auch knapp schwarze Zahlen geschrieben. Aber seit Corona sind die Fallzahlen um 15 Prozent zurückgegangen.“ Im vergangenen Jahr habe das Ingolstädter Krankenhaus bereits einen Verlust von 13 Millionen Euro tragen müssen, heuer rechne man bereits mit 20 Millionen Euro, „und wenn es richtig schlimm kommt – dann werden es sogar 65 Millionen Euro“, befürchtet der Oberbürgermeister. Das sei bei einem städtischen Haushalt mit insgesamt nur 90 Millionen Euro nicht durchzuhalten.

Obendrein, so Christian Scharpf, müsse das 40 Jahre alte Haus derzeit auch teuer generalsaniert werden, „und bestimmte Parteien fordern dann auch gleich, es müsse eine energetische Sanierung sein“, machte der Rathauschef seinem Unmut Luft. mindestens 57 Millionen Euro werde das Projekt mindestens kosten. „Davon erstattet mir der Freistaat aber nur 60 Prozent.“ Noch habe man in Ingolstadt einen schuldenfreien Haushalt, „aber wir verzeichnen einen gigantischen Einwohnerzuwachs und deshalb wird unsere Finanzkraft nicht mehr ausreichen“.

Für die Region 10, die das kreisfreie Ingolstadt gemeinsam mit den Nachbarlandkreisen Pfaffenhofen, Eichstätt und Neuburg-Schrobenhausen bildet, wird jetzt bis Jahresende ein Gutachten erstellt. Das soll verstärkte Kooperationen ausloten, womöglich aber auch Fusionen mit den kleineren Kreiskrankenhäusern.

 

Städte: Länder und Bund streiten auf unserem Rücken



Auch der bayerische Städtetagsvorsitzende ist überzeugt, dass es ohne eine grundlegend Reform der Krankenhauslandschaft künftig nicht mehr gehen werden. Eine kurzfristige kräftige Finanzspritze linderten zwar über die akuten Probleme, langfristig müsse aber an den Strukturen gearbeitet werden. „Leider bindet man uns kommunale Praktiker bei den entsprechenden Planungen des Bunds nicht ein“, bedauert Pannermayr.

Für Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek ist das, was Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) da gerade erarbeiten lässt, sowieso der falsche Weg. In einem Gutachten versuchte der Ressortchef des Freistaats die angeblichen negativen Folgen der geplanten Krankenhausreform des Bunds aufzuzeigen. „Mit dem derzeitigen Konzept drohen drastische Einschnitte“, meint Klaus Holetschek.

Er ist überzeugt: 53 der rund 400 bayerischen Krankenhäuser könnten durch die Reformpläne auf das sogenannte Level I i herabgestuft würden. „Das bedeutet, sie könnten künftig nur noch eine ambulant-stationäre Basisversorgung anbieten, zum Beispiel bei Diabetes- oder Kreislaufproblemen. An diesen Häusern könnten keine Notfallversorgung und keine reguläre stationäre Versorgung mehr stattfinden“, sagt der Minister. Aus dem Haus von Karl Lauterbach heißt es dagegen, der bayerische Kollege würde Panik schüren.

Die Oberbürgermeister finden zwar auch, Lauterbach setze seine – grundsätzlich richtige – Reform ziemlich „hopplahopp“ und; haben für politische Machtspielchen zwischen Berlin und München wenig Verständnis: Wir fordern Bund und Länder auf, sich zusammenzuraufen und sich nicht auf unserem Rücken zu streiten.“ (André Paul)

 

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