Kommunales

Für die Autobahnpolizei hat die Sicherung von Gefahrenstellen und Unfallstellen Vorrang. Es bleibt deshalb also angesichts des Personalmangels wenig Spielraum für die Verkehrsüberwachung. (Foto: dpa)

29.03.2018

Immer weniger Kontrollen

Bayerns Autobahnpolizei ist personell noch schlechter besetzt als viele innerstädtische Inspektionen

Auf Bayerns Autobahnen wird, trotz aller Versprechungen, wenig kontrolliert. Das liegt vor allem am Personalmangel, der bei den Verkehrspolizeistationen überdurchschnittlich groß ist und sich bei einem obendrein ständig wachsendem Verkehrsaufkommen besonders bemerkbar macht. Die Kommunen entlang der Strecken sind verärgert.

Der Fahrer des braunen Mercedes-Kombi aus den Niederlanden hat offensichtlich starkes Heimweh. Auf der kurvenreichen Strecke der Autobahn A8 zwischen Chiemsee und Rosenheim rast er mit gut 180 km/h Richtung München. Dass hier ein Limit von 100 km/h und bei der nahen Raststätte sogar nur 80 km/h vorgeschrieben ist, interessiert ihn wenig. Vorschriftsmäßig fahrende Autos werden rechts überholt. Der Niederländer hat Glück. Polizeikontrollen hat er hier kaum zu fürchten. Festinstallierte Tempokontrollen gibt es hier nicht, und die früher üblichen Messungen bei der Raststätte Samerberg finden kaum noch statt.

Iststärke liegt bis zu einem Viertel unter der Sollstärke

Das ist kein Zufall. Die für die bayerischen Autobahnen zuständigen Autobahnpolizeistationen, im Fachjargon kurz APS genannt, leiden ebenso wie die Verkehrspolizeiinspektionen (VPI) unter er-heblichem Personalmangel – und zwar deutlich mehr als der Durchschnitt aller bayernweiten Inspek-tionen. Laut einer Aufstellung des bayerischen Innenministeriums über die personelle Soll- und Iststärke der Polizeiinspektionen auf eine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Klaus Adelt vom Februar 2017 gibt es gerade bei der Verkehrspolizei deutliche Fehlbestände. So war zum Jahresbeginn 2017 die VPS Freising mit 83 Beamten Sollstärke und 65 Beamten Iststärke um ein knappes Viertel unterbesetzt, fehlen bei der APS Holzkirchen neun von den erforderlichen 45 Mitarbeitern.

Der Personalmangel bei der bayerischen Polizei ist generell ein altbekanntes Problem. Derzeit beträgt der Bestand an Überstunden bei den bayerischen Dienststellen rund zwei Millionen, hat jeder Be-amte im Schnitt einen Bestand von etwa 60 Überstunden. Dass dieses Problem bei der Verkehrs-polizei besonders gravierend ist, fiel bislang in der Öffentlichkeit kaum auf. „Die Autobahnpolizei steht bei der Zuteilung neuer Beamter etwas hinten an“, sagt Peter Schall, bayerischer Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Bei der Verteilung neuer Mitarbeiter werden andere Prioritäten gesetzt, vorrangig ist der Schichtdienst lebensfähig zu halten. Grundsätzlich werden daher die normalen Inspektionen bevorzugt bedient, kam doch seit 2015 die verstärkte Grenzsicherung als zusätzliche Aufgabe hinzu.

Verkehrsfrequenz hat deutlich zugenommen

Für die Autobahnpolizei hat das in der täglichen Arbeit weitreichende Konsequenzen. Grundsätzlich hat die Sicherung von Gefahrenstellen und Unfallstellen Vorrang. Es bleibt deshalb also wenig Spielraum für die Verkehrsüberwachung. Dabei hat gerade auf den Autobahnen die Verkehrsfrequenz deutlich zugenommen. Bei der Straßenverkehrszählung von 2015 ergab sich für das Autobahnkreuz München-Nord ein Zuwachs von 4,8 Prozent von 2010 bis 2015. Täglich sind das im Schnitt 153 100 Kraftfahrzeuge. An besonders verkehrsreichen Tagen müssen auch umliegende Polizeiinspektionen bei der Unfallaufnahme auf den Autobahnen aushelfen. In den Gemeinden entlang der Autobahnen häufen sich die Beschwerden der Bürger über Raser. Doch die Bürgermeister sind machtlos, können nur auf die Landespolitik verweisen. Das aber schafft Unmut unter der Bevölkerung.

Für Johannes Klinger, Stationsleiter bei der Autobahnpolizei an der A8 bei Holzkirchen, ist das allerdings ein Teil der ganz normalen Arbeit. „Umgekehrt unterstützen wir auch die Landkreis-Dienststellen bei Einsätzen oder mit unserem Messfahrzeug bei der Verkehrsüberwachung,“ so Klinger. Ein Bereich, der in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, das ist die Kontrolle der parkenden LKW, die oft wegen Platzmangel recht risikoreiche Standorte wählen. In Holzkirchen sind ein Abstands-Messbus und zwei Geschwindigkeits-Messfahrzeuge mit Video im Einsatz. Außerdem gibt es ein Fahrzeug für stationäre Tempokontrollen an 100 vorgegebenen Messstationen. Dazu könnte man schon mehr Mitarbeiter vertragen, erfährt man in Holzkirchen.

Mitarbeiter der Station durch viel Verwaltungsarbeit gebunden

Von den aktuellen Neueinstellungen ist dort noch nichts angekommen. Verschärft wird das Problem auch dadurch, dass die Mitarbeiter der Station durch viel Verwaltungsarbeit gebunden sind und bei Einsprüchen der betroffenen Lenker auch bei den Gerichtsverhandlungen vorstellig werden müssen. Dass man wie in Österreich mehr fix eingerichtete Mess-Stationen und die dort vor einigen Jahren eingeführte Section Control zum Einsatz kommen, gehört nicht zu den Plänen bei der bayerischen Polizei. Bei der Section Control wird die Zeit gemessen, die Verkehrsteilnehmer für das Durchfahren einer konkreten Strecke brauchen, aus der dann die Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt und als Basis für eventuelle Maßnahmen genommen wird. Mit gezielten Aktionen will man die Öffentlichkeit für eine vernünftige Fahrweise sensibilisieren, aber auch das leidet unter dem Personalmangel.

Immerhin: Für heuer kündigte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) 1800 Neueinstellungen an. Dafür hat man die Ausbildungskapazitäten erhöht. „In den nächsten Jahren werden zwar rund 2500 neue Stellen bei der Polizei hinzu kommen“, rechnet der SPD-Landtagsabgeordnete Peter Paul Gantzer, „das wird dann aber immer noch zu wenig sein.“

Ein Problem, das viele Polizeibereiche betrifft, ist der qualitative Verlust durch eine hohe Zahl von anstehenden Pensionierungen. „Hier geht viel praktische Erfahrung verloren, die zunächst durch schulisches Wissen nicht vollwertig ersetzt werden kann,“ sagt Stationsleiter Johannes Klinger, „deshalb versuchen wir, dass in der Praxis das Wissen der erfahrenen Kollegen bestmöglich auf die neuen Beamten übertragen wird.“ Dieses Phänomen betrifft gerade die Verkehrspolizei, bei der im Streifeneinsatz diese praktische Erfahrung sehr wichtig ist. (Georg Weindl)

Kommentare (2)

  1. alexander p. am 03.04.2018
    Warum gibt's denn noch Autos mit 150PS oder mehr? Die braucht doch keiner. Überall nur noch 30er und 40er Zonen. Auf der im Artikel angegebenen Autobahn bei Rosenheim sind gefühlt seit 40 Jahren (so weit kann ich mich zurückerinnern) nur Dauerbaustallen bis zu Grenze nach Österreich. Tempo 80 ist ja schon mal das höchste der Gefühle dort. Wenn mal 120 km/h erlaubt sind glaubt man das kaum.
    Es liegt an der Autoindustrie und der "Kumpanei" mit unserer Politik wie es im vorigen Kommentar schon beschrieben wurde.

    Ich kann mir aber oft eine Schadenfreude nicht verbergen, wenn ich am Irschenberg mit meiner Familie, im Stau stehe und der fette Porsche mit einem jungen Schnösel drinnen auch nicht vorwärtskommt. Aber da spricht wohl eher der Neid aus mir ;-) Da streichele ich doch immer kurz über das Armaturenbrett meines 8 Jahre alten Reimport Hyundai. Und das Auto gehört auch noch mir und nicht der Bank.........
  2. Zitrone am 29.03.2018
    Die Sparära Stoiber lässt grüßen und die Versprechungen und Selbstdarstellungen des Bay. IM hatten und haben mit der Wirklichkeit nur bedingt zu tun. Speziell für die Autobahnen gibt es doch eine Lösung. Tempo 130 und an alle Mautbrücken (vorhanden und geplant) kommt ein "Blitzer". Außerdem werden die Strafen den Nachbarländern angepasst. D.h. ggf. Einziehung es Fahrzeugs. Der Fahrer kann Zug und Taxi benutzen. Noch eine futuristische Idee für die Digitalministerin. Wenn sowieso alle Fahrzeuge fernlenkbar sind, greift eine automatische Geschwindigkeitssenkung auf die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit ein und bremst ein Fahrzeug ab. .
    Aber das Ganze ist ist eh futuristisch. Solange unsere Verkehrspolitik durch die Autoindustrie gesteuert wird, passiert gar nichts. Stattdessen werden weiterhin mit Steuergeldern aufwendige Steuerungsanlagen errichtet. Natürlich ohne Geschwindigkeitskontrollen. Auch wenn es nur eine Minderheit am Gesamtverkehr ist, so fallen mir doch immer wieder, ausländische Kennzeichen auf mit weit überhöhter Geschwindigkeit. Warum sich die CSU nicht mit gleicher Penetranz für das gleiche Strafrecht für alle einsetzt, wie bei der Maut, ist mir klar. Wer bei BMW und Audi am Kamin sitzt, hat nix zu sagen.
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