Leere Parkplätze sieht man in Rosenheim tagsüber eher selten. Bei dem Autohaus in der belebten Kufsteiner Straße ist das derzeit Normalzustand. „Wir haben unsere Gebrauchtwagen nach vorne zur Straße hin geparkt, damit es nicht so auffällt“, erklärt der Inhaber. Was nicht so auffallen soll, das plagt derzeit den gesamten Autohandel. Die Lieferengpässe bei elektronischen Bauteilen und da speziell bei den Halbleitern sorgen seit Monaten dafür, dass der Autokauf allmählich Formen annimmt wie einst in der DDR. Neuwagen sind oft Mangelware und werden nur mit längeren Lieferzeiten angeboten, die dazu auch nur vage zu prognostizieren sind.
Wartezeiten von sechs bis zwölf Monaten sind derzeit an der Tagesordnung. Produktionsstopps bei den Herstellern – wie sie zum Beispiel Audi in Ingolstadt im Spätsommer und Herbst für mehrere Modellreihen durchgeführt hatte – ebenso. Der Autohandel kämpft mit massiven wirtschaftlichen Problemen, für die er nichts kann und die kaum beeinflussbar sind. „Im Jahr 2021 wurden in Deutschland rund 2,7 Millionen Pkw-Neufahrzeuge zugelassen. Der Anteil der Marke Ford liegt bei ungefähr 135 000 Stück; im Jahr 2020 wurden insgesamt 2,92 Millionen Fahrzeuge zugelassen, davon 194 250 Ford-Modelle“, sagt Willi Bonke, Geschäftsführer bei der Auto Eder Gruppe in Kolbermoor und Tuntenhausen.
Zahl der Neuzulassungen sank um rund 35 Prozent
Im Oktober sank die Zahl der Neuzulassungen in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt um 35 Prozent auf knapp 180 000 Pkw im Vergleich zum Vorjahresmonat. Solche Umsatzrückgänge gehen auf Dauer an die Substanz. Der Autohandel stehe derzeit mit dem Rücken zur Wand, beklagt der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) in Bonn. Der Mangel sorgt für teilweise dramatische Aktionen. Da werden Zubehörteile wie Sitzheizungen, kabellose Ladestationen, Audiosysteme oder Touchscreens ersatzlos gestrichen. Bei Tesla sollen laut Medienberichten manche Modelle ohne USB-Anschlüsse produziert worden sein, die später beim Kunden nachgerüstet wurden.
Als wäre das noch nicht genug, kommt auf die Autobranche noch eine Magnesiumkrise hinzu. Magnesium braucht man für die Herstellung von Aluminium, was gerade in Zeiten der Elektromobilität extrem gefragt ist. Mit Leichtbau und damit mit dem Einsatz von reichlich Aluminium versuchen die Hersteller die massiven Gewichtszuwächse bei den Elektroautos zu kompensieren – die oft mehr als zwei Tonnen schwer sind wegen der üppigen Batterien. Je mehr Reichweite man der Kundschaft bieten will, desto größer und schwerer werden die Batterien. Und das Magnesium kommt ähnlich wie bei den Halbleitern zu einem beträchtlichen Teil aus China. Von Juni bis September 2021 hat sich der Preis von Magnesium gut verdreifacht laut der Deutschen Rohstoffagentur.
Und die Preise sollen weiter steigen, denn in China – dem weltweit führenden Produzenten, wo 44 Prozent der globalen Magnesiumproduktion entstehen – sind wegen Energiesparmaßnahmen weitere Produktionseinschränkungen geplant. Den Magnesiumproduzenten wird der Strom abgedreht.
Überbrückung mit Jahres- und Gebrauchtwagen
Kund*innen müssen sich derzeit also in Bescheidenheit und Geduld üben. Das ist aber nur eine Seite der Halbleiterkrise. Speziell im Firmenwagengeschäft sind verlässliche Termine eigentlich selbstverständlich. Fahrzeuge der gehobenen Preisklassen werden hier üblicherweise geleast. Und zwar mit fixen Terminen. Wenn aber das Folgemodell nicht geliefert werden kann, wird es eng, droht auch die Gefahr, den Kunden an die Konkurrenz zu verlieren.
„Wir versuchen die fehlenden Neuwagen mit Überbrückungslösungen zu kompensieren, stellen Ersatz mit Jahreswagen und Gebrauchtwagen, bis der Neuwagen geliefert werden kann“, sagt Jörg Brand, Geschäftsführer bei der händlereigenen Fuhrparkmanagement-Gesellschaft im Volkswagenkonzern F+SC in Eschborn. Es schiebt sich alles offensichtlich nach hinten. Für wie lange, das ist nur schwer vorherzusehen.
Zusätzlich zu den Lieferschwierigkeiten leidet das Geschäft auch wegen der coronabedingten Restriktionen, die den Parteiverkehr einschränken.
Dazu sorgt das ebenfalls coronabedingte reduzierte Verkehrsaufkommen für weniger Fahrleistungen, was zwar ökologisch vorteilhaft ist, dem Autohandel damit aber auch geringere Auslastungen im Servicebereich beschert. Zu leiden haben im Handel vor allem auch die Autoverkäufer*innen. „Bei den drastischen Umsatzrückgängen sind die Verkäufer, die üblicherweise einen fixen Gehaltanteil von zehn bis 20 Prozent haben und erheblich weniger Provisionen einnehmen, besonders hart betroffen“, sagt Willi Bonke. „Bislang konnten wir das mit speziellen Unterstützungen noch ausgleichen.“ Wie lange sich die Versorgungskrise noch auswirken wird, ist schwer absehbar. Fachleute rechnen damit, dass dies bis ins zweite Halbjahr 2022 so bleiben könnte. Ein kleines Trostpflaster für den Handel ist indes, dass Gebrauchtwagen deutlich gefragter sind und sich auch teurer verkaufen lassen.
(Georg Weindl)
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