Zwar weht über den Wipfeln des Bayerwalds Wind – aber der ist meist zu schwach, um Windräder anzutreiben. Der Plan von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW), auf den Hügeln im Osten des Freistaats Strom zu erzeugen, bleibt in der Umsetzung also ungewiss. Außerdem befürchtet man, damit Tourist*innen abzuschrecken.
„Wo die Waldorgel braust und der Wipfelwind saust – oa Glück und oa Jubel, wohins’d nur grad schaust“, ertönt es am Ende der Waidler-Messe rund um Arber, Lusen und Dreisessel im Bayerischen Wald. Aber weder der Wind an der Waldorgel im Tal noch der Wipfelwind hoch über den Bergfichten reicht aus, um auf Wunsch von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) mit einigen rentablen Windrädern Öko-Strom zu erzeugen. Grund: Der sogenannte Böhmwind von Osten wachelt kalt, aber zu schwach.
Noch schwächer ist die Begeisterung der Bayerwald-Gemeinden, in den Großstädten unerwünschte Windräder hinten im „Woid“ zu verstecken und damit die wirtschaftlich dringend notwendigen Tourist*innen abzuschrecken. Allerdings: Martin Pichler (CSU), Bürgermeister der Marktgemeinde Schönberg im Landkreis Freyung-Grafenau am Rand des Nationalparks Bayerischer Wald, argumentiert nicht wie in Ferienregionen üblich mit „Verschandelung“ der schönen Landschaft.
Der Artenschutz verhindert den Bau ebenfalls
Martin Pichler empfiehlt dem Wirtschaftsminister vielmehr „einen Blick in den Windatlas seines Hauses. Da könnte Herr Aiwanger lesen, dass die topografische Höhe für gute Windverhältnisse nicht ausschlaggebend ist: ,Dies zeigt sich beispielsweise im Bayerischen Wald, der relativ hoch gelegen ist, aber aufgrund des kontinentalen Klimas sowie der regionalen orografischen Gegebenheiten tendenziell windschwächere Verhältnisse bietet.‘ Das besagt alles!“, befindet der Rathauschef.
Die Bayerwald-Berge ziehen sich in Nord-Süd-Richtung am Böhmerwald entlang, bremsen die Windstärke von Westen wie Osten ab und melken die Niederschläge aus den Wolken. Viele Klima-Politiker*innen in München wie Berlin dagegen glauben zu wissen, wer am geringen Ausbau der Windkraft in Bayern schuld ist: der frühere Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der in der Landesbauordnung die sogenannte 10H-Regel eingeführt hat – das Zehnfache der Windradhöhe als Mindestabstand von den nächsten Wohngebäuden. Und das heißt bei 200 Metern Höhe pro Windradl eben zwei Kilometer Abstand.
Nach örtlicher Gegebenheit entscheiden
Pichlers Kollege, der Bürgermeister der Kreisstadt Freyung, Olaf Heinrich (CSU), ergänzt: „Die wenigsten Kritiker wissen, dass in diesem Gesetz auch steht: ‚Die Kommunen können in ihrer Bauleitplanung Ausnahmen dazu bestimmen.‘ Das bedeutet, dass betroffene Kommunen im Gemeinderat oder per Bürgerentscheid darüber befinden können, ob und wo sie Windräder haben wollen und wo nicht. Das finde ich auch gut, denn es überlässt die Entscheidung den Betroffenen nach örtlicher Gegebenheit.“
Aiwangers Idee, ein paar Hundert Windräder mitten in den Wäldern zu verstecken, stößt in den Bayerwald-Gemeinden entlang der tschechischen Grenze noch auf diverse andere Widerstände. In der Bevölkerung gibt es nicht nur wegen des Landschaftsbilds als Basis des Tourismus Bedenken gegen Windräder oder Windparks. Im Natur- und Nationalparkgebiet führen auch viele Einwände des Artenschutzes zu Bauverboten. Damit wurden bisher Versuche von Windpark-Planungen im Bereich Zwiesel und Rinchnach abgewehrt. Auch wegen mangelnder Windkraft gibt es im Landkreis Regen nur ein einziges genehmigtes Windrad; es wurde allerdings nie gebaut, weil es nicht rentabel ist.
Auf weitere Hindernisse für Windräder weist Bürgermeister Heinrich hin und wirkt dabei nicht gerade unglücklich: „In Freyung dürfen wir ohnehin keine Windräder aufstellen, denn auf dem Sulzberg in Bischofsreut werden in zwei seismischen Messstationen Atomtests auf der ganzen Welt gemessen. In einer Bannmeile von 15 Kilometer Umkreis dürfen keine Windräder gebaut werden, die mit Vibrationen die feinen Messungen stören würden.“
Überwachung des Kernwaffenteststopp-Vertrags
Die Internationale Seismische Primärstation GERES dient zur Überwachung des Kernwaffenteststopp-Vertrags, misst aber auch Wellen von Erdbeben oder Explosionen, die sich im Erdinneren ausbreiten. Die Windrad-Bannmeile betrifft das gesamte Gebiet um den Dreisesselberg und den Berg Haidel sowie die Stadt Waldkirchen.
Gudula Lermer, die Leiterin des Staatsforstbetriebs Neureichenau, befindet: „Auch in unseren Forstrevieren bis an die Donau und den Neuburger Wald am Inn gibt es bisher kein einziges Windrad.“ Die gesamte Planungsregion Donau-Wald hat nur wenige halbwegs geeignete Standorte für Windkraftanlagen ausgewiesen.
Die Bürgermeisterin der Gemeinde Ringelai, Carolin Pecho (SPD), bestätigt das: „Bei uns hat 2015 eine energetische Untersuchung ergeben, dass hier die Windkraft nicht rentabel ist. Wir sind mit Wasserkraft gut aufgestellt und haben zudem die Solarkraft auf den Dächern kräftig ausgebaut – einschließlich von drei neuen Trafostationen. Wir sind auch ohne Windrad 100 Prozent CO2-neutral.“
Dieser Meinung ist auch Bürgermeister Pichler: „Wir haben Solaranlagen auf vielen Dächern und wollen lieber hier noch Potenziale nutzen, statt auf Ackerflächen in die Natur einzugreifen. Windkraft in unserer Region reicht halt nicht aus, um wirtschaftlich Strom zu erzeugen.“ (Hannes Burger)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!