Auf Deutschlands Kommunen rollt eine Sparwelle zu, wie es sie noch nie zuvor gegeben hat. Das belegt eine jetzt vorgestellte Studie der in Stuttgart ansässigen Unternehmensberatung EY, die auf einer Umfrage unter 301 deutschen Kommunen mit mindestens 20 000 Bewohnenden beruht. Verantwortlich dafür seien vor allem die explodierenden Energiekosten, aber auch die unaufhörlich wachsenden Belastungen durch den Flüchtlingsansturm sowie die deutlichen Tariferhöhungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst.
Für das laufende Jahr erwarten die Städte in Deutschland, dass die Ausgaben für Energie um 24 Prozent steigen werden. Änderung ist nicht in Sicht: Für 2023 rechnen alle befragten Städte mit steigenden Energieausgaben, fast die Hälfte (45 Prozent) geht sogar von stark oder sehr stark steigenden Kosten von mindestens 20 Prozent aus. Da die Einnahmen voraussichtlich weniger stark steigen, wird die Zahl der Städte mit einem Haushaltsdefizit voraussichtlich weiter zunehmen: von 50 Prozent im Vorjahr auf 59 Prozent im laufenden Jahr. Einen Haushaltsüberschuss werden voraussichtlich nur noch 11 Prozent der Städte vorweisen können. Im Vorjahr waren es 13 Prozent, im Jahr 2019 hingegen noch 54 Prozent. Mehr als die Hälfte der Gemeinden (54 Prozent) muss die eigenen Ausgaben durch Einschnitte bei kommunalen Leistungen senken. Im Vorjahr hatten nur 26 Prozent der Städte entsprechende Sparpläne.
Ausgeglichene Haushalte werden immer seltener
„Seit 2020 sinkt der Anteil der Kommunen mit einem ausgeglichenen Haushalt rapide. Dabei haben Bund und Länder die Kommunen mit umfangreichen Coronahilfen entlaste – sonst wäre die Situation der kommunalen Haushalte noch viel schlechter. Zudem konnten einige Kommunen in der Phase wirtschaftlicher Stabilität zwischen 2016 und 2019 -Reserven anlegen beziehungsweise Schulden abbauen. Die Situation dürfte sich jetzt aber ändern: Für das kommende Jahr rechnen wir mit einer steigenden kommunalen Verschuldung“, erläutert Sven-Joachim Otto, Leiter des Bereichs Government & Public Sector Solutions in Deutschland bei EY.
Gerade im Bereich Energie setzen die Städte derzeit umfassende Sparmaßnahmen um. In fast allen Kommunen (98 Prozent) wird die Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden schon jetzt oder in Zukunft begrenzt. Mehr als jede zweite Gemeinde (51 Prozent) hat bereits die Straßenbeleuchtungen reduziert oder wird dies tun, um Energie zu sparen. Knapp die Hälfte (45 Prozent) plant mit der vorübergehenden Schließung von Büros mit geringer Auslastung oder setzt dies bereits um. Und fast jede dritte Kommune schließt die Hallen- und Freibäder oder schränkt deren Betrieb ein.
„Energiesparen, indem man die die Raumtemperatur senkt und die Straßenbeleuchtung ausschaltet, ist das eine. Viel wichtiger aber sind Effizienzmaßnahmen, die langfristig Energieverbräuche mindern oder nachhaltige Energieträger einsetzen. Leider plant aber nur jede zweite Kommune eine Aufstockung der hierfür nötigen Investitionsmittel. Die aktuellen Maßnahmen sind völlig unzureichend“, befindet Experte Sven-Joachim Otto.
Das Niveau früherer Zeiten kommt nicht mehr zurück
Nicht zuletzt die große Zahl von Geflüchteten – deren Unterbringung und Integration in Kindergärten und Schulen von den Kommunen sichergestellt werden muss – führt zu erheblichen Mehraufwendungen. Die Folge: Die Schulden vieler Kommunen steigen. Das Minus der Städte beläuft sich inzwischen auf rund 137 Milliarden Euro. Jede dritte deutsche Kommune rechnet mittelfristig mit einer Zunahme ihrer Schulden.
Langfristig werden die Kommunen ihrer Bevölkerung nicht mehr das Niveau früherer Zeiten bieten können, prophezeit der Berater von EY – und rät deshalb zu Schwerpunktsetzungen. „Vor dem Hintergrund wahrscheinlich sinkender Einnahmen und steigender Ausgaben wird es für sie deshalb immer wichtiger, Prioritäten bei Investitionen und Verwaltungsaufgaben zu setzen. Die Verwaltungen sollten mit den Räten insbesondere in den Bereichen Dekarbonisierung und Digitalisierung realistische Zielhorizonte abstecken und diese mit entsprechenden Investitionsbudgets unterlegen. Weiterhin ist zu erwarten, dass trotz angespannterer Wirtschaftslagelage der regionale Arbeitsmarkt häufig nicht ausreichen wird, die notwendigen Fachkräfte für die anstehenden Aufgaben zu akquirieren.“
Kurzfristig, so Sven-Joachim Otto, werden die Kommunen gezwungen sein, ihre Einnahmen zu erhöhen, so dass es wohl erneut eine Welle an Grund- und Gewerbesteuererhöhungen geben wird: 31 Prozent der befragten Kommunen planen derartige Steuererhöhungen. (BSZ)
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