Kommunales

Die Personalkosten verschlingen den Hauptanteil des Etats der rollenden Bibliotheken. (Foto: DAPD)

21.12.2012

Literatur auf Achse

Der Betrieb von Büchereibussen wird auf dem flachen Land immer schwieriger

Büchereibusse sollen Literatur in die Regionen bringen, in denen weniger mobile Menschen wohnen: Senioren und Kinder. Inzwischen gibt es die rollenden Bibliotheken in Bayern aber fast nur noch in größeren Städten. Für viele Landkreise dagegen wird die Finanzierung auf Dauer zu teuer. Droht nun kulturelle Verarmung im ländlichen Raum?
Büchereibusse oder speziell angefertigte Lastwagen steuern vor allem Schulen und Vororte an, in denen es keine Stadtteilbibliotheken gibt und an denen die Kunden, die nicht so mobil sind, ihrer schon harren. Anders sieht es in den meisten Landkreisen aus: „Die haben sich sukzessive zurückgezogen“, sagt Klaus Dahm, Leiter der Landesfachstelle für öffentliche Bibliotheken bei der Bayerischen Staatsbibliothek. Man bedaure das zwar, aber besonders dramatisch sei die Entwicklung nun auch wieder nicht: Immerhin gibt es in Bayern 1600 Bibliotheken in Gemeinden unter 10 000 Einwohnern. Flächenmäßig ist der Freistaat also recht gut mit Büchereien versorgt. Diese Aufgabe teilen sich Kommunen und kirchliche Träger. Aber dort, wo das Land dünner oder recht verstreut besiedelt ist, wird’s mau.
Die Zahl der fahrbaren Bibliotheken in den Landkreisen jedenfalls ist in Bayern recht überschaubar. Über die Dörfer fahren laut Adressenliste des deutschen Fahrbibliothekenverbunds der Bücherbus Altusried, die Autobücherei Kronach und die Kreisfahrbüchereien Dillingen an der Donau und Neustadt an der Aisch. Die Leiterin der dortigen Kreisbücherei, Cordula Eckerle, verwaltet drei Büchereien in Neustadt, Bad Winsheim und Scheinfeld und dazu einen Bücherbus, der im Drei-Wochen-Turnus etwas über 100 Haltestellen im Landkreis abfährt. Das kostet im Jahr 190 000 Euro, den größten Anteil haben Personalkosten. Vormittags werden die Grundschulen angefahren, nachmittags zuckelt der Bus über die Dörfer. Zwar gibt es auch ein Angebot an Erwachsenenmedien, den Hauptanteil machen aber die Medien für Grundschulkinder aus. Nicht zuletzt wegen dieser frühkindlichen Leseförderung wurden die Fahrbibliotheken „in den Städten auch nie in Frage gestellt“, so Klaus Dahm.

Eine Pflichtaufgabe


In München beispielsweise gibt es solche fahrbaren Literaturlieferanten schon seit 1928. Siegfried Kalus, der Leiter der Fahrbibliotheken der Stadt, verweist darauf, dass von fünf Büchereibussen in der Stadt vier nur Grundschulen anfahren, der fünfte ist für Erwachsene im Stadtrandgebiet da; von den 20 000 aktiven Nutzern sind 19 000 Kinder. Und weil, sagt Kalus, das Hauptanliegen auch in der Förderung der Lese- und Medienkompetenz dieser Altersgruppen ist, sind die Schulhöfe ideale Parkplätze der Büchereibusse. Dort gewinnen sie Leser, „die sonst nie den Weg in eine Bibliothek fänden“. Wenn alle hingehen, gibt’s keine Scheu, und so, sagt Kalus nicht ohne Stolz, erreicht man „zirka 98 Prozent der Kinder“.
Die Stadtbibliothek Ingolstadt gehört zu den wenigen kommunalen Büchereien, die auch Gemeinden außerhalb des Stadtgebiets anfahren. Seit 1979 besucht ein Lastwagen mit Spezialaufbau auch Orte außerhalb für „Leute, die nicht so mobil sind,“ sagt Monika Wenk, Leiterin des Bücherbusses Ingolstadt. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind die Medien für Kinder, Jugendliche und die Senioren. Ihre Beobachtung: Wo der Bücherbus hinkommt, wächst grundsätzlich die Neugierde auf die Bücher, die elektronischen Ton- und Bildträger, die Zeitschriften und Zeitungen. Dabei muss sich die angefahrene Gemeinde allerdings beteiligen – und nicht jede hat diese Möglichkeit.
Dass Kommunen eine derartige Bücherversorgung in ihren Umland-Gemeinden überhaupt unternehmen können, dafür könnte theoretisch auch die Kreisumlage sorgen. Aber genau hier liegt ein Teil des Problems: Das „Eichenau-Urteil“ aus dem Jahr 1992 verbietet nämlich Mischfinanzierung, also dass Landkreise für etwas dazu- zahlen sollen, für das sie nicht originär zuständig sind. Ein Kompetenzproblem mithin. Bundesweit wird unter anderem genau für die Lösung solcher Zuständigkeitsfragen ein Bibliotheksgesetz auf Länderebene angemahnt. Eine Enquete-Kommission des Bundestags hat schon im Jahr 2007 gefordert, dass öffentliche Bibliotheken keine freiwillige Leistung, sondern Pflichtaufgabe sein sollten.
Das Eichenau-Urteil war laut Klaus Dahm einer der Gründe für den Rückgang der Fahrbibliotheken in Bayern: Kommunen bleiben lieber in ihren Stadtgrenzen. Dabei gab es früher schon immer eher traditionelle Bücherbus-Gegenden wie Mittelfranken und relativ wenig befahrene wie Südbayen. Bundesweit relativ gut flächenversorgt ist das Bundesland Schleswig-Holstein. 112 Bibliotheksfahrzeuge sind derzeit bundesweit im Einsatz, die häufigsten Träger sind Städte (55,4 Prozent) und Landkreise (22,8 Prozent). In der weit überwiegenden Mehrzahl werden sie von Kindern und Jugendlichen genutzt. Und weil „der Auftrag der Bibliothek die Leseförderung“ ist, ist man eben auch außerhalb der festen Häuser unterwegs, sagt Rüdiger Kunstfeld, Leiter der Fahrbibliothek Erlangen. Rund 4500 Medien, von Büchern bis CDs, sind im Erlanger Bus zu haben. Dort gilt, was in allen Fahrbibliotheken Bayerns die Regel ist: Man kann auch Bücher aus dem Hauptbestand bestellen. Und es gilt das Diktum von Samantha Federl, Leiterin des Bücherbusses Augsburg: „Rentieren tut sich’s auf jeden Fall.“ Allein für die ganz Jungen und die Älteren. (Christian Muggenthaler)

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