Kommunales

Für Naturfreunde ist der Bayerische Wald ein leicht zu erwanderndes Eldorado. (Foto: dpa/Klaus Rose)

07.08.2020

Mehr Öko im Bayerwald

Was die Nationalpark-Erweiterung bringt

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) war gut beraten, auf den Warnruf des Landrats Sebastian Gruber (CSU) von Freyung-Grafenau zu hören und die zweite Erweiterung des Nationalparks (NP) Bayerischer Wald nicht einfach zu verkünden, ohne die Bürgerschaft vor Ort vorher anzuhören. Darum dürfte dieses Vorhaben harmonischer ablaufen als bei der ersten Erweiterung 1997. Nach zwei Wochen mit Informationen und Anhörungen von Einwänden in Sprechstunden in Mauth und Finsterau haben alle Gemeinderäte der Erweiterung des NP-Parkgebiets grundsätzlich zugestimmt, ohne dass Proteste laut wurden. Wenn die durchwegs vernünftigen Bedingungen und ebenso notwendigen wie finanzierbaren Forderungen der Gemeinde erfüllt werden, ist diesmal kein Widerstand der Bürgerschaft aus Angst vor Heimatverlust zu erwarten.

Für Außenstehende stellt sich aber nun die Frage, worin denn der ökologische und touristische Wert des Erweiterungsgebiets zwischen den Nationalparken Bayerischer Wald und Böhmerwald besteht. Für Naturschutz-Funktionäre und Naturfreunde außerhalb der Region handelt es sich nur um 600 bewirtschaftete Hektar Staatswald im Forstbetrieb Neureichenau. Dessen Leiterin Gundula Lermer, Vorsitzende des Bayerischen Forstvereins, sagt dazu: „Der Staatsforst ist noch nicht gefragt worden. Aber fachlich kann ich nur sagen: Es ist ein schöner, bestens naturnah gepflegter und ertragreicher Bergmischwald aus Fichten, Tannen, Buchen und Ahorn.“ Für die Menschen der Grenzregion geht es aber um ihre Heimat. Sie wissen, dass dieser Wirtschaftswald vom Forst trotz nachhaltiger Holznutzung weitgehend nach Kriterien des Naturschutzes gepflegt wurde.

"Goldene Steige"

Die Gemeinde Mauth-Finsterau liegt am Fuße des Grenzbergs Lusen an einem der historischen Salzhandelswege von Donau und Inn nach Böhmen. Diese hießen wegen des lukrativen Handels auch "Goldene Steige". Die Gemeinde besteht aus elf Ortsteilen mit rund 2300 Einwohnern. Das abgelegene Dorf Finsterau liegt auf 1000 Metern Höhe und ist immer noch ziemlich schneesicher. Die Kreisstraße von Freyung über Mauth endet auf dem 1130 Meter hohen Wistlberg. Der Grenzübergang nach Tschechien ist nur zu Fuß oder per Rad passierbar: Das Dorf wurde nach dem Krieg von den Kommunisten beseitigt.

Mauth-Finsterau ist eine der Nationalparkgemeinden, die aber im Naturpark liegen. Sie grenzt an zwei Nationalparke an, den bayerischen und den böhmischen – der aber auf Höhe von Mauth nur Naturpark-Status hat. Der Unterschied zwischen einem Naturpark – wo Land- und Forstwirtschaft, sowie kommerzieller Handel und Tourismus betrieben werden dürfen – und einem Nationalpark mit dem höchstem Anspruch an Naturschutz erschließt sich fast nur Fachleuten.

Durch Übernahme des Gemeindegebiets in den Nationalpark wird es zwar naturschutzrechtlich zu höherem Ansehen befördert. Aber es hat bereits eine touristisch attraktive und ökologisch wertvolle Landschaft. Die höchste Erhebung ist mit 1263 Metern der Siebensternkopf an der nördlichen Grenze zum NP Sumava. Im Westen des Erweiterungsgebiets verläuft die Grenze zum bayerischen Nationalpark am renaturierten Reschbach entlang; dessen Quellen sind auf tschechischer Seite (Cerna Hora, 1315 Meter), wo auch die Warme Moldau entspringt.

Leicht zu erwanderndes Eldorado

Die vielen Quellen, Bergbäche und Wildwasser sind für Naturfreunde ein leicht zu erwanderndes Eldorado. Im geplanten Erweiterungsgebiet hat der Forstbetrieb Neureichenau bei mehreren ökologischen Projekten mit dem Bayerischen Jagdverband und Naturschutz-Verbänden eng zusammengearbeitet. Im Mauther Revier wurde die verlandete Hammerklause entschlammt, die Gewässer wieder für Besatz mit Forellen und Saiblingen hergerichtet und Feuchtbiotope zu natürlichen Lebensräumen für Fischotter gestaltet. Über diesen informiert eine Ausstellung im Otterhaus des Jagdverbands.

Früher für die Holztrift aufgestaute Klausen wie die Hammerklause und die Teufelsbachklause sind inzwischen wie natürliche Seen eingewachsen und laden zum romantischen Verweilen ein. Diesen Rastplatz haben auch amerikanische Soldaten genossen, die hier bis zur Grenzöffnung am Eisernen Vorhang Patrouillen fuhren.

Einwohnerschaft will nicht unter die Glasglocke

Ein besonderes Naturerlebnis sind die Filze (Hochmoore), darunter auch der vom Forst renaturierte und mit einem Rundwanderweg erschlossene Finsterauer Filz. Weitere Artenschutzprojekte des Forstbetriebs Neureichenau sind ein Monitoring der Luchs-Population mit Fotofallen sowie die Verbesserung der Lebensbedingungen für Birkhühner durch die Renaturierung von Mooren. Deren Population beiderseits der Grenze ist wie die der Auerhühner die einzige im Bayerischen Wald. Sonst gibt es sie nur im Alpenraum und in der Rhön. Wegen der klimatischen Lage auf bis zu 1000 Metern wächst und gedeiht in diesem Gebiet eine bunte Artenvielfalt an Wild- und Heilkräutern. Die Kräutergemeinde Mauth bietet ein umfangreiches Programm mit Heilpflanzen an. Gäste können bei Wanderungen und Kochkursen mit 15 Kräutergärten lernen.

Die Einwohner*innen von Mauth-Finsterau wollen sich jetzt nicht unter eine Glasglocke stellen lassen. Alte Brennholz und Quellnutzungsrechte, Wander- und Radwege, Loipen und freien Zugang zu Wald, Wildbächen und Klausen wollen sie behalten, ebenso die besonders behindertengerechten Langlaufzentren. Bürgermeister Ernst Kandlbinder (CSU) sagt: „Wir erhoffen uns von der Erweiterung neuen Schwung, einen touristischen Mehrwert und die Verbesserung der kommunalen Infrastruktur.“ Mehr Besucherwerbung mit dem Nationalparklogo macht auch wenig Sinn, wenn so schlechte Straßen- und Busverbindungen einschließlich Parkplatzmanagement nicht deutlich verbessert werden.
(Hannes Burger)

Kommentare (1)

  1. Markus am 08.08.2020
    Eine gute Sache, den Nationalpark Bayerischer Wald zu erweitern.

    Die Menschen in der betreffenden Region Mauth-Finsterau werden es gerne zur Kenntnis genommen haben, insbesondere weil es sich bei dem Erweiterungsgebiet um 600 Hektar bewirtschafteten Staatswald handelt.
    Es ist nachvollziehbar, dass sie alte Brennholz und Quellnutzungsrechte, Wander-und Radwege, Loipen und freien Zugang zu Wald, Wildbächen und Klausen behalten wollen, ebenso die behindertengerechten Langlaufzentren.
    Wir gehen davon aus, sie haben sich juristisch gut beraten lassen und sich diese Rechte in geeigneter Vertragsform zusichern lassen.

     

     
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