Kommunales

Die von den SWM angegebene Stromerzeugung bezieht sich auf ein Durchschnittsjahr – das macht in der Klimabilanz einen großen Unterschied. (Foto: dpa/Michael Bihlmayer)

11.07.2025

Meilenstein oder Zahlentrick?

Die Stadtwerke München erzeugen nun mehr Ökostrom, als die Landeshauptstadt verbraucht – angeblich

Seit August 2009 klebt im Chefbüro der Stadtwerke München (SWM) ein inzwischen vergilbter Ausdruck an der Wand. Aufgehängt hat ihn Florian Bieberbach, Vorsitzender der Geschäftsführung des kommunalen Energieversorgers – als Ansporn und Motivation. Denn auf dem Zettel steht ein Stadtratsbeschluss aus dieser Zeit, der den SWM das Ziel verordnet, bis 2025 mehr Ökostrom in ihren Anlagen zu produzieren, als in München verbraucht wird.

Dieser Vorsatz sei ihm damals „arg ehrgeizig“ vorgekommen, sagte Florian Bieberbach gerade erst bei einer Pressekonferenz der SWM. Doch nun könne er „stolz verkünden“, dass die Stadtwerke das Ziel erreicht haben. So werden in ihren Anlagen heuer insgesamt 6,7 Terawattstunden (TWh) Ökostrom erzeugt – mithin mehr als der Verbrauch in München, der im laufenden Jahr bei 6,2 TWh liegen soll. Damit übertrifft die Produktion erstmals den Bedarf, zumindest rechnerisch.

Denn die von den SWM angegebene Stromerzeugung bezieht sich auf ein Durchschnittsjahr. In der Realität werde dieser Wert heuer jedoch kaum erreicht werden, prognostiziert Bieberbach. Schließlich sei 2025 bislang europaweit ein „besonders schlechtes Windjahr“. Und die Windkraft wiederum spielt bei der Energieerzeugung der Stadtwerke die mit Abstand wichtigste Rolle. So stammt circa 90 Prozent ihres Ökostroms aus Windkraftanlagen in ganz Europa – an Land vor allem in Skandinavien, im Meer insbesondere vor der deutschen Nordseeküste.

Dabei war die Windkraft im Jahr des Stadtratsbeschlusses 2009 noch unbedeutend für die Stromproduktion der Stadtwerke, ebenso wie andere erneuerbare Energien. Vielmehr sei der Erzeugungsmix „typisch für einen Energieversorger der damaligen Zeit“ gewesen, erinnert sich Bieberbach. „Wir hatten einen Riesenblock Kernenergie, zwei große Blöcke Erdgas und Kohle, aber nur 0,4 Terawattstunden Ökostrom.“

Die Linke spricht von „Irreführung der Bürger“

Doch infolge der Stadtratsentscheidung starteten die SWM eine umfassende Neuausrichtung. Durch den Neubau und Zukauf von Anlagen wurde der Erzeugungsmix grundlegend verändert: Heute stammt der Großteil des produzierten Stroms aus erneuerbaren Energien – wiewohl fossile Brennstoffe immer noch für 2,1 TWh verantwortlich sind. Dieser Strom wird in Gasheizkraftwerken erzeugt, an denen die SWM auch weiterhin festhalten werden, betont Bieberbach. Schließlich dienten diese Anlagen der Fernwärmeversorgung in München.

Genau hier setzt jedoch auch Kritik an, etwa von der Rathaus-Opposition. „Wie kann die Regierungskoalition von 100 Prozent Ökostrom reden, während zwei Gaskraftwerke in München weiterlaufen“, fragt etwa Stefan Jagel (Linke). „Das ist eine völlige Irreführung der Bürger.“ Als „Zahlentrick“ bezeichnet seine Fraktion die Erfolgsmeldung der SWM. Denn: „Mehr als drei Viertel dieses erneuerbaren Stroms wird überregional in Norwegen, Großbritannien, Polen oder Schweden produziert und erreicht München wegen fehlender Strom-trassen kaum oder gar nicht.“

Tatsächlich hat die Ausbauoffensive der SWM überwiegend fernab von München stattgefunden – ein Punkt, der immer wieder kritisiert worden ist. Ein Grund hierfür sei die restriktive 10H-Regel in Bayern gewesen, sagt Bieberbach. „Sie hat unsere komplette Projektpipeline bei der Windenergie in Bayern getötet.“ Aktuell werden bloß 7,6 Prozent des SWM-Ökostroms im Freistaat erzeugt, trotz etwa 250 regionaler Projekte. Beim Großteil von ihnen handelt es sich um Photovoltaikanlagen; hinzu kommen mehrere Geothermieprojekte sowie zwei Windräder in Fröttmaning.

Darüber hinaus seien weitere Windkraftanlagen in Planung, sagt Karin Thelen – etwa in Schernfeld im Landkreis Eichstätt. Der Schwerpunkt beim regionalen Ökostrom werde aber weiter auf der Sonnenenergie liegen.

Derweil wollen die SWM ihre Ausbauoffensive auch außerhalb Deutschlands fortsetzen, vor allem im Bereich Windkraft. Aktuell gebe es „sehr rege Aktivitäten“ mit zwei Firmen, die hierzulande große Windparks bauen wollten, sagt Bieberbach. Zudem hoffe man auf eine weitere Offshore-Anlage in Großbritannien. Projekte wie diese sind laut dem SWM-Chef auch insofern notwendig, als der Stromverbrauch in München steigen wird, vor allem aufgrund von Wärmepumpen und der zunehmenden Elektromobilität. Für 2030 rechnen die Stadtwerke mit einem Bedarf von 6,8 TWh in der Landeshauptstadt; zehn Jahre später sollen es 8,2 TWh sein.

Der Ausbau der Ökostromproduktion müsse also weitergehen, betont Bieberbach – zumal sich dieser auch wirtschaftlich rechne. Seit 2009 hätten die SWM 4,2 Milliarden Euro in die Ausbauoffensive gesteckt, wovon bereits 3,5 Milliarden Euro zurückgeflossen seien. In den vergangenen fünf Jahren habe man mit der Ökostromerzeugung einen durchschnittlichen Gewinn von 130 Millionen Euro erzielt, so Bieberbach. Und dieses Geld sei auch in die Münchner Infrastruktur geflossen – etwa in den öffentlichen Nahverkehr. (Patrik Stäbler)

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