Vor Hochwasser möchten alle Bürger geschützt werden. Polder sind eine mögliche Maßnahme – doch dagegen regt sich vielerorts Widerstand bei Bürgern, die um den Wert ihrer Immobilien und die Schönheit der Landschaft bangen. Häufig springen ihnen lokale Politiker bei. Ein Beispiel aus dem Landkreis Regensburg.
Die Heimat von Stefan Kramer hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Dort, wo der Landwirt aus dem Ort Kiefenholz im Landkreis Regensburg lebt, hat die Donau durch den Ausbau die Ausmasse eines Stausees angenommen. Bereits seit 1979 führt eine Autobahnbrücke über den Fluss. Das alles reicht dem Mitglied der IG Flutpolder. Vehement wehrt er sich gegen Bestrebungen, dass künftig weite Flächen in der Nähe seines Heimatdorfs im Falle eines Hochwassers überschwemmt werden können.
Das Thema „Flutpolder“ treibt viele Menschen im Landkreis Regenburg um. Und das schon seit vier Jahren. Erst Ende März 2018 trafen sich Flutpolder-Gegner neuerlich mit Josef Feuchtgruber, Leiter des Wasserwirtschaftsamts Regenburg, zu einem presseöffentlichen Termin im Landratsamt. „Das war heute mein 78. Flutpolder-Termin in Sachen Öffentlichkeitsarbeit“, so der Behördenchef, dessen Team untersucht, welche Auswirkungen die Polder haben könnten.
Weit gediehene Analysen
Die Analysen sind weit gediehen. Mitte des Jahres könnte das Raumordnungsverfahren eingeleitet werden. Wenn die Politik das will. Der Ärger über die „Zumutung“, Flutpolder vor die Haustür gebaut zu bekommen, nimmt eher zu als ab. „Vor 15 Jahren wurde uns versprochen, dass wir genug getan haben, als wir den Donauausbau akzeptierten“, sagt Kleinbauer Kramer.
Was für Kiefenholz keine Kleinigkeit war. Hinter einem hohen Damm liegt die Siedlung heute rund vier Meter tiefer als der Wasserspiegel, wenn die Donau Normalwasser hat. Weitere Eingriffe sind für Kramer nicht akzeptabel. „Wir möchten unsere Heimat für unsere Kinder erhalten“, erklärt der Aktivist aus dem Donauschleifendorf. In seinem Widerstand ist er nicht alleine. Auch Landrätin Tanja Schweiger (Freie Wähler) kämpft gegen den Bau zweier Flutpolder, die weite Teile der Einwohnerschaft betreffen würden. „Wir reden hier nicht von drei Dörfern oder zehn Häusern, sondern vom gesamten östlichen Landkreis Regensburg“, betont die Kommunalpolitikerin. Statt ein derart gigantisches Projekt zu realisieren, sollten die kleinen Gemeinden entlang der Donau besser stärker vom Freistaat in dezentralen Hochwasserschutzmaßnahmen unterstützt werden.
Eine Ansicht, die Josef Paukner von der Donau-Naab-Regen-Allianz (DoNaReA) teilt. Ideen, Hochwasser und Sturzfluten vorzubeugen, hätten die Gemeinden zur Genüge: „Sie könnten zum Beispiel ihre Straßen höher legen.“ Doch die Umsetzung würde oft die Budgets sprengen. Selbst Zuschüsse von 80 Prozent machen mitunter eine Realisierung unmöglich. Fehlen doch trotzdem einige zehntausend Euro.
Im statistischen Durchschnitt alle 85 Jahre
Ein Klacks gegen das, was der Bau der riesigen Flutpolder kosten würde. Der Flutpolder rund um Eltheim, einem Ortsteil von Barbing, soll eine Fläche von rund 590 Hektar umfassen und 16 Millionen Kubikmeter Wasser zurückhalten können. Der gegenüberliegende Flutpolder Wörthhof ist mit 760 Hektar sogar noch größer angedacht. Bei einem sehr großen Hochwasserereignis, wie es laut dem Regensburger Wasserwirtschaftsamt im statistischen Durchschnitt alle 85 Jahre einmal vorkommen könnte, soll dieser Polder 16 Millionen Kubikmeter Wasser zurückhalten.
„Zusammen mit den 15 Millionen Kubikmeter Wasser im Staubereich der Donau ergäbe das eine riesige Wassermasse von über 30 Millionen Kubikmetern“, rechnet Landrätin Schweiger vor. Wie will man diese Wassermenge in den Griff bekommen, fragen sich die Anwohner. Sie wollen weder so viel Wasser, noch die für den Polder notwendigen Bauten, also die Schöpfwerke, Entwässerungsgräben und bis zu neun Meter hohen Polderdämme, akzeptieren.
Wie viel die vorgesehenen Flutpolder kosten werden, weiß derzeit noch niemand. Josef Feuchtgruber spricht von einem „dreistelligen Millionenbetrag im unteren Bereich“. Das wären möglicherweise um die 200 Millionen Euro, kombiniert Tanja Schweiger. Damit könnte dezentral eine ganze Menge an Hochwasserschutz in den Donaugemeinden betrieben werden. Vorbildliches leistete hier in ihren Augen die Gemeinde Bach an der Donau, die in den vergangenen Jahren kostspielige Schutzmaßnahmen für ein hundertjähriges Hochwasser auf den Weg gebracht hat. Werden die Flutpolder gebaut, werden die ohnehin hohen Grundwasserstände weiter steigen, befürchten die Flutpolder-Gegner. Schon jetzt gibt es entlang der Donau erhebliche Probleme, erklärt Hans Thiel (CSU), der Bürgermeister von Barbing. Dort werden gerade neue Kanalrohre verbaut. Die Arbeiten wurden durch Grundwasser stark behindert. Das ganze Wasser wegzupumpen war nicht möglich: „Wir mussten komplett abspunden.“
Seite an Seite mit den Flutpolder-Gegnern kämpft Sylvia Stierstorfer, CSU-Landtagsabgeordnete aus dem Gemeindeteil Griesau in Pfatter. Hoffnung macht ihr, dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der am 1. März in Barbing war und eine „politische Entscheidung“ versprach. Wann diese Entscheidung fällt, kann allerdings niemand sagen. Überhaupt ist noch vieles offen. Die meisten Fragen aus einem 50 Seiten starken, über 80 Fragen umfassenden Katalog, der im Januar 2017 der damaligen Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) übergeben wurde, sind laut Markus Hörner, Sprecher der IG Flutpolder, noch unbeantwortet.
(Pat Christ)
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