Kommunales

Es scheint, als wäre das kommunalpolitische Aufblühen der bayerischen Grünen vorbei. (Foto: dpa/Sebastian Kahnert)

15.05.2020

Politische Blütenträume der Grünen welken

Mehr kommunale Mandate gewonnen, aber bei der Machtbeteiligung vor allem in den großen Städten ausgebremst

Formal gehören die Grünen zu den großen Gewinnern der bayerischen Kommunalwahlen vom 15. März 2020, sie konnten die Zahl ihrer Mandate deutlich steigern. In vielen Städten – beispielsweise München – sind sie die stärkste Fraktion, in zahlreichen anderen hinter der CSU die zweitstärkste Gruppierung. Zwar sind die Grünen nach einer sechsjährigen Pause in der Landeshauptstadt, ihrer politischen Herzkammer im Freistaat, wieder Teil der Regierungsmannschaft. Doch in anderen großen Städten sieht es bei der konkreten Beteiligung an der Macht für die Partei düster aus.

In Nürnberg beispielsweise hatte der Wahlgewinner, der neue Oberbürgermeister Marcus König (CSU), eigentlich auf ein breites Bündnis aus seiner eigenen Partei, den Sozialdemokraten und den Grünen gesetzt, eine sogenannte Kenia-Koalition – so genannt nach den Parteifarben Schwarz, Rot und Grün. Doch die Grünen ließen die Koalitionsverhandlungen platzen. Der wesentliche Grund war eine Personalie: nämlich Olaf Kuch, der Leiter des Einwohner- und Ausländeramts der Stadt. Für die Grünen ist der Beamte in seinen Entscheidungen „nicht asylfreundlich genug“ (Staatszeitung berichtete). Dass Kuch auch noch die Leitung des neuen Stadtrechtsdirektoriums übertragen bekommen sollte, ging der Öko-Partei definitiv zu weit. Für CSU und SPD, die in der Frankenmetropole schon bisher allein regierten, ist das verschmerzbar: Sie haben auch weiterhin eine Mehrheit im Stadtrat.

"Missachtung allen politischen Anstands"

Auch in Rosenheim mussten die Grünen ihre politischen Träume begraben. In der oberbayerischen Kommune hatten sie sich Hoffnungen auf den Posten des Zweiten Bürgermeisters gemacht. Doch bei den ersten Abstimmungen im neuen Stadtrat unterlag die von vier auf elf Sitze angewachsene und damit zweitstärkste Fraktion. Die neue Koalition aus CSU, SPD und FDP bremste sie aus. Stellvertreter des Oberbürgermeisters wurde Stadtrat Daniel Artmann, der auch Bezirksvorsitzender der Jungen Union ist. Der Vorsitz des wichtigen Rechnungsprüfungsausschusses – auf den in den meisten Städten traditionell immer die stärkste Oppositionsfraktion Zugriff hat – ging an Christine Degenhardt von den Freien Wählern. Für den Rosenheimer Grünen-Fraktionssprecher Peter Rutz „eine Missachtung allen politischen Anstands“.

In Erlangen stehen die Grünen künftig ebenfalls am Rande. Zwar gab es, genau wie in Nürnberg, Verhandlungen über ein Kenia-Bündnis; doch die Parteibasis zog nicht mit. Eine knappe Mehrheit der Mitglieder konnte die vereinbarten Inhalte nicht mittragen, heißt es in einer Mitteilung. Außerdem hätte die Basis die verhandelte Kooperation mit der CSU als „zu eng“ abgelehnt. Für den alten und neuen OB Florian Janik (SPD) nicht weiter schlimm: Zusammen mit der CSU hat er in der Studentenstadt trotzdem eine Mehrheit.

Und auch in Passau, wo bisher die SPD von Oberbürgermeister Jürgen Dupper gemeinsam mit den Grünen und der ÖDP regierte, haben die Machtverhältnisse gewechselt: Fortan bestimmt eine Koalition aus CSU und SPD die Geschicke der Drei-Flüsse-Stadt.

"CSU und SPD kommen sich wieder näher"

Der Politikwissenschaftler Michael Weigl von der Universität Passau findet zwar, dass man zunächst die Gegebenheiten vor Ort berücksichtigen müsse. „Aber es ist auch so, dass grüne Fraktionssprecher und Ortsvorsitzende in vielen Gemeinden generell eher bereit sind mit der CSU zu kooperieren als die einfachen Mitglieder. Häufig fühlt sich die lokale Basis dann von ihrer örtlichen Führung auch nicht genügend eingebunden und mitgenommen und blockiert deshalb die weitere Zusammenarbeit“, sagt er zur Staatszeitung.

Darüber hinaus beobachtet Weigl, dass Christsoziale und Sozialdemokraten in den Städten und Gemeinden einander wieder politisch näher kommen. Beide sähen – aus unterschiedlichen Gründen – die Grünen nun als jeweils wichtigeren Gegner: Für die CSU ist die Öko-Partei die neue politische Nummer zwei und der gefährlichste Mitbewerber. Die Genossen merken dagegen, dass die Grünen ihnen den Rang ablaufen. Zufrieden verkündete Landtags-Fraktionschefin Katharina Schulze am Abend der Kommunalwahl, dass man im Freistaat fortan vor der SPD rangiere. „Die SPD hat sich in den vergangenen Jahren den Grünen inhaltlich immer weiter angenähert, ohne dass es sich für die Sozialdemokraten bei den Wahlergebnissen ausgezahlt hätte“, bilanziert Politologe Weigl.

Eike Hallitzky, der Co-Landesvorsitzende der Grünen, sieht die Ursache für das Dilemma in zwei Gründen: Zum einen sei seine Partei noch immer primär an den Inhalten und weniger an der konkreten Macht interessiert – und dadurch tendenziell weniger bereit, schmerzhafte inhaltliche Kompromisse einzugehen. Zum anderen hätten sich „die Wahlverlierer CSU und SPD vielerorts zusammengeschlossen nach dem Motto: alle gegen Grün“. Einen Trost für die verlorene Perspektive in den Großstädten sieht der Landesvorsitzende aber im Zuwachs an grünen Vize-Landräten. (André Paul)

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