Die Wirtschaftskrise bringt Firmen schnell ins Schleudern. Deshalb sind kommunale Wirtschaftsförderer von großer Bedeutung. Sie helfen bei der Ansiedlung und bei komplexen Projekten. Teilweise geschieht das mit künstlicher Intelligenz.
Bayerische Wirtschaftsförderer helfen bei Unternehmenskrisen. Dabei ist das persönliche Gespräch das Wichtigste.
In Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern wurden unter der Federführung von Wirtschaftsförderer Roland Masche regionale Business-Chatbots entwickelt, die das städtische „Innovations- und Startup-Ökosystem“ vernetzen sollen. Am 18. Februar stellte Roland Masche das „Hagenower-Modell“ und die „sprechende Technologie-Region“ beim Onlineseminar des Städte- und Gemeindebunds vor. Sein Ziel ist es, andere Wirtschaftsförderer zu animieren, ähnliche Vorhaben umzusetzen. Durch die Chatbots soll der Wissensfluss zwischen Forschung und Wirtschaft sowie innerhalb der Wirtschaft verbessert werden.
Roland Masche will die Chatbots so einrichten, dass sie mit möglichst niedrigen Hürden über Fragen und Antworten Zugang zu „Innovationswissen“ ermöglichen. Der Chatbot verweist zum Beispiel auf Ansprechpartner oder auf Forschungseinrichtungen, die zu bestimmten Themen, die einen Betrieb interessieren, arbeiten. Oder auch auf andere Unternehmen, mit denen eine Kooperation interessant sein könnte. Die lokale Wirtschaftsförderung, so Roland Masche, werde durch die Chatbots entlastet. Realisiert wird das Ganze in Zusammenarbeit mit Google Cloud Deutschland.
Chatbots müssen ertüchtigt werden
Weil dieses Techunternehmen auf einem Datenschatz sitzt, der für lokale Firmen höchst interessant ist, stellt Google Cloud Deutschland für Roland Masche einen idealen Partner dar. Doch Daten allein sind nur die halbe Miete. Der mit Daten angefütterte Chatbot muss nach und nach ertüchtigt werden. „Wir haben im ersten Schritt strukturierte Patent- und Gebrauchsmusterdaten hinterlegt“, verriet der Wirtschaftsförderer letztes Jahr in einem Interview für die LennardtundBirner GmbH, die Wirtschaftsförderer berät. Im Oktober 2024 wurden erste Ergebnisse in Berlin vorgestellt. Bayerische Wirtschaftsförderer finden die Hagenower Vision interessant. Allerdings besteht auch Skepsis.
Künstliche Intelligenz und überhaupt die Digitalisierung können sowohl Positives bringen als auch zerstörerisch wirken. Letzteres erfährt man gerade in Kaufbeuren. Davon berichtet Peter Igel, der sich in der schwäbischen Stadt im Allgäu für die Förderung der Wirtschaft engagiert.
Der Trend zum Onlineshopping zeitigt in Kaufbeuren inzwischen deutlich nachteilige Konsequenzen – und zwar seit der Corona-Krise: „Hier ist es zu einem Erziehungseffekt im negativen Sinne gekommen.“ Die Menschen wurden, als die Geschäfte geschlossen oder nur noch umständlich zu betreten waren, dazu „erzogen“, sich das, was sie brauchen, im Internet zu bestellen. Viele möchten diese Bequemlichkeit nicht mehr missen. Das führte in Kaufbeuren inzwischen dazu, dass mehrere Läden leer stehen.
Advokaten der lokalen Unternehmer
Wirtschaftsförderer verstehen sich als Advokaten der lokalen Unternehmer und nicht zuletzt des Einzelhandels. Der wird in Kaufbeuren besonders intensiv unterstützt, seit es einen Wechsel im Wirtschaftsreferat gab: Seit gut einem Jahr ist Andreas Bauer Wirtschaftsreferent. Der ehemalige Leiter des Geschäftsbereichs Umweltvorsorge bei der Landeshauptstadt München initiierte das „Handlungsprogramm Altstadt 2030 – Kaufbeuren packt an!“. Die Altstadt wieder attraktiver zu machen, das gehört laut Peter Igel seitdem auch zum Schwerpunkt der kommunalen Wirtschaftsförderung.
Den durch die Corona-Krise bedingten Cut auszugleichen, gilt als Herausforderung. Chatbots können dabei wenig helfen. Was in nächster Zeit ansteht, sind zum Beispiel Treffen mit mehreren Dutzend Eigentümern eines Straßenzugs, um gemeinsam zu überlegen, wie man für Aufhübschung sorgen könnte. Etwa mit Pflanzkübeln. Oder mobilen Bäumen.
Natürlich besteht aber auch in Kaufbeuren die Aufgabe der Wirtschaftsförderung nicht allein darin, eine Gegenbewegung zum bequemen Onlineshopping zu initiieren. Das Standortmarketing gehört zu den weiteren wichtigen und, wie Peter Igel betont, in Bezug auf den Haushalt rein freiwilligen Aufgaben. Wirtschaftsförderung ist nichts, wozu eine Kommune verpflichtet wäre. Das kann in Zeiten mit schwieriger Haushaltslage ein Problem darstellen. Teure Messeauftritte, wiewohl sie interessante Kontakte zu Investoren und innovativen Gründern versprechen, sind in aller Regel nicht im Budget drin.
Am gleichen Strang ziehen
Wirtschaftsförderer können im Übrigen nur dann einen Beitrag für die wirtschaftliche Zukunft ihrer Kommune leisten, wenn andere Kollegen im Rathaus mit am gleichen Strang ziehen. Jeder in der Stadtverwaltung, der mit Firmen zu tun hat, sollte sich laut Peter Igel darum bemühen, den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht zu werden. Das heißt zum Beispiel, Genehmigungsverfahren so effizient wie möglich zu machen. Statt bestimmte Unterlagen von einem Unternehmen anzufordern und, sind sie da, prompt die nächste Bitte um Einreichung weiterer Unterlagen zu verschicken, sollte gebündelt alles auf einmal abgefragt werden.
Trotz Wirtschaftsförderung bleibt es ureigene Sache von Unternehmen, zu eruieren, was in einer konkreten Region vermarktbar ist oder nicht. Und wie der Gewinn gesteigert werden kann. Daneben gibt es jedoch viele Fragen, bei denen ein Wirtschaftsförderer gut weiterhelfen kann. „Ich habe es täglich mehrfach mit Unternehmern zu tun“, berichtet Michael Haider, Wirtschaftsförderer in Memmingen. Da denkt der Chef eines Bauunternehmens zum Beispiel darüber nach, günstige Wohnungen, wie sie aktuell heiß begehrt sind, zu errichten. Und steht vor tausend Problemen, vom Brandschutz über die Barrierefreiheit bis hin zu komplizierten Dämmwerten.
Dass die Welt, in der wir leben, höchst kompliziert ist, bekommt mehr oder weniger jeder Bürger mit. Unternehmer spüren das besonders stark: Die Bürokratie wird inzwischen als Korsett erlebt, das die Luft zum Atmen abschnürt. Gerade auch hier leisten Wirtschaftsförderer Hilfe. An einem Bürokratieabbau geht nach Ansicht von Michael Haider allerdings kein Weg vorbei. Dabei sieht er nicht unbedingt einzelne bürokratische Vorschriften als Problem an: „Sondern die Regelungstiefe.“ Grundsätzlich sinnvolle Vorschriften würden bis ins kleinste Detail ausgefächert. Das lähmt die Wirtschaft. Was niemand wollen kann.
Für Firmenchefs ist die Tür immer offen
Auch bei der Wirtschaftsförderung im oberbayerischen Weilheim ist die Tür immer offen für Firmenchefs, denen irgendetwas unter den Nägeln brennt. Ihr ist es, sagt Wirtschaftsförderin Jutta Liebmann, wichtig, im persönlichen Gespräch das Ohr nah an den Sorgen und Nöten der Unternehmer zu haben: „Wir sind zum Beispiel Behördenlotsen, wenn es irgendwo nicht weitergeht.“
Vielleicht würde ein Geschäftsführer auch gern kurzfristig den Bürgermeister sprechen. Was nicht klappt: „Dann schauen wir, was wir machen können.“ Jeder Arbeitstag sei komplett anders. Auch jedes Gespräch: „Was wir tun, kann noch kein Roboter leisten.“
Zur konkreten Förderung der Wirtschaft, zeigt Jutta Liebmann, gibt es auf kommunaler Ebene mannigfache Möglichkeiten. Seit Mai vergangenen Jahres wird in Weilheim zum Beispiel einmal im Monat ein „Innenstadt Freitag“ mit speziellen Events veranstaltet. Seitdem sei es gelungen, wieder mehr Menschen in die Innenstadt zu locken. „Frühlingsrauschen“ nennt sich das April-Event: „In verschiedenen Geschäften werden DJs auflegen.“
Im Mai soll ein „Fashion Walk“ durch die Innenstadt organisiert werden. Models schlendern dann mit Schirmen durch die City. Im September will ein „Straßenzauberfestival“ zum Shoppen verlocken. Wobei Jutta Liebmann nicht nur das Zentrum der Stadt und den Einzelhandel im Blick hat. Für den 18. Oktober ist ein Tag der offenen Tür als „Entdeckungstour“ durch Weilheim für Unternehmen, Einzelhändler und Kultureinrichtungen geplant.
Wie man Fachkräfte und Azubis gewinnt
Zu welchem Unternehmen passt meine persönliche Passion am besten? Jugendliche, die auf der Suche nach einer Lehrstelle sind, finden an diesem Tag Antworten auf solche Fragen. Der Tag dient nicht zuletzt dazu, Fachkräfte zu gewinnen. Die werden, obwohl die Arbeitslosigkeit allmählich zunimmt, in Weilheim immer noch gesucht. Noch gibt es auch kaum Insolvenzen. Und wenig Ladenleerstand. Das liegt am reichen Nachbarlandkreis Starnberg. Dass dort viele kaufkräftige Bürger leben, kommt der Weilheimer Wirtschaft zupass. Wobei auch Jutta Liebmann die krisenbedingt schwierige wirtschaftliche Entwicklung mit Sorge sieht.
An den weltweiten Krisen könne eine nationale Politik zwar wenig ausrichten, allerdings findet sie, dass gewisse politische Entscheidungen auf Landes- und Bundesebene überdacht werden müssten, weil sie nachteilige Folgen haben. Bürokratieabbau ist auch ihr ein Hauptanliegen: „Davon ist zwar ständig die Rede, tatsächlich nimmt Bürokratie permanent zu.“ Und auch die Überregulierung. So sind Betriebe jetzt verpflichtet, barrierefreie Homepages mit leichter Sprache aufzusetzen. Selbst wenn stark zu vermuten steht, dass dies in der Realität keiner nutzt. Auch das Ladenschlussgesetz müsste aus Sicht der Wirtschaftsförderin dringend aufgeweicht werden.
(Pat Christ)
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